Ich hab mir mal die
Verfassungsbeschwerde der bayerischen SPD (bzw. vier ihrer Abgeordneten) angesehen. Im Prinzip das was seit der
Ankündigung im Juli zu erwarten war. Kein Infragestellen der Heimlichkeit dieser Durchsuchung, die ja bei real live-Durchsuchungen immer als ganz schrecklich galt, stattdessen ein paar Detailfragen, etwa dass die Wohnung zur Installation betreten werden muss und dass der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht klar genug geregelt ist. Wobei mir ja auch nicht klar ist, was dieser Kern sein soll... Bettgestöhne, ein Gespräch über das zukünftige gemeinsame Leben, Klagen über den momentanen Gesundheitszustand?
Die SPD hats aber auch nicht leicht mit der Computerüberwachung durch den rechten Rand des Parlaments. Schliesslich hat der bayerische SPD-Mann Schily den Bundestrojaner eingeführt und seine treuen Genossen Wiefelspütz, Zypries und Ziercke verteidigen das Schnüffeln immer noch fleissig. Da lässt sich kaum was gegen die Union sagen, die sich eigentlich erst dadurch mit Verfassungsbeschwerden angreifbar macht, dass sie ihre Viren jetzt neuerdings legal installieren will, statt wie das Innenministerium der alten Regierung das Zeug einfach rechtswidrig einzusetzen.
Obwohl die SPD eine ganze Menge Punkte gefunden hat, wo dieses Landesgesetz über die vom Verfassungsgericht vorgegebenen Grenzen hinausgeht (oder daneben vorbei...), ist das
Innenministerium zuversichtlich:
"Wir orientieren uns mit unseren Gesetzen zur Online-Datenerhebung sowohl im Polizeiaufgabengesetz als auch im Verfassungsschutzgesetz strikt an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts."
Das stimmt natürlich nicht ganz. Die Frage, ob Behörden Daten ihrer Bürger einfach ändern dürfen (in Bayern erlaubt, sogar präventiv), stand beim BVerfG zum Beispiel nicht zur Diskussion, nicht mal spekulativ, so weit reichte die Vorstellungskraft der Richter vielleicht auch nicht. Selbst die Änderung durch die Installation selbst fanden sie schon grenzwertig. Aber der Satz klingt einfach gut, ebenso wie der fleissige Hinweis auf Terroristen.
Eine Online-Datenerhebung darf nur in wenigen Ausnahmefällen bei einer Person angeordnet werden, bei der Hinweise z.B. auf die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorliegen.
Abgesehn davon, dass man heutzutage recht schnell so einer Organisation angehört, wenn man
was falsches schreibt hätte Herr Hermann auch "Eingriff in der Eisenbahnverkehr" als Beispiel nehmen können. Jahrelang ein Dauerbrenner bei der Durchsetzung der Castortransporte und ebenfalls ein Tatbestand der den Landestrojaner erlaubt. Aber ich bin ja schon froh, wenn er wenigstens nur Terroristen nennt, seine Justizkollegin hätte der Gelegenheit nicht widerstehen können, "Kinderpornos" unterzubringen.
Mit dem Hinweis auf die ungewöhnliche Regsamkeit der SPD in Wahlkampfzeiten hat Herrmann natürlich recht, aber schliesslich gibt es kein Klageverbot gegen die Gesetze im letzten Vierteljahr einer Legislaturperiode. Und 3 Monate zur Klagevorbereitzung ist ja auch nicht übertrieben, Staatsanwaltschaften brauchen selbst für einfache Verfahren oft länger.
Ausserdem ist es auch gar nicht mehr gross nötig den Überwachungsstaat der CSU im Wahlkampf an die Wand zu malen. Er hängt dort nämlich schon. Fast sämtliche kleineren Parteien haben ein paar Plakate gegen Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Landestrojaner geklebt. Find ich ganz gut. Selbst wenns unkonkret bleibt, das Gefühl "Der Staat wanzt sich irgendwie in meinen Computer rein und will mir nachspionieren" trägt langfristig zur Sensibilität in Bürgerrechtsfragen bei.
Schnipsel am : Ausverkauf zum Jahresende
Schnipsel am : Zwei zu Eins für Herrmann