Tuesday, 10. July 2007heimliche Listen
Heute hat sich der Betreiber eines deutschen Tor-Servers verabschiedet, die ausführlichere Geschichte gibts bei Rabenhorst und in seinem Abschiedsbrief nachzulesen, also hier nur in Kürze:
Sein Exit-Node war letztes Jahr aufgefallen, weil er irgendwelchen strafbaren Inhalte geroutet hat. Allerdings wurde dann nicht weiter gegen ihn vorgegangen, weil die Polizei schon erkannt hat, dass er nicht der Konsument oder Anbieter, sondern lediglich der Transporteur dieser Inhalte ist. Allerdings hat er einen Hinweis bekommen, er sei auf einer "bekannten Liste" der Strafverfolger gelandet und sei Ziel einer Kommunikationsüberwachung. Der Mann gefährdet also offensichtlich die Sicherheit der Republik, allein die Auskunft, ob gegen ihn ermittelt wird gefährdet unsere Ordnung. Sowas ist nicht mehr lustig. Als Betreiber eines exit-Nodes geht man natürlich immer das Risiko ein, einem Dorfpolizisten, dem LKA oder dem Verfassungsschutz erklären zu müssen, dass man den Verkehr lediglich routet, aber weder Einfluss auf Inhalt nehmen kann noch Aussagen über die anonymen User machen kann. Vielleicht macht es sogar Spass oder es ist zumindest interessant, mit den Leuten über Anonymität als schützenswertes Gut in der Demokratie zu diskutieren. Aber deshalb will man natürlich nicht zusammen mit echten Terroristen, "Gefährdern" und sonstigen (potentiell) gefährlichen Leuten in eine Liste geworfen werden. Da verstehe ich, dass einer das Handtuch wirft, ich hätts schon beim Dorfpolizisten geworfen. Das wirklich ekelhafte daran ist die Heimlichkeit. Es ist ja nicht so, dass derartige Listen irgendwo geführt und nicht weitergegeben werden. So ziemlich alle wissen bescheid, nur der Betroffene nicht. Innerhalb des Netzwerkes der Organe der Inneren Sicherheit werden die Daten ja schon fleissig, gern auch mal rechtswidrig, verteilt und vermutlich dürfen auch befreundete Dienste an den Staatsgeheimnissen teilhaben. Das könnte dann schon zu ganz unverhältnismässig groben Aktionen der Behörden führen. Wenn das so weiter geht, wird es bald keine Anonymisierungsdienste in Deutschland geben, weil auf die Betreiber genug Druck ausgeübt werden kann. Nicht unbedingt mit Hilfe rechtstaatlicher Verfahren, so mit Anklage, Prozess und Urteil, sondern mehr nach Art des Sheriffs, der "ich hab Dich im Blick"-raunend durch sein Dorf marschiert. Das reicht auch völlig aus, um einen Privatmann einzuschüchtern, dessen Geld und Zeit zwar für einen Rootserver und dessen Pflege reicht, aber nicht für den Kampf gegen die Behörden. Dabei wird Anonymität im Internet ja schon gerne gesehen, zumindest für ferne unterdrückte Völker. Auch die Datenschutzbeauftragten finden Anonymisierungsdienste gut, selbst der Gesetzgeber schreibt das eigentlich für Diensteanbieter vor. Nur wirklich anonym soll sie halt nicht sein, für den normalen Bürger muss der "Kampf dem Spionagecookie"-Tipp aus der Computerbild reichen. Wednesday, 4. July 2007Drehbuchmässig
Man sollte ihnen was anderes zu lesen geben. Die ackern sich doch wirklich durch "1984" als sei es ein heimliches Zusatzprotokoll zur Koalitionsvereinbarung.
