Thursday, 13. January 2011Bajonettscheue DemokratenWer gerne in alten Zeitungen schmökert, findet bei der Bayerischen Landesbibliothek eine schöne Sammlung von 1848 bis 1850. Ich fands faszinierend, dort das Neue Münchner Tagblatt zu lesen, eine ziemlich konservative, monarchistische und antinationale Zeitung. Das liest sich nicht nur wie Berichte aus einer anderen Zeit, sondern wie aus einem völlig anderen Kulturkreis. Zum Beispiel das Argument gegen die Abschaffung der Todesstrafe:
Lustig machte man sich über die Forderung der Demokraten (das ist übrigens ein Schimpfwort) sich gerne ohne militärischen Schutz in Bamberg versammeln zu können:
Mir war auch vorher garnicht klar, wie sehr der Badische Aufstand, der dort praktisch Tagesthema war, ein richtiger Krieg war. Ich kannte nur den Begriff "revolutionäre Unruhen", aber das was da in der Zeitung steht ist echte Kriegsberichterstattung mit Truppenbewegungen, waffentechnischen Berichten und Gefallenenzählung. Ab Mitte August natürlich nur noch Berichte über Hinrichtungen der Aufständischen. Aber natürlich gabs auch die ganz normalen Berichte wie in heutigen Zeitungen. Der Verkehr war auch damals schon ganz schlimm, inzwischen ist die Stelle vorm Donisl allerdings eine Fussgängerzone.
Und Bierzelte waren auch damals schon regelmässig Orte der Gewalt:
Thursday, 11. November 2010KinderliederIch frag mich ja, wer eigentlich die ganzen Bücher mit Kinderliedern kaufen soll, wenn die Kinder das alles umsonst kopiert bekommen. Alle paar Wochen geistern die Kindergärten durch die Medien, weil sie über die GEMA die Gebühren für Liedtextkopien an die Musikeditions-Verwerter abdrücken sollen. Auch Martinszüge sollen schon gefährdet sein. Eigentlich ist es nie zu früh, den Kindern beizubringen dass die Menschen mit den schönen Liedern ihr Geld wollen. Später müssen sie das sowieso irgendwann verstehen oder ihre Eltern dazu überreden, eine Petition gegen das Urheberrecht zu machen. Es ist auch nichts dabei, Kindern und Eltern Kohle aus der Tasche zu ziehen. Ganze Industriezweige leben von der Ernährung, Bekleidung und der Freizeit der Kleinen ohne dass das irgendwie anrüchig wäre. Warum nicht auch die Musikbranche? Ausserdem finde ich es gut, wenn die harte Realität des Urheberrechts auch mal ausserhalb des Internets zuschlägt, viele Leute glauben ja, Raubkopiererei sei ein Problem junger Menschen im Netz und wer erwischt wird, dem geschieht es recht. Wer nicht zahlen, aber trotzdem rechtschaffener Bürger sein will, muss sich halt Werke suchen, deren Verfasser schon länger nicht mehr lebt. Für Traditionsveranstaltungen sollte das ja kein Problem darstellen und zumindest die Texte sind leicht zu finden. Achim von Arnim zum Beispiel ist seit fast 180 Jahren tot und hat uns jede Menge Liedtexte hinterlassen. Einige seiner Kinderlieder sind vielleicht ein bisschen unzeitgemäss und in einigen spiegelt sich das harte Los der Kinder im 18. Jahrhundert wieder, aber es gibt auch zeitlos schönes zur Weihnachtszeit. Für Martinszüge eignet sich Hoffmann von Fallersleben (urheberrechtlich unbedenklich, 136 Jahre tot). Der hat das passende Liedgut für die Kinder mit
Dabei bitte unbedingt die Version von zeno.org kopieren, keinesfalls die vom Projekt Gutenberg ohne vorher die Rechtslage zu klären. Die Gutenbergs wollen eine Beteiligung
für die Abtipperei und Hostingkosten falls die Texte kommerziell
weiterverwendet werden und wer weiss, ob sie einen Kindergarten mit
Kindergartengebühr für was kommerzielles halten. Friday, 29. October 2010OhrzeugungIch war ein paar Tage in Würzburg. Als touristisches Rahmenprogramm zur Arbeit gabs eine Nachtwächterführung, die ich eigentlich ganz lustig fand. Eher anekdotisch als faktenreich, aber von den Führungen der Art "und wenn Sie sich links aus dem Fenster lehnen sehen sie die 1456 von Herzog Johann dem Unbekannten gestiftete spätgotische Kirche des heiligen Sowieso mit dem beeindruckenden Triptychon des Meister Irgendwer" bleibt ja bei mir eh nichts hängen.
