Sunday, 30. August 2009Heisse Nächte in MitterwindachIch freue mich ja immer, wenn ich irgendwo im Internet ortsbezogene Werbung finde. Weil sowas hab ich ja zum Spass auch mal gemacht und sehe jedes Mal mit Staunen, dass auch professionelle Dienstleister nur mit Wasser kochen und dass unser Wasser ausserdem ziemlich kalt ist. Heute wurde z.B. meine IP-Adresse in Olching geortet. Zumindest sieht das Ergebnis der Werbung so aus, die üblichen Dienste schwanken zwischen Olching und München. Die angebotenen Dienstleistungen kamen aus folgenden Ortschaften: Adelshofen, Allach, Althegnenberg, Arzla, Edenholzhausen, Etterschlag, Fürstenfeldbruck, Gauting, Gern, Hebertshausen, Hetzenhausen, Jarzt, Jesenwang, Kottgeisering, Landsberied, Mitterwindach, Moorenweis, Oberhaching, Oberpfaffenhofen, Olching, Pasing, Pfaffenhofen an der Glon, Rausch, Taufkirchen und Wessiszell. Das ist natürlich alles Unsinn, die angebotenen Produkte gibt es dort sicher überhaupt nicht und einmal wurde sogar die gleiche Abbildung mit unterschiedlichen Namen und technischen Daten beworben. Mitterwindach wird mein neuer Testfall für unsinnige Ortssuche. Den Ort gibt es nämlich als offizielle Bezeichnung gar nicht (mehr?). Die Koordinaten deuten auf ein unbebautes Stück Wiese. Weder der Ortsplan der Gemeinde Windach noch das Landesvermessungsamt oder das statistische Landesamt kennen den Ortsteil. Lediglich historische Landkarten aus dem 19. Jahrhundert zeigen dass die Gegend östlich der Strasse namens "Burgstall" mal so hiess. Trotzdem bringt eine Suchmaschinenabfrage danach unwahrscheinlich viele Treffer. Von "Unternehmen und Dienstleistungen" über "Maps Weather and Airports" und "Blogs Popular with Mitterwindach Readers" bis zu "75% Rabatt für Hotels in der Nähe von Mitterwindach". Der Grund dafür ist einfach, alle nehmen uralte Daten amerikanischer Behörden und basteln sich für jeden dort eingetragenen Ort eine Werbeseite mit "Hotels in der Nähe von ..." um bei der Suche nach dem Ort in der Suchmaschine zu erscheinen. Anbieter ortsbezogener Werbung blenden auch diese Orte ein, wenn sie die IP-Adresse eines Besuchers in der Nähe dieses Ortes vermuten. Deutsche Behörden hegen ja die die recht bizarre Vorstellung, dass ihre Daten Behördeneigentum sind und irgendwelchen Urheber- oder Datenbankrechten unterliegen und rücken die Geodaten bestenfalls zähneknirschend für Umsonst und zur freien Verbreitung raus, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Die Amerikaner dagegen sind der Auffassung, dass Daten, deren Erhebung mit Steuergeldern finanziert wurde auch zum Selbstkostenpreis weitergegeben werden müssen. Mit "Selbstkostenpreis" meinen die übrigens die Kosten des Rausrückens, also Kopierkosten und Porto, nicht die Arbeitszeit bei der Erhebung, Aufbereitung, Verwaltung und Archivierung der Daten. Häufig gibt es die Daten auch kostenlos im Internet, weil sie keine Lust haben, Kopierkosten einzutreiben und zu verwalten. Danach sind die Daten frei. Wer sie hat, darf sie beliebig verbreiten und verwenden, egal ob er das umsonst macht oder damit Geld verdient.
