Saturday, 7. August 2010Alte VerträgeDie Aufregung über die staatliche Subvention für unsere Kirchen find ich irgendwie merkwürdig. Mich störts natürlich auch, dass ausgerechnet ich als Nichtmitglied diese Leute bezahlen soll. Aber mich stört weniger, dass ich die bezahle, als dass die immer noch so viel mitreden dürfen. Ich kann mir keine andere Gruppierung vorstellen, die so viel Dreck am stecken hat und trotzdem Ethikkomissionen bevölkern darf, um ihre nicht selbst praktizierten Moralvorstellungen für die Allgemeinheit umzusetzen. Vor allem wundert mich, dass ernsthafte konservative kapitalistische Politiker auf die Idee kommen, man müsste sich an einen Vertrag nicht halten, blos weil er über 200 Jahre alt ist. Bei den Linken würde ichs ja verstehen, die mögen keinen zusammengeerbten Grossbesitz und würden die Umverteilung aller Besitzungen, die sich auf uralte Titel stützen, sicher begrüssen. Aber wie die FDP auf diese Schiene kommt, einen alten Beschluss aus den 70ern auszugraben, der eigentlich seit Jahrhunderten nicht umgesetzt wurde... Das Problem könnte nämlich schon lange vom Tisch sein, wenn unser Staat seine Verträge ernst nehmen würde. 1803 wurden die die kirchlichen Territorien den deutschen Staaten einverleibt und die Klöster und deren Besitzungen eingezogen. Im Reichsdeputationshauptschluss steht dazu:
das mit der Erleichterung ihrer Finanzen hörten die weltlichen Fürsten gern und die kleine Kröte konnte man schon schlucken:
Mit den unverzüglich zu treffenden näheren Bestimmungen hat man in Bayern dann noch ein bisschen gewartet. Aber bereits 1817 wurde ausgemacht, eine einmalige Abschlagzahlung in Fonds zu zahlen, aus denen die Bischöfe dann ihre Pensionen beziehen:
Den praktisch gleichen Text aus dem Vertrag des Königs schrieben die demokratischen Nachfolger 1925 in das neue Konkordat:
Dieses Konkordat von 1925 ist übrigens bis heute gültig. Ein paar Änderungen daran gabs, aber nicht in diesem Punkt. Der Freistaat könnte jederzeit einfach seinen Teil des Vertrags erfüllen und so einen Fond gründen. Das wären einmalig ein paar Milliarden, schliesslich müssten die Kleriker sich aus den Zinsen ernähren, aber schlimmer als ein Landesbankschaden wäre das auch nicht. Alternativ könnten wir natürlich den Reichsdeputationshauptschluss rückabwickeln. Dann könnte sich der Erzbischof von den Steuern der Allianz und von Pro7 ernähren, die Franziskaner bekämen die Pachteinnahmen des Nationaltheaters, die Augustiner würden das Jagdmuseum vermieten und die Paulaner bekämen ihre Brauerei zurück. Wohnen könnten die Paulaner in ihrem alten Kloster am Mariahilfplatz, nachdem sie das Münchner Landratsamt rausgeworfen haben. Mit Olympia 2018 wirds aber dann nichts: Berchtesgaden und Garmisch wären Ausland.
Thursday, 29. July 2010Du sollst nicht meuchelnJetzt hab ich vor Schreck, was bei uns alles erlaubt sein soll, sogar die Haager Landkriegsordnung gelesen. Ich glaube, das Hauptproblem bei Texten aus uralten Zeiten ist, dass die Sprache nicht mehr verstanden wird. Auch wenn diese
verbietet, darf man anscheinend die feindlichen Heeresangehörigen schon töten, meint unser zuständiges Ministerium:
Und vermutlich steht das tatsächlich irgendwo in den Vorschriften der NATO. Das Problem scheint zu sein, dass das Wort "meuchlerisch" oder "Meuchelrotten" nur noch die ganz alten Leute kennen. Die jungen allerdings auch wieder, weil anscheinend jeder Schurkencharakter in WoW ordentlich von hinten meucheln können muss (in den Verstohlenheitsmodus gehen, von hinten anschleichen und dann auf "meucheln" klicken, hab ich mir ergoogelt...). Nur die mittelalten Vorschriftenverfasser der Armeen verstehen irgendwas anderes darunter als das Töten aus dem Hinterhalt. Friday, 23. July 2010Ein Bild sagt mehr...Vielleicht würde es reflexhaften und monokausal veranlagten Menschen helfen, wenn man ihnen ein Bildchen malt. Das könnte zumindest zwei sehr populäre Ansichten widerlegen: (a) es war früher besser und (b) das Internet ist schuld. Quellen: Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (dort der Schlüssel 131000) und die Onlinestudie 2009 von ARD und ZDF Wednesday, 21. July 2010Immer schnelleres ReagierenUnsere Kanzlerin ist unglücklich mit dem Internet, weil das macht es den Politikern schwer, den Puls des Volkes zu fühlen und dem Volk ihre Politik zu vermitteln:
