Saturday, 12. May 2007Keine Reue
Kontraste hat jetzt den Text der Dienstanweisung ausgegraben, mit der der Minister, der Staatssekretär und das Parlamentarische Kontrollgremium gelinkt wurde:
Das heimliche Beobachten und sonstige Aufklären des Internets sowie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen, bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf IT Systeme unter Einsatz technischer Mittel. Hans Peter Uhl von der CSU konnte den Text nicht deuten damals im Kontrollgremium als Jurist und Nichttechniker, nicht IT-Spezialist. Ich verstehe ich es nicht, was damit im Einzelnen gemeint ist und wozu die Dienste befugt sein sollen und sein Kollege Ströbele von den Grünen auch nicht Allein die Vorstellung, dass ein Geheimdienst in den Computer, den ich hier auf meinem Schreibtisch habe über das Telefon reinkriechen kann, diese Vorstellung habe ich erst Ende 2006 entwickeln können, seit ich gehört habe, dass das im strafprozessualen Bereich angewandt worden ist. Vielleicht ist das das Problem. Die Leute verstehen die Sprache der Leute nicht, die sie beaufsichtigen sollen und nachfragen trauen sie sich nicht, weil sonst der Mann vom Verfassungsschutz verächtlich schnauft. Auf die Idee, dass das Ding, in das die Frau im Vorzimmer immer die Briefe tippt ein "IT-System" sein könnte, kommen sie nicht von allein. Bayern macht übrigens einen eigenen Vorstoss zum Online-Schnüffeln. Die Netzzeitung zitiert unsere Justizministerin mit Weder von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) lägen bisher Entwürfe vor, beklagte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) in der «Welt am Sonntag». «Wir brauchen sehr schnell eine Rechtsgrundlage.» Da schon oft auch Hausdurchsuchungen wegen Kinderpornographie durchgeführt wurden, stimmt das mit der Hürde natürlich nicht ganz, man könnte sich ja bequem statt am Grossen Lauschangriff einfach an der Offline-Durchsuchung orientieren. Ich vermute, Frau Merk wollte einfach nochmal ein Stichwort fallen lassen und es geht ihr halt so wie den anderen auch: Sie hat keine Ahnung, worum es geht, aber man hat ihr gesagt, dass man das braucht. Ausserdem geht das so eh nicht durch die Gesetzgebung und wenn man schonmal Stimmung für die konservative Wählerschaft macht, kann man auch ordentlich aufs Blech hauen. Was mir bei der ganzen Sache irgendwie fehlt, ist irgendeine Form von Scham darüber, dass jahrelang die Behörden gegen Gesetzte verstossen haben, absichtlich oder aus Versehen gedeckt von der Regierung und ohne funktionierende Kontrolle des Parlaments. Das finde ich besonders tragisch, diese Kontrolle ist schliesslich die einzige Kontrolle, die stattfinden sollte, jeder öffentliche Einblick in die Arbeit der Schnüffler wurde ja durch dieses Gremium ersetzt. Stattdessen ist die einzige Konsequenz dieses Treibens, dass man eben versucht, die Rechtsgrundlage zu schaffen und so die Straftäterbande nachträglich zu legalisieren. Erkennungsdienstliche Behandlung
Ah, wie schon vermutet, der Kompromiss ist da, die SPD hat sich wacker geschlagen.
Fingerabdrücke werden nun doch nicht im Amt gespeichert, sondern nur im Pass und dann vernichtet. Online abfragbar sind sie damit natürlich auch nicht und ohne Speicherung werden die Begehrlichkeiten "wenn wir die Daten haben, wäre es doch unverantwortlich sie nicht für ... einzusetzen" nicht so schnell auftauchen. Dieser am Donnerstag von Peter Struck und Volker Kauder gefundene Kompromiss entspricht in dieser Hinsicht zufällig dem Kompromiss vom Dezember der dann zum Regierungsentwurf für das neue Passgesetz wurde: Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble erklärte hierzu: Schön wenn ein Gesetz so langfristig über mehrere Monate wirklich durchhält. Das Bild wird allerdings schon online abrufbar sein. Man musste halt einen Kompromiss finden. Wird sicher interessant im Herbst. Hoffentlich findet die Abdruckscannerei halbwegs technisch modern statt. Stempelkissen und Papierstreifen bleibt in der Vorstellungswelt der Bürger doch irgendwie dem gemeinen Verbrecher vorbehalten. So möchte man ja nicht behandelt werden. Friday, 11. May 2007Langer Atem
Gerade gefunden in Heribert Prantl: "Deutschland leicht entflammbar" von 1994:
Die Pläne des CDU/CSU-Fraktioinsvorsitzenden Wolfgang Schäuble gehen dahin, das Militär als Notpolizei gegen Demonstranten und Asylanten einzusetzen. Die strikte Trennung von Polizei, Militär und Geheimdiensten war eine Lehre aus der Nazi-Vergangenheit. Mit gutem Grund hatte der sogenannte Polizeibrief der Besatzungsmächte vom 8. / 14. April 1949 vorgeschrieben, die Verfassungsschutzbehörde dürfte "keine Polizeibefugnis" erhalten: Nie mehr sollte ein neues Reichsicherheitshauptamt entstehen können, wie es die Nationalsozialisten 1939 eingerichtet hatten. Diese Trennung war und ist keine Frage papierener Begrifflichkeit; sie hatte und hat einen tieferen Sinn: Eine der demokratischen Kontrolle entzogene Polizei sollte es nicht mehr geben. Doch trotz der Erfahrungen mit der Geheimen Staatspolizei des NS-Staates und mit der Staatssicherheit der DDR: Mahnungen und Warnungen verhallen. Auch das gehört zur Entsorgung der Vergangenheit. Das muss man also dem Innenminister lassen: Der Mann hat Ausdauer und geht einen geradlinigen Weg. Mich ärgert ja, dass ich überhaupt keine Erinnerung an den Schäuble dieser Zeit habe. Irgendwie ist da eine Lücke zwischen dem Attentat auf ihn 1990 und der Spendenaffäre 2000, vielleicht noch eine kurze Erinnerung an die Wahl 1998. Dabei war er seit 1991 Fraktionsvorsitzender, sollte also schon Spuren im Gedaächtnis hinterlassen haben. Vielleicht war der Blick auf seine innenpolitischen Ansichten vom recht dominanten Auftreten des damaligen Innenministers und Finanzagenten Manfred Kanther so verstellt. Aber immerhin, man hätte schon vor 13 Jahren wissen können, was der Mann so für Vorstellungen hat. Das Zauberwort, das man damals benutzte um Gesetze zur Stärkung der Polizei und Geheimdienste durchzubringen hiess übrigens "Organisierte Kriminalität". Den einheimischen Terrorismus glaubte man zu dieser Zeit überwunden und vom internationalen hatte man noch zu wenig Vorstellungen, um die Öffentlichkeit damit erschrecken zu können. Tuesday, 8. May 2007Cookies
So, die SPD hat jetzt ihre zwei Wochen Oppositionsrolle hinter sich gebracht und wird wieder vernünftig. Schäubles Plan, erstmal wirklich alles zu fordern und dann dem Rechtsstaat zu Liebe auf 20% zu verzichten geht auf und Frau Zypries freundet sich im Deutschlandradio mit der Vorstellungswelt ihres Kabinettskollegen an.
