Friday, 27. February 2009Zwei zu Eins für HerrmannIch werde zukünftig nur noch an einem Tag der Woche ein paar Gesetze brechen. Dann steht es 6:1 für mich! Diese Auffassung klingt ein bisschen komisch, fast kriminell, aber mit ihr könnte ich in unserer Staatspartei so richtig Karriere machen. Unser Innenminister zum Beispiel wertet es schon als Zeichen ausgesprochener Rechtschaffenheit, wenn ein Gesetz seiner Regierung nur zu einem Drittel verfassungswidrig ist:
Ich frag mich ja schon, wie weit das Rechtsverständnis von Gesetzgeber und Regierung auf den Hund gekommen sein muss, wenn der Herr Herrmann schon stolz darauf ist, dass sie zu nur 33% grundgesetzwidrige Gesetze verabschieden. Eigentlich sollten sie den Ehrgeiz haben, ganz ohne Verfassungsbruch über die Runden zu kommen. Ausserdem klingt die Pressemitteilung des BVerfG auch ein bisschen anders als die des Innenministeriums. So wie ich sie verstehe, wurde ein grosser Teil des Gesetzes nur deshalb nicht ausgesetzt, weil wir sonst überhaupt kein funktionierendes Versammlungsgesetz hätten: Eine [Außerkraftsetzung der den Bußgeldvorschriften zugrunde liegenden versammlungsrechtlichen Ge- und Verbote] hätte zur Folge, dass es dem Bayerischen Versammlungsrecht bis zur Entscheidung über die Hauptsache an zentralen Vorschriften, wie etwa schon generell an einer Anzeigepflicht, fehlte. [...] die Nachteile der angegriffenen Vorschriften [werden] durch die vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldvorschriften so weit aufgefangen, dass eine weitergehende einstweilige Anordnung nicht geboten erscheint. Herrmann weist zwar zurecht darauf hin, dass das nur eine Einstweilige Verfügung des Verfassungsrichter ist, aber mehr werden wir aus Karlsruhe nicht dazu hören. Schliesslich gibts noch vor der richtigen Verhandlung ein neues Gesetz. Ich bin schon recht gespannt, wie das neue, von der FDP mitgebastelte Gesetz wird. In der Opposition waren sie ja ganz nett, aber die Regierungen mit FDP-Beteiligung zeichnen sich eigentlich nicht durch eine besonders liberale Note aus. Auf jeden Fall hab ich grosse Hoffnung, dass in Karlsruhe auch der bayerische Landestrojaner gekippt wird. Den hält Herr Herrmann nämlich für "strikt an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts" orientiert und wir sehen ja, dass der Mann das einfach nicht beurteilen kann. Friday, 20. February 2009TelefonbuchlektüreDie letzten paar Abende hab ich mit der Lektüre von Telefonbüchern verbracht. Eigentlich ja keine wirklich spannende Abendunterhaltung, aber die Amtlichen Verzeichnisse der Teilnehmer an den Ortstelephonnetzen des Oberpostbezirks München sind da eine echte Ausnahme. Für 1906 und 1910 hab ich nur München, Ismaning und Planeck, für 1915 den ganzen Bezirk, der in etwa Oberbayern umfasst. Ist aber trotzdem übersichtlich, 330 Seiten reichen, 237 davon München (das war allerdings kleiner als heute, Trudering, Aubing und Perlach z.B. waren eigene Gemeinden und Riem gehörte noch zur Gemeinde Dornach). Schon die Einleