Ich hab mir mal die Plenarprotokolle zur Zensurdebatte angesehen. Ein paar Redner haben mich ja schon beeindruckt:
Wer für die Zensur im Prinzip ist, wer die Zensur der Willkür der Polizei ausliefern will, stemmt sich gegen die Wissenschaft und Kunst. Der wird schließlich von der Kultur überholt werden.
[...]
Aber wenn Sie annehmen, die Zensur solle weiter bestehen, dann steht es in der Tat so, dass auch heute noch die Polizei sorgen soll für die Sicherheit der Seele und der inneren Tätigkeit des Menschen, ferner auch für die Sicherheit seiner äußeren Verhältnisse, kurz und gut, dann stehen Sie auf dem Standpunkt, dass die eigentliche Seele des Staates die Polizei ist.
Man muss allerdings einige Zeit zurückgehen, um diese Worte des SPD-Abgeordneten Arthur Stadthagen zu finden. Das war am 6.2.1901 im Reichstag und es ging um die Lex Heinze, ein Gesetz zur Bekämpfung unsittlicher Theaterstücke, Literatur und bildender Kunst.
Die Liberalen fanden damals übrigens auch schon, dass das Strafrecht der richtigere Hebel zur Bekämpfung verbotener Schriften ist. Zumindest verstehe ich Hermann Pachnicke von der Fortschrittlichen Partei so:
Es ist Ihr wie unser Zweck, die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit zu schützen; wir aber glauben, diesen Zweck besser ohne als mit Zensur zu erreichen. Die Aufhebung der Zensur bedeutet ja nicht Zügellosigkeit, wie der Herr Vorredner angenommen hat, sie bedeutet Zügelung durch das Strafgesetz, und wir glauben, dass dieser Zügel sicherer und stärker wirkt.
Was übrigens ein absolutes Novum in den Zensurgesetzen der jüngeren deutschen Geschichte ist: Sowohl in den Gesetzen der Kaiserzeit als auch im Gesetz gegen Schmutz und Schund aus den 20er Jahren agieren die Zensoren öffentlich. Dass die Einschränkung auf der geheimen Liste einer Polizeibehörde beruht, hätten sich die beiden zitierten Abgeordneten vermutlich nie vorstellen können.
Ich freu mich schon auf das Protokoll der Bundestagssitzung vom 18.6.2009, da werde ich sicher ähnlich erbauliche Texte lesen können, bisher weiss ich ja nur das Ergebnis: 389 für Zensur, 128 dagegen, 18 Enthaltungen.