Deshalb verwendet jeder, der irgendwas mit Ortssuche macht, die Datenbank von der NGA, der "National Geospacial-Intelligence Agency". Die kümmern sich um die Karthographie für das Militär und die Geheimdienste und haben eine Datenbank, in der jeder Ort der Welt verzeichnet sein sollte. Diese Daten kann man dort runterladen und für eigene, auch kommerzielle, Anwendungen verwenden. Der Datenbestand der NGA ist zwar gross, halbwegs genau und recht vollständig, aber relativ ungepflegt und alt. Für Deutschland sind sie häufig auf dem Stand der späten Vierzigerjahre, als die Amerikaner systematisch Daten aus deutschen Karten zusammengetragen und in die Karteikästen gestopft haben. Schliesslich war das eine einmalige Gelegenheit, alles zu erfassen und man wollte den nächsten Kriegsschauplatz möglichst gut kartographiert haben. Natürlich sind auch neuere Ortsnamen dazugekommen, aber die alten von 1945 blieben weiterhin dort liegen, was im einen oder anderen Fall bei den Anwendern dieser Datenbank schon zu Verwirrung geführt hat, vor allem, weil dort auch nirgends vermerkt ist, wann für Ortschaften z.B. die Bezeichnung "Karl-Marx-Stadt" und "Stalinstadt" oder "Chemnitz" und "Eisenhüttenstadt" korrekt war und ein Stadtteil "Friedrichshain"oder "Horst Wessel" genannt wurde. Was ich nur nicht verstehe: Warum gleichen die Werbemacher die Daten nicht wenigstens mit irgendeiner Datenbank grösserer Städte ab sondern nehmen stur eine Umkreissuche "bewohnter Plätze" um die geortete IP-Adresse? Eine Grosstadtliste gibt es zwar nicht bei der NGA (da ist das Feld für Einwohnerzahl meisstens leer), sollte aber aufzutreiben sein. Schlimmstenfalls zahlt man dafür und lässt eine billige Arbeitskraft Orte mit mehr als 50 Seiten im Telefonbuch zusammentragen oder aus der Wikipedia die Liste der 2073 Städte in Deutschland abtippen. Würden die einem Olchinger Waren und Dienstleistungen aus München oder Augsburg anbieten, würde der vielleicht sogar glauben, dass die Angebote echt sind und sich auf der beworbenen Seite anmelden. Bild: Hintergrundkarte von Openstreetmap unter CC-BY-SA-Lizenz
Thursday, 27. August 2009Fördern von Google-AlternativenUnser Kulturstaatsminister prügelt zusammen mit seinen CDU-Kollegen und den Verlegern gemeinsam auf Google ein, weil die doch Bücher scannen und im Internet verhökern wollen:
Dabei hat unsere Regierung doch schon seit Jahren ein Projekt laufen, das gerade beim Digitalisieren von Bibliotheksbeständen grosse Erfolge feiern sollte. Das "Leuchtturmprojekt THESEUS", vom Wirtschaftsministerium seit 2008 mit 90 Millionen Euro (verteilt auf 5 Jahre) gefördert, soll zwar keine Google-Konkurrenz als Suchmaschine sein, sondern dient dazu, "eine neue internetbasierte Wissensinfrastruktur zu entwickeln, um das Wissen im Internet besser zu nutzen und zu verwerten.". Das "Anwendungsszenario CONTENTUS - Sicherung Kulturerbe" wäre aber genau die Buchscanmaschine, die unserem Staatsminister vorschwebt: Kultureinrichtungen wie Bibliotheken, Sendeanstalten, Archive und Museen stehen vor der bedeutenden Herausforderung im großen Maßstab digitale Kulturgüter einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Schade, dass wir in den letzten paar Jahren nichts vom Leuchtturmprojekt gehört haben. Eigentlich weiss ich garnicht, was das Konsortium der üblichen Verdächtigen (Siemens, SAP, Fraunhofer...) die letzten Jahre so getrieben hat. Zumindest sind seine Tätigkeit und seine Erfolge bei der Verbreitung digitaler Kulturgüter sowohl der breiten Masse als auch dem Kulturstaatsminister verborgen geblieben. Hervorgegangen ist Theseus übrigens aus dem Auf europäischer Ebene gäbs als digitale Bücherei auch die Europeana. Soweit ich das überblicke, scannt die aber nicht selbst, sondern versteht sich als Suchmaschine für andere Bibliotheken, die dass Scannen selber erledigen müssen. Entsprechend unterschiedlich fällt das Suchergebnis aus, wenn man dort einen gefundenen Thumbnail anklickt. An Ankündigungen und Bemühungen von politischer Seite auf allen Ebenen fehlt es also eigentlich nicht. Es ist nur so, dass Google halt macht, was andere seit einer Legislaturperiode planen...
