Die SPD hat sich also entschlossen, das Layen'sche Gesetz zur Zensur des Internets mitzutragen. Ein paar kosmetische Änderungen gabs (das Werk heisst jetzt "ZugErschwG", weil es den Zugang erschwert; alle Provider, Behörden und Firmen mit 10000 Zugängen müssen filtern; das BKA muss kurz darüber nachdenken, ob man die Seite nicht löschen könnte statt ein Stoppschild davorzuhängen, womit die Forderung "Löschen statt Sperren" karrikiert aus Sicht der Koallition hinreichend erfüllt wird; die Idee der Justizministerin, gleich alle Zugriffsversuche mitzulesen wird nicht umgesetzt).
Und alle regen sich über die SPD auf, sind enttäuscht und finden, sie sei umgefallen. Was ich ja garnicht verstehe. Ich hätte von der Partei des Ex-Innenministers Otto Schily, der Justizministerin Brigitte Zypries, des BKA-Chefs Jörg Ziercke, des Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm und des innenpolitischen Sprechers Dieter Wiefelspütz nichts anderes erwartet.
Was positives seh ich schon auch im neuesten Entwurf der Koallitionäre: Statt eines kleinen Klüngels regierungsnaher Provider müssen die Listen jetzt an ganz viele Kleinprovider, Uni-Rechenzentren, Behörden und grössere Firmen verteilt werden. Da wird das schwer mit der Geheimhaltung der Liste und wir können bald vergleichen, um wie viel besser die BKA-Fahnder arbeiten als ihre Kollegen in bereits zensierenden Staaten. Können wir sicher auch besser als das die neu eingeführten Überwacher des BKA, die quartalsweise stichprobenartige Überprüfungen vornehmen.
Für die Umsetzung bleiben den Providern 6 Monate Zeit, sonst droht Bussgeld. Da bin ich auch gespannt, wie die das Gesetz interpretieren wollen. Ich könnte aus der wunderlichen Aufzählung "vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten" keine vernünftige Handlungsanweisung für eine Sperre mit Stoppschild basteln. Vermultich käme ich über die Minimalforderung "DNS-Sperre" nicht hinaus, für den Rest müsste ich britische oder chinesische Experten konsultieren.
Aber vielleicht zieht sichs ja auch noch länger hin. Die Neuformulierung der Telekommunikations-Überwachungsverordnung zur Vorratsdatenspeicherung ist schliesslich auch seit 18 Monaten im Stadium "Die Bundesregierung hat sie in
Aussicht genommen und wird diese alsbald vornehmen". Zuständig wäre das neuerdings so dynamische Wirtschaftsministerium, aber die haben vermutlich andere Prioritäten. Mal sehn, ob das BKA die technischen Fragen schneller auf die Reihe bringt.
Noch einen Lichtblick hab ich grad ersurft: Der Herr Schily, der meinen Wahlkreis in Berlin für die SPD vertritt, tritt 2009 zur Wahl nicht mehr an und geht in den wohlverdienten Ruhestand. Das würde jetzt wenigstens die Chance auf die eine oder andere Erststimme erhöhen. Bisher konnte ich mich zum Beispiel schwer zwischen Regen und Traufe entscheiden...