Sunday, 21. June 2009Italiens ZensurlisteBei Fefe steht, dass Wikileaks die italienische Zensurliste veröffentlicht hat. Oder zumindest einen Teil davon. Wikileaks behauptet, die meisten dieser Seiten enthielten keine Kinderpornographie in unserem Sinn (also Kinder unter 14), sondern in erster Linie nackte junge Erwachsene oder Jugendliche (also Menschen unter 18), selbst überprüfen kann ich das ja nicht. Von den 287 Domains, die dort gesperrt sind, lassen sich 263 auflösen und führen zu 205 verschiedenen IP-Adressen. Diese Server stehen sämtlich in Staaten mit einer Rechtsordnung, die sicher auch Kinderpornos verbietet. Lediglich Belize klingt ein bisschen exotisch, aber ich vermute, die haben als Mitglied des Commonwealth ein dem britischen sehr ähnliches Rechtssystem. Die "Hälfte aller Staaten",
in denen laut unserem Familienministerium die Verfolgung ins Leere
läuft, scheint jedenfalls nicht unter den Ländern zu sein, in denen die
Server stehen. Angeführt wird die Liste von den USA: 122 USA Es ist wirklich fast egal, welche der vielen Listen mit zensierten Servern man auswertet, das Ergebnis ist immer das gleiche: Man hätte Zugriff auf die Hoster, man könnte dort löschen, aber stattdessen stellt man lieber plakativ ein Stoppschild davor und tut damit was für die Kinder. Ist natürlich auch wesentlich leichter, als sich mit den Behörden oder Providern in den USA zu streiten, ob ein unbekleideter junger Mensch (a) Pornographie und (b) ein Kind ist. Bei dem was unsere Zensurbefürworter immer als Beispiel für die Begründung ihrer Sperrwünsche anführen, sollte das allerdings kein Problem sein. Die Darstellung der Vergewaltigung eines Kindes sollte auch in den Vereinigten Staaten oder in den Niederlanden unstrittig verboten sein. Von den fünf deutschen Hosts sind drei Domains inzwischen bei Sedo geparkt, wurden also aufgegeben, die anderen beiden sind ebenfalls abgeschaltet, zumindest läuft dort kein Webserver mehr. (Karten selbstgebastelt mit Kartendaten von thematicmapping.org unter cc-by-sa-Lizenz, die Farbskala ist nicht identisch auf den beiden Karten; Standortbestimmung der Hosts mit der GeoLite-City-Datenbank von maxmind) Nachtrag: Ich hab noch eine Seite gefunden, wo jemand die gleiche Auswertung gemacht hat. Der hat nicht die IP-Adressen geprüft, sondern die Domains, was bei mir dann so aussähe. Das Ergebnis ist bis auf ein paar Domains gleich. Saturday, 20. June 2009Tor nach PersienSeit im Iran die Leute so einen grossen Mitteilungsbedarf im Internet haben, ist die Anzahl der Tor-Nodes in den USA recht sprunghaft angestiegen. Anscheinend wirken dort die Aufrufe, etwas gegen die Zensur durch die iranischen Machthaber zu tun: In den anderen Ländern ist diese Unterstützungsbewegung nicht stark zu beobachten. Interessant ist auch der Anstieg der Clients im Iran. Ich hab mal versucht rauszubekommen, wie diese oppositionellen Iraner eigentlich jetzt ins Internet ausserhalb ihres Landes kommen. Und wäre ich einer von ihnen, ich glaube, ich wäre nur verwirrt: Anscheinend gibts ausserhalb des Landes Leute, die möglichst viele Proxies aufsetzen, die die Revolutionswächter noch nicht kennen. Die wissen aber nicht, wie sie die Informationen vertraulich ins Land bekommen. Da gibts zwar auch wieder Kontaktadressen, die haben aber wieder das Problem, dass sie die Zuverlässigkeit der Proxybetreiber nicht einschätzen können und ob diese Kontakte zuverlässig sind, weiss auch keiner. Es schwirren jede Menge mehr oder weniger guter Gebrauchsanweisungen rum und vermutlich ist die Informationsmöglichkeit noch wesentlich schlechter, wenn man lediglich Farsi spricht... Thursday, 18. June 2009Die eigentliche Seele des StaatesIch hab mir mal die Plenarprotokolle zur Zensurdebatte angesehen. Ein paar Redner haben mich ja schon beeindruckt:
Man muss allerdings einige Zeit zurückgehen, um diese Worte des SPD-Abgeordneten Arthur Stadthagen zu finden. Das war am 6.2.1901 im Reichstag und es ging um die Lex Heinze, ein Gesetz zur Bekämpfung unsittlicher Theaterstücke, Literatur und bildender Kunst. Die Liberalen fanden damals übrigens auch schon, dass das Strafrecht der richtigere Hebel zur Bekämpfung verbotener Schriften ist. Zumindest verstehe ich Hermann Pachnicke von der Fortschrittlichen Partei so: Es ist Ihr wie unser Zweck, die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit zu schützen; wir aber glauben, diesen Zweck besser ohne als mit Zensur zu erreichen. Die Aufhebung der Zensur bedeutet ja nicht Zügellosigkeit, wie der Herr Vorredner angenommen hat, sie bedeutet Zügelung durch das Strafgesetz, und wir glauben, dass