Und als Moderator führt in Neusprech Herr Schäuble durchs Programm. Immer mit einem griffigen Zitat in den Medien Die Unterscheidung zwischen Völkerrecht im Frieden und Völkerrecht im Krieg passt nicht mehr auf die neuen Bedrohungen das das Volk an das grosse Vorbild erinnern soll: Von Winstons Standort aus konnte man eben noch die von der weißen Front in eleganter Schrift farblich abgesetzten drei Parolen der Partei Lesen: Das Hauptthema von 1984, die Überwachung ist eh jedem klar, die wird nur zu jedem passenden und unpassenden Fall nochmal präsentiert, damit wir uns daran erinnern. Das andere Thema, die Manipulation der Geschichte geht entweder so langsam voran, dass ich sie nicht bewusst wahrnehme, oder ich bin schon darauf reingefallen. Zumindest gabs noch reichlich Medien, die sich erinnern konnten, dass der Mann, der seine eigene Durchsuchung mit "warum denn, ich bin doch anständig" abgelehnt hat und "Unfreundlich wird, wenn ihm Verfassungsbruch vorgeworfen wird" auch nicht so ganz sauber ist. Ein paar wussten noch, dass er früher Mal Kofferträger für Waffenhändler war und schon auch mal im Eifer der Zwischenrufe den Bundestag belügt. Nicht direkt ein Verfassungsbruch -- Parlamentarier, zumal aus der Opposition dürfen im Parlament fast alles sagen und beim Schmieren hat man ihn ja nicht erwischt -- aber auch nicht wirklich "anständig". Die Bundeslöschtage und die selektiven Unfälle mit Bandrobotern bei Geheimdiensten kommen schon gut ans Drehbuch ran: Die Times vom 19.Dezember hatte die offiziellen Prognosen für die Produktion verschiedener Konsumgüter im vierten Quartal 1983 publiziert, das gleichzeig auch das sechste Quartal des IX. Dreijahresplans war. Die heutige Ausgabe brachte eine Aufstellung der tatsächlichen Produktion, aus der hervorging, daß die Prognosen für alle Sparten kraß danebenlagen. Winstons Job bestand darin, die ursprünglichen Zahlen so richtigzustellen, daß sie mit den späteren übereinstimmen. ok, wenn ichs mir recht überlege, das ist nicht die Beschreibung der Arbeit des Innenministers, das erinnert eher an die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsweisen... Ich fürchte nur, es hilft nichts, vor dem paranoiden Innenminister in Verfolgungswahn zu fallen. Ich glaube, der Masterplan sieht vor, dass der jetzt richtig die Sau rauslässt und täglich neue irre Ideen von sich gibt. Beckstein, Zypries und die Polizei spielen die guten Cops und befreien uns bald von der Plage, wir freuen uns und geben uns mit einem schönen Kompromiss zufrieden, der zwischen Beckstein und Zypries geschlossen wird. Und wir werden glücklich sein. Jetzt war es gut, jetzt war alles in Ordnung, der Kampf war zu Ende. Er hatte sich selbst überwunden, er liebte den Großen Bruder. Saturday, 2. June 2007Die Verfassung wird der Lebenswirklichkeit angepasst
Innenminister Schäuble will für die Online-Durchsuchung das Grundgesetz ändern und sagt zur Berliner Zeitung
Die Verfassung würde der Lebenswirklichkeit angepasst, wie schon so oft. Lösen Sie sich von der Vorstellung, eine Verfassungsänderung sei etwas Verwerfliches. Das Gegenteil ist der Fall. Das ist notwendig. Sonst wäre die Verfassung starr. Früher gab es keine Telefone, also auch keine Telefonüberwachung. Heute nutzen Verbrecher Computer, also müssen wir sie überwachen, da mit ihrer Hilfe schwerste Straftaten verübt werden. Da hat er natürlich Recht, die Verfassung muss ab und zu angepasst werden. Freunde hätte sicher z.B. eine Abschaffung der Wehrpflicht, die man ja auch nachträglich in die Verfassung eingebaut hat. Auch in Bayern, wo man ja zur