Zu jeder ordentlichen alten Religion gehört ja, dass die Gottheiten möglichst schon ein bisschen bizarr auf die Welt kommen. Die einen wachsen nach Verzehr der schwangeren Mutter im Kopf oder nach deren Verbrennung im Schenkel ihres Vaters heran, andere werden von der Mutter getöpfert und die eher gemässigt spektakulären Götter von Jungfrauen geboren. Sowas macht die Story schon am Anfang einfach interessanter. Blöd ist nur, dass sich danach jahrhundertelang die geistige Elite einer Kultur damit beschäftigt, wie sowas rein anatomisch abläuft. Die könnten natürlich auch einfach an das Wunder glauben und basta. Geht aber schlecht, weil dauernd die einfachen Gläubigen und die Kinder fragen, wie das funktioniert. Oder man tuts als phantasievolle Story ab, aber das geht auch nicht: Wer nichtmal das zentrale Credo ohne Widerspruch aufsagen kann, fliegt aus dem meissten Religionen schnell raus und kann sich eigentlich nur noch damit retten, dass er auch an die Verdamnis nicht mehr glaubt. Und so werden dann fast noch bizarrere Geschichten ausgedacht, wie zum Beispiel eine Zeugung durch das Ohr. Hat natürlich schon auch ihren Sinn, wenn man innerhalb des theologischen Denkens bleibt: Gott wirkt durch das Wort Gottes und zur Aufnahme desselben eignet sich das Ohr besonders gut. Und damit sich der einfache Gläubige das vorstellen kann, schmückt man die Kirchenportale mit recht eingängigen Darstellungen diese Vorgangs: Der schon recht weit entwickelte Fötus rutscht auf einer schlauchartigen Sprechblase, die im unteren Teil als Heiliger Geist in Taubenform endet, direkt ins Ohr der Muttergottes. So bleibt die Jungfrau unbefleckt und niemand kommt auf dumme oder womöglich sündig erotische Gedanken bei dieser Art der Zeugung. Warum vor ihr noch ein Erzengel kniet, der nichtmal das Ave Maria ohne Spickschriftrolle aufsagen kann, weiss ich nicht. Vermutlich sollte irgendwo in diesem gotischen Comic noch der Begriff "Verkündung" verdeutlicht und ein bisschen Ähnlichkeit zum Evangelium untergebracht werden. (Bilder vom Tympanon des Nordportals der Marienkapelle in Würzburg, sorry für den Maschendraht davor, aber die dortigen Tauben sind wohl keine Heiligen Geister mehr)
Thursday, 23. September 2010Stadt der AraberIch glaub ja nicht, dass sich Söders Vorschlag eines Burkaverbots durchsetzen wird. Jedenfalls nicht in der "Stadt der Araber" (Münchner Tourismuschefin Gabriele Weishäupl), wo Unikliniken mit arabischen Webseiten damit werben, bei der Visabeschaffung behilflich zu sein und Dienstleistungen anzubieten, die nicht mit Religion, Tradition oder Brauchtum im Widerspruch stehen (soweit die etwas orakelhafte Google-Übersetzung stimmt...). Finde ich auch nicht tragisch, diese Kopfverhüllung. Als ich klein war, haben alle älteren Frauen in der Öffentlichkeit ihr Haar verhüllt und hielten das für gut katholisch. Obwohl die einschlägige Bibelstelle zwar überaus nett zu Männern und eher frauenfeindlich, aber im Hinblick aufs Kopftuch eher schwer auszulegen ist und sich eigentlich nur auf die korrekte Bekleidung beim Beten und Weissagen bezieht:
Monday, 20. September 2010Bilder vom Oktoberfest
Es war wirklich schön, wir haben sogar die "Historische Wiesn" gefunden, die anlässlich des 200. Jubiläums aufgebaut war. Die haben sie ein bisschen abseits platziert (wer sie sucht: die Wirtsbudenstrassse nach Süden, an der Bavaria vorbei, dann durch die Wohnwägen der Schausteller und wenn man glaubt, da käme nichts mehr ausser Parkplatz und ein Platz zum Pinkeln, dann ist man da. Rechts ist der Eingang, vorher links eine Eintrittskarte lösen). Die Pferdeschau wird vor allem Pferdefreunde freuen, aber auch die Karusselle und sonstigen alten Fahrgeschäfte sind nett. Das Herzkasperlzelt war auch besuchenswert, vielleicht die ideale Gelegenheit, den verlorenen Flair der Wiesn zu erfahren. Das lag hauptsächlich an der Musik, die auch dem nicht-Volksmusikfan gezeigt hat, dass Bierzelt nicht unbedingt ein blechernes Medley aus Fürstenfeld und Defiliermarsch bedeutet, sondern auch richtig gut klingen kann. Und natürlich an den mässig vielen Besuchern, die nicht von Ordnern auf die Sitzplätze gescheucht werden mussten, sondern sogar ein bisschen vor der Bühne tanzen konnten. Die Keferloher waren auch stimmig. Ich trau es mich ja fast nicht schreiben: Das letzte Mal hab ich das 2001 erlebt. Damals war die Welt betroffen und in Terrorangst, die Touristen haben abgesagt und die Zelte waren halb leer. Die Musik war auch in den grossen Zelten weniger aggressiv und die Leute haben Walzer auf den Gängen getanzt, statt auf den Tischen "Höllehöllehölle" zu gröhlen...
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