Saturday, 22. August 2009Internet schadet nur manchmal der KarriereDie Studie des Verbraucherministeriums zu googelnden Personalern wird momentan gerne aufgegriffen und durchwegs warnend wiedergegeben. SZ und Merkur haben sogar das identische Titelbild mit einem fröhlichen jungen Mann mit Trichter im Mund bei dpa ausgegraben. Vermutlich wird das als typisches Partybild empfunden. Dabei kann man da auch schön sehen, dass ein bisschen Internetpräsenz durchaus positiv sein kann. Vor allem wenn man in der Branche "Informationstechnologie / Neue Technololgie" arbeiten will. Diese Arbeitgeber beurteilen das nämlich deutlich anders als ihre Kollegen in Industrie, Handel und Handwerk:
Sollte man sich irgendwo bewerben, wo der Chef den Browser immer offen hat, diesen sinnvoll nutzen kann und wo man Medienkompetenz im Internet vermutet, ist ein googlebares Profil also gar nicht schlecht. Bei den anderen Branchen muss man halt hoffen, dass diese Kompetenz noch nachwächst... Bisschen widersprüchlich ist die Umfrage übrigens auch:
Thursday, 20. August 2009Ich habe ein Problem... nämlich einen Nameserver. Ich verwende sowohl privat als auch beruflich seit Jahren eigene Server für DNS. Damit bin ich unzensierbar, zumindest was den ersten Umsetzungsversuch einer Netzsperre betrifft. Der Grund ist nicht die Angst vor dem Provider, sondern die Idee,
dass man kritische Infrastruktur, die man billig selbst betreiben kann,
nicht andere machen lässt. Nameserver brauche ich sowieso und wenn
man sie selbst nutzt, merkt man auch als erstes, wenn sie ausfallen. Ich hab da ja nie ein grosses Problem drin gesehn, bewusst wurde mir die Zensurresistenz auch erst als mein Provider youporn gesperrt hat und ich nichts davon gemerkt hab (hätte ich eh nicht, youporn kenne ich erst seit es gesperrt war...). Auch mit Einführung des Zugangserschwerungsgesetzes dachte ich, ich muss mich da nicht drum kümmern, immerhin werden dort in §2 nur Provider verpflichtet, die mehr als 10000 Kunden haben. Allerdings weiss ich jetzt, dass alle Endkunden und Kleinprovider ein echtes Risiko eingehen. Falls sie nämlich in die Fänge des BKA geraten, weiss das sofort, dass sie vorsätzlich gehandelt haben, sagt zumindest der Präsident davon (Mitschrift einer Veranstaltung der Jusos in Mainz, ich hab das MP3 ab 1:05:56 nach bestem Wissen abgetippt. Gesprochen klingt das übrigens weniger wirr, aber ich kann ja schlecht das gesprochene Wort ins Reine schreiben...)
Zierke: [...] Und wenn Sie hier der Meinung sind, dass man von vornherein sagt, das was strafbar ist interessiert eigentlich garkeinen. Genauso wie Sie bei Rot über die Strasse gehen - keine Polizei da - machen Sie das einfach. Dann haben Sie ein Problem: Ich sag Ihnen ja, das ist ganz klar, Sie haben ein Problem. Ich sehe da nur eine Lösung: Ich brauche die Sperrliste. Ich hab ja nichts dagegen, die BKA-Liste immer fleissig einzupflegen, das "täglich aktuell" will ich lieber nicht versprechen, aber ansonsten bin ich gerne dazu bereit. Schliesslich will ich das Gesetz sowohl beim Radldiebstahl als auch bei Kinderpornos stets beachten. Keinesfalls möchte ich unsere Rechtsordnung völlig negieren, wie mir unser Oberpolizist vorwirft. Das Problem von Herrn Zierke allerdings ist vermutlich, dass er mir die Liste nicht geben will. Vermutlich will er sie überhaupt nur seinen fünf oder sechs Lieblingsprovidern geben. Alle anderen lässt er mit der Drohung "Sie haben ein Problem" im Regen stehen. Ich versteh das auch ein bisschen, der kennt mich ja nicht und weiss nicht, ob ich seine Liste auch gut genug geheim halte. Ausserdem müsste er ja zehntausende mit diesen Listen versorgen und da ist bestimmt ein unzuverlässiger dabei. Sämtliche Firmen mit eigener Infrastruktur, Kleinprovider und Privatleute müssen die Listen bekommen. Das Problem der Weitergabe an Unirechenzentren mit über zehntausend Studenten hat das BKA sowieso schon am Hals. Blöd nur, dass er dieses Problem nicht erkennt, und anscheinend keiner seiner Berater vorher gesehen hat. In der vereinfachten Form des Internets, so wie es unsere Spitzenbeamten und Minister kennen, gibt es halt nur "Provider" und "Kunden":
Wednesday, 19. August 2009Ein Herz für die WeltFrüher hab ich ja gedacht, diese herzförmigen Abbildungen der Weltkugel wären irgendwas religiöses, vermutlich eine Form der jesuitischen Herz-Jesu-Verehrung, aber seit ich mich ein bisschen damit beschäftige, gefällt mir die Welt als Herz immer besser.