Verfassungsänderung nicht nur die nächstgrössere Fraktion, sondern sogar das Volk überzeugen muss, gibt es Beispiele für notwenige Verfassungsänderungen, etwa die Tilgung der Todesstrafe aus dem Text, die Abschaffung der Ständevertretung oder die Einführung der Bürgebegehren. Er irrt allerdings, wenn er glaubt, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes seine geliebten Überwachungsmassnahmen nur deshalb nicht in die Verfassung geschrieben haben, weil sie die technischen Möglichkeiten nicht kannten. Die Möglichkeiten hätten sie schon gehabt, sie hatten nur Skrupel, dem Staat alle diese Möglichkeiten zu geben. Vermutlich hatten sie einfach ein anderes Menschenbild als unser Innenminister. Und natürlich ein anderes Bild vom Staat. Was aus einem Staat wird, wenn das Volk plötzlich die falschen Leute wählt, haben sie ja zuvor vorgeführt bekommen, da wollten sie halt dafür sorgen, dass dessen Macht nicht zu gross werden kann. Nicht einmal gegen die Feinde des Gemeinwesen, auch das hatten sie nämlich gelernt, dass Diktaturen ganz schnell die Definition von "Verfassungsfeind" ändern können und dann die gleichen Gesetze, die z.B. gegen Nazis, Terroristen und Hooligans geschaffen werden plötzlich gegen jede beliebige Gruppe anwenden können. Schäubles Träume von Überwachung hätten auch früher schon Wirklichkeit werden können.
All diese Möglichkeiten hatte man also schon und trotzdem wollte man dem Staat nicht erlauben, davon Gebrauch zu machen. Es wäre seinerzeit auch schwer zu vermitteln gewesen, dass man ein derartig negatives Bild von den Bürgern hatte. Ausserdem musste man sich ja auch vom Staat der Brüder und Schwestern drüben im Osten irgendwie abheben und die Alliierten hatten auch die Schnauze voll vom starken Staat in Deutschland. Diese Gründe fallen heute natürlich weg. Die Vermittelbarkeit ist auch leichter. Schliesslich hätte jeder es als merkwürdig angesehen, wenn ein beamteter Postler irgendwo in einem Kämmerchen sitzt und Absender/Empfängerpaare in eine lange Liste einträgt. Die Vorstellung, dass jeder Internetprovider das von einer Maschine erledigen lässt, scheint weniger bizarr zu sein. Monday, 28. May 2007Freies Tibet, Freie Pornos und Freie Rede
Spiegel Online widmet sich dem Problem der Zensur im Internet. Das finde ich gut.
Besonders schön finde ich, dass dieses Mal nicht der Wunsch hiesiger Regierungen aufgegriffen wird, Seiten zu sperren, die hiesigen Gesetzen widersprechen. Es ist nämlich schon schwierig, Argumente zu finden, warum Kinderpornos nicht zensiert werden sollten. Bei Seiten mit Hakenkreuzen kann man bestenfalls auf die regional sehr unterschiedliche Befindlichkeit bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung hinweisen. Und bei Bombenbauanleitung lediglich auf die Nutzlosigkeit der Zensur angesichts des weit verbreiteten Wissens um die Herstellung von Sprengstoff. Nein, dieses Mal gehts um die bei uns wirklich allgemein als verwerflich angesehene Zensur der Chinesen, Iraner und anderer Diktaturen, die ihre Leute nicht auf regierungskritische Medien zugreifen lassen. Schade ist allerdings, dass sie beim Spiegel nicht schreiben, dass das alles zusammenhängt. Dass sämtliche Bemühungen, den Chinesen beim Anonymisieren zu helfen darauf angewiesen sind, dass man sich auch hier anonym im Netz bewegen darf. Sobald man die Möglichkeit hat, im Anonymisierungssystem "Free Tibet" von "Free Porn" zu unterscheiden und das ganze auch noch regional dem Konsumenten zuordnen soll, haut das ganze halt nicht mehr hin. Ausserdem kranken Zensurversuche in internationalen Netzen immer