Die Frau Ministerin war übrigens gut gebrieft für das Interview: Das Andere, was wir beobachten können und was ich auch für schwierig erachte, ist, dass bei vielen Menschen in Deutschland inzwischen das Bewusstsein über diese vielen Situationen, in denen sie private Daten hinterlassen, sich verändert hat. Also: Man geht ins Kaufhaus, man zahlt mit irgendwelchen PAYBACK-Karten, es wird überall in den Kaufhäusern registriert, wann man welche Sachen gekauft hat, man kauft über das Internet ein, man hinterlässt da seine Spuren und ähnliches mehr, man lässt sich Cookies setzen. Da gibt es eine Vielzahl, wo man mit elektronischen Hilfsmitteln heutzutage Spuren hinterlässt, und viele Menschen machen sich da, glaube ich, nicht hinreichend Gedanken darüber. Zur Frage, wie das bisherige Treiben der Geheimdienste zu bewerten ist, hat sie recht deutliche Worte gefunden: Kolkmann: Bedient sich der Staat denn im Prinzip in dieser Hinsicht auch illegaler oder krimineller Techniken? Ohne Rechtsgrundlage scheints also "illegal oder kriminell" gewesen zu sein. Man darf gespannt sein, was mit den Tätern und ihren Hintermännern passiert. Und sonst? Die Ex-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger findet unsere derzeitige Politik nicht gut Die deutsche Politik scheint die Verfassung nur noch als Gefängnis zu begreifen, das einer beanspruchten unumschränkten Allmacht des Staates entgegensteht und aus dem es nun auszubrechen gilt. und der Innenminister lässt sich für die Regierung eigene PDAs konstruieren, die gegen Überwachungsmassnahmen imun sind. "Die neuen Handhelds sind nur für Regierungsmitglieder bestimmt und sollen nicht auf dem freien Markt erhältlich sein." Wednesday, 2. May 2007Niemand hatte die Absicht
Heute steht in der taz, dass unser Verfassungsschutz ganz gegen den Willen unseres ehemaligen Innenministers die Festplatten der Bürger ausspioniert. Bisher dachte ich ja, dass die ganzen verbalen Nebelkerzen, die unsere Innenpolitiker in diesem Zusammenhang zünden, nur der Verwirrung des Volkes dienen. Mir war nämlich schon immer klar, dass Schily, Schäuble, Wiefelspütz, Beckstein und Co zwar immer von "Internet, Chat, Kinderporno, Terroristenforen..." reden, dass sich aber die heimliche Online-Durchsuchung nicht nur auf Kommunikation beschränkt.
Dabei wurden die Entscheidungsträger selbst reingelegt! Und das kam so: Der Verfassungsschutz wünscht sich eine Dienstanweisung für die Online-Durchsuchung. Diesen Wunsch und eine vorformulierte Anweisung teilt er dem zuständigen Staatssekretär Lutz Diwell mit. Der versteht nicht so recht, worum es geht, versteht aber irgendwas von "geschlossene Nutzergruppen und Chatrooms, offensive Beobachtung des Internets..." und holt sich die Erlaubnis seines Ministers Otto Schily, das Ding zu unterschreiben. Der versteht auch nichts, erlaubt, und der Staatssekretär unterschreibt. Die Spitzel sind zufrieden und fangen an zu hacken... Aus diesem Missverständnis also entstammt dieses inzwischen unverzichtbare und -- wie seitens aller Innenminister und Unionsexperten immer wieder betont wird -- völlig rechtskonforme Emittlungsinstrument. Die Anweisung ist natürlich nach wie vor geheim, darum können wir nicht beurteilen, wie sehr der Minister und sein Sekretär reingelegt wurden und wie viel juristisches Fachwissen, Sensibilität der Verfassung gegenüber und politische Erfahrung notwendig gewesen wären, den Trick zu durchschauen. Der Staatssekretär ist übrigens jetzt im Justizministerium als Staatssekretär um sich weiter in der Analyse juristischer Fachtexte zu versuchen. Ich glaub ja bald garnix mehr...
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