dieser Zügel sicherer und stärker wirkt. Was übrigens ein absolutes Novum in den Zensurgesetzen der jüngeren deutschen Geschichte ist: Sowohl in den Gesetzen der Kaiserzeit als auch im Gesetz gegen Schmutz und Schund aus den 20er Jahren agieren die Zensoren öffentlich. Dass die Einschränkung auf der geheimen Liste einer Polizeibehörde beruht, hätten sich die beiden zitierten Abgeordneten vermutlich nie vorstellen können. Ich freu mich schon auf das Protokoll der Bundestagssitzung vom 18.6.2009, da werde ich sicher ähnlich erbauliche Texte lesen können, bisher weiss ich ja nur das Ergebnis: 389 für Zensur, 128 dagegen, 18 Enthaltungen. Tuesday, 16. June 2009Liegend umgefallenDie SPD hat sich also entschlossen, das Layen'sche Gesetz zur Zensur des Internets mitzutragen. Ein paar kosmetische Änderungen gabs (das Werk heisst jetzt "ZugErschwG", weil es den Zugang erschwert; alle Provider, Behörden und Firmen mit 10000 Zugängen müssen filtern; das BKA muss kurz darüber nachdenken, ob man die Seite nicht löschen könnte statt ein Stoppschild davorzuhängen, womit die Forderung "Löschen statt Sperren" Und alle regen sich über die SPD auf, sind enttäuscht und finden, sie sei umgefallen. Was ich ja garnicht verstehe. Ich hätte von der Partei des Ex-Innenministers Otto Schily, der Justizministerin Brigitte Zypries, des BKA-Chefs Jörg Ziercke, des Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm und des innenpolitischen Sprechers Dieter Wiefelspütz nichts anderes erwartet. Was positives seh ich schon auch im neuesten Entwurf der Koallitionäre: Statt eines kleinen Klüngels regierungsnaher Provider müssen die Listen jetzt an ganz viele Kleinprovider, Uni-Rechenzentren, Behörden und grössere Firmen verteilt werden. Da wird das schwer mit der Geheimhaltung der Liste und wir können bald vergleichen, um wie viel besser die BKA-Fahnder arbeiten als ihre Kollegen in bereits zensierenden Staaten. Können wir sicher auch besser als das die neu eingeführten Überwacher des BKA, die quartalsweise stichprobenartige Überprüfungen vornehmen. Für die Umsetzung bleiben den Providern 6 Monate Zeit, sonst droht Bussgeld. Da bin ich auch gespannt, wie die das Gesetz interpretieren wollen. Ich könnte aus der wunderlichen Aufzählung "vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten" keine vernünftige Handlungsanweisung für eine Sperre mit Stoppschild basteln. Vermultich käme ich über die Minimalforderung "DNS-Sperre" nicht hinaus, für den Rest müsste ich britische oder chinesische Experten konsultieren. Aber vielleicht zieht sichs ja auch noch länger hin. Die Neuformulierung der Telekommunikations-Überwachungsverordnung zur Vorratsdatenspeicherung ist schliesslich auch seit 18 Monaten im Stadium "Die Bundesregierung hat sie in
Aussicht genommen und wird diese alsbald vornehmen". Zuständig wäre das neuerdings so dynamische Wirtschaftsministerium, aber die haben vermutlich andere Prioritäten. Mal sehn, ob das BKA die technischen Fragen schneller auf die Reihe bringt. Noch einen Lichtblick hab ich grad ersurft: Der Herr Schily, der meinen Wahlkreis in Berlin für die SPD vertritt, tritt 2009 zur Wahl nicht mehr an und geht in den wohlverdienten Ruhestand. Das würde jetzt wenigstens die Chance auf die eine oder andere Erststimme erhöhen. Bisher konnte ich mich zum Beispiel schwer zwischen Regen und Traufe entscheiden... Tuesday, 12. May 2009Landestrojaner muss durchs KabelSo richtig toll konnte sich die FDP als neuer Koallitionspartner der Staatspartei bei der Online-Durchsuchung nicht profilieren. Nur ein Kritikpunkt bei unserem Landestrojaner wurde beseitigt:
Ausserdem soll in der neuen Fassung, die demnächst ins Parlament kommen soll, ein grösseres Richtergremium die Anordnung unterschreiben (ausser in Eilfällen, da darfs jeder Polizeipräsident oder Geheimdienstchef). Ein bisschen was ist damit schon gewonnen, immerhin müssen die Spione sich Mühe geben und was schönes programmieren, statt einfach einzubrechen und einen Keylogger anzustecken. Und man läuft nicht Gefahr, dass die Ordnungshüter mehr rumschnüffeln als sie dürfen, wenn sie schonmal heimlich im Wohnzimmer stehen. Ich stells mir ja schon schwer vor, sich da diszipliniert auf den einzig erlaubten Gegenstand in der Wohnung, nämlich den Computer zu konzentrieren... Die weiteren fragwürdigen Punkte unseres bayerischen Schadprogramms (präventive Veränderung von Daten, schwache Abgrenzung des privaten Bereichs) wird man halt wider in Karlsruhe klären lassen müssen, die SPD hat ja da noch eine Vorlage vom letzten Mal.
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