daran, "moralisch Verwerfliches" übereinstimmend zu definieren. So sind also die Chinesen darauf angewiesen, dass im freieren Westen genügend Anonymisierungsdienste angeboten werden. Irgendjemand muss ja den ganzen regierungskritischen Verkehr routen. Bei der derzeitigen Situation in Europa ist dieses Angebot allerdings stark gefährdet. Zum einen wird jetzt schon jeder Anbieter von Anonymisierung vom deutschen Staat kritisch beäugt und sobald irgendwas Verbotenes aus seinem Rechner kommt auch gerne Mal heimgesucht. Zum anderen wird der Betrieb von Anonymisierern durch die bevorstehende Vorratsdatenspeicherung ziemlich erschwert, vermutlich sogar unmöglich gemacht. Man braucht schon viel Speicherplatz, um jede Zuordnung von Quell-IP und Ziel-IP ein halbes Jahr aufzuheben. Die Glaubwürdigkeit eines Anonymisierungsnetzes wird sicher auch darunter leiden, wenn der User damit dem deutschen Staat vertrauen muss, dass er niemals Daten an die Chinesen übermittelt und ihn damit ans Messer liefert. Nichtmal wenn die uns dafür eine Magnetschwebebahn abkaufen oder einen Terroristen dafür ausliefern oder so... Und so macht unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle des Internets, das natürlich auch in gewissem Umfang berechtigt ist, die Möglichkeit der Chinesen auf freie Meinungsbildung kaputt. Diesen Umstand kann man sehen wie man will, egal wie man entscheidet, man opfert immer irgendein berechtigtes Anliegen. Aber den Zusammenhang sollte man einfach häufiger und deutlicher erwähnen und vor allem bei der Abwägung von Nutzen und Schaden der Sicherheitsmassnahmen mit einkalkulieren. In der Darstellung des Tor-Netzwerkes irrt der Spiegel übrigens. Die träge Geschwindigkeit ist nicht die systembedingte Folge der "indirekten Versendung der Datenpakete" sondern liegt einfach daran, dass zu viele Nutzer zu wenigen Serverbetreibern gegenüberstehen. Ob die sich dort alle wegen der Freiheit für Tibet tummeln oder eher auf der Suche nach Freien Downloads sind, sei mal dahingestellt... Der Satz "Der Eingangsknoten verwaltet alle verwendeten Server, er ist sozusagen das Telefonbuch von Tor" muss ein Verständnisfehler sein, der Eingangsknoten ist nicht das "Telefonbuch", was allerdings nichts an der Tatsache ändert, dass Tor relativ leicht zu blocken ist. Ein Staat, der tausende von Webseiten sperrt, hat auch mit tausend Tor-Nodes sicher kein Problem. Eigentlich komisch, dass er davon keinen Gebrauch macht. Saturday, 19. May 2007Verdächtig
Die taz schreibt über die eher eigenartige Vorgehensweise der Polizei bei den terrorverdächtigen G8-Gegnern
Hanebüchen auch die Argumentationskette bei einem vierten Durchsuchungsbefehl. Darin wird dem Beschuldigten vorgeworfen, an einem vor wenigen Monaten verübten Brandanschlag auf das Berliner Unternehmen Dussmann beteiligt gewesen zu sein. Das Indiz für diese Annahme: Der Beschuldigte hätte im Internet mal nach "Dussmann" recherchiert. Dussmann unterhält unter dem gleichen Namen eines der größten Bücherkaufhäuser der Stadt. Bei mir dürften sie da aber auch fündig werden, bei einem kurzer Blick in meine Google-History tun sich Abgründe auf: (Ich weiss nicht, wie dieses "dutzend" da reinkam und "eat the rich" ist eine Kneipe in München und ein Lied von Aerosmith und ein Film auch, ehrlich!) Den Link hab ich bei Florian Holzhauer gefunden, der dagegen ein Tool namens TrackMeNot empfiehlt. Das sucht im Hintergrund nebenbei immer nach harmlosen Dingen und verschleiert so die wahren Suchbegriffe. Aber was ist schon harmlos, heutzutage...
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