Da hat sie recht, die Zeiten, wo zum Regieren Bild, BamS und Glotze gereicht haben, sind vermutlich vorbei, zumindest wenn man um Prozentchen kämpfen muss. Und es ist schwer, eine Gesamtmeinung zu erkennen, wenn man die Stimmung "im Internet" nur aus den Zeitungen kennt, die diese Stimmung anhand von Mitgliederzahlen von Facebook-Gruppen messen. Was ich aber nicht verstehe, warum die Kanzlerin durch das Internet im Gegensatz zu Zeitung und den Nachrichtensendungen gehetzt fühlt:
Für mich ist die gute alte Tagesschau der Inbegriff der Politikerhetze: Wenn das Verfassungsgericht verkündet, dass die Hartz IV-Sätze für Kinder neu berechnet und begründet werden müssen, wird um 20 Uhr in der Tagesschau das Statement jeder Fraktion abgefragt. Ernsthaft nachgedacht hat natürlich in den paar Stunden keiner, aber für ein "wir habens schon immer gesagt" muss es reichen. Eine Woche später, nach dem Nachdenken interessiert sich nämlich keiner mehr für das Ergebnis der Denkerei. Und so gibt halt jeder sein "schon immer gesagt" oder "sind auf dem richtigen Weg" ab. Nur die FDP wirkt fertig mit denken, die hat innerhalb weniger Stunden schon den kompletten Bundeshaushalt durchgerechnet und ist der Meinung die Steuerreform sei dadurch nicht gefährdet. Die Sätze werden auch immer kürzer und gehetzter. Heute gabs zum Beispiel eine Pressekonferenz der Kanzlerin. Die weiss natürlich, das sie maximal fünf knapp formulierte Sätze sagen muss, weil mehr als 36 Sekunden O-Ton Merkel sind nicht drin. Und für die Opposition darf Herr Ernst von den Linken reden. Der ist Profi und weiss, dass er nur eine Chance hat, wenn er alles in 12 Sekunden bringt. Also steckt er einen Aufruf ans Volk, Kritik an der Regierung, Kritik an der Opposition und ein Angebot zur gemeinsamen Oppositionsarbeit in zwei Sätze:
In der Tagesschau um 20 Uhr wurde gegenüber 17 Uhr nochmal gekürzt. Merkel hat jetzt nur noch zwei pointierte Sätze zu je 13 Sekunden, die Grünen dürfen 11 Sekunden was sagen und die SPD 9. Klaus Ernst mit seiner langweiligen stundenlangen Erzählerei ist rausgefallen. Da sind die Quellen im Internet wesentlich langatmiger, differenzierter und wirken überhaupt nicht gehetzt. Monday, 19. July 2010Glückspiel im Internet (von 6-23 Uhr)Seit Anfang 2009 werden wir vom Glückspielstaatsvertrag davor bewahrt, unser ganzes Taschengeld per Internet zu verzocken. Das war sicher gut gemeint, hat bestimmt schonmal einen Zocker vor dem Ruin gerettet, manchen privaten Internetwettanbieter in den Ruin getrieben und viele Kioske finanziell saniert. Hessische Spieler dürfen jetzt aber wieder per Internet zocken. Das heisst, nicht so richtig per Internet, sondern per E-Post. Das fühlt sich an wie E-Mail, kostet aber Porto. Und die Leute müssen sich per Postident dafür anmelden. Aber sonst ists wie Internet, nur dass es halt von der guten alten Post betrieben wird, deshalb gilt das eher als elektrisches Papier oder so... Merkwürdig finde ich, dass das gerade in Hessen eingeführt wird, dessen Innenminister schonmal auf die Idee kam, die Kinderporno-Websperren auch gegen ausländische Spielcasinos einzusetzen... Ruinieren soll sich damit übrigens keiner können. Weil die Schutzmassnahmen der Staatslotterie sind enorm hoch: Aus Gründen des Spielerschutzes beschränkt die Lotteriegesellschaft den maximalen Spieleinsatz pro Person und Woche auf 250 Euro. Zwischen 23 und 6 Uhr werden keine Spielaufträge angenommen. Darüber hinaus existiert eine strikte Trennung zwischen dem Bezahlkonto und dem Gewinnauszahlungskonto des E-Postbrief-Nutzers, anfallende Gewinne sollen nicht zu unmittelbar erneuten Spieleinsätzen animieren. „Mit dem neuen Serviceangebot können unsere Kunden von den Vorteilen der elektronischen Kommunikation wie Schnelligkeit und Bequemlichkeit profitieren, gleichzeitig erfüllt es unsere hohen Standards bei der Sicherheit und Spielsuchtprävention.“, so [der Geschäftsführer LOTTO Hessen] Dr. Sundermann weiter. Derart hohe Standards hätten private Buchmacher sicher niemals hinbekommen. Womöglich hätten die ihre Internetspielhölle aus rücksichtsloser Gier sogar um Mitternacht geöffnet!
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