So ein bisschen Mystizismus mag schon auch bei den Erfindern eine Rolle gespielt haben, in diese Form lässt sich ja recht viel reininterpretieren, später hat auch die Darstellung religiöser Themen gern davon Gebrauch gemacht. Diese Abbildung war aber im 16. Jahrhundert einfach "Stand der Technik". Sie ist eigentlich eine Variante uralter Verfahren und wurde zu Beginn der Neuzeit recht beliebt, weil die Nachfrage nach Weltkarten mit den Entdeckungen und der damit verbundenen Globalisierung ganz plötzlich stieg und man besonders Wert auf kugelförmige Abbildungen legte. Die alten Karten und Globen ohne Amerika waren ja plötzlich recht deutlich veraltet und vermutlich ihren Besitzern ziemlich peinlich. Von der Abbildung her ist diese Stab-Werner-Projektion auch gar nicht so schlecht. Alle Flächen stimmen in ihrem Verhältnis zueinander (was allerdings den Herstellern damals nicht bewusst war), die Breitenkreise sind alle in der korrekten Länge im Verhältnis zum senkrechten Mittelmeridian abgebildet und die Kugeligkeit der Erde kommt auch schön raus. Wer die Asymmetrie nicht mochte oder die beiden Halbkugeln gleichberechtigt darstellen wollte, konnte auch zwei halbe Herzen mit Zentrum am Nord- und Südpol nehmen und sie in der Mitte zusammenkleben:
Oben eine Weltkarte von Orontius Finaeus von 1536, dann eine andere von ihm aus dem Jahr 1531, darunter eine von Gerhard Mercator 1538, und eine von mir 2009. Meine allerdings mit anderem Zentralmeridian. Der liegt bei Greenwich, während die beiden anderen Doppelherzkarten versuchen, die in der Antike bekannte Welt in die Mitte zu rücken. Faszinierend fand ich auch, dass man bei den Kartenmachern der Renaissance auch die ganzen Gestalten trifft, die ich bisher nur aus den Mittelalter-Ketzer-Geheimbund-Büchern kenne. Ist aber eigentlich kein Wunder. Die Leute waren naturwissenschaftlich-mathematisch auf einer Höhe, die unser heutiges Allgemeinwissen deutlich übersteigt und haben sich mit Weltbildern beschäftigt. Das führt recht sicher zu einer gegenseitig eher kritischen Einstellung zu Obrigkeit und Kirche. Zur päpstlichen sowieso, aber die Protestanten dieser Zeit waren auch recht eigensinnig, was die Abgrenzung zur ein bisschen anders potestantischen Nachbarsekte betraf. Bilder: die beiden "Finaeus"-Karten sind aus der Wikipedia. Die doppelherzförmige von "Seeberger", die herzförmige von "Rama" . Die Mercatorkarte hab ich bei Flickr bei der Sammlung vom "Norman B. Leventhal Map Center at the BPL" gefunden, die dort eine recht umfangreiche Sammlung alter Karten veröffentlicht haben. Diese Wikipedia-Bilder sind "public domain", das Flickr-Bild ist "cc-by"-lizenziert. Wer moderne Karten in herzform haben will, soll sie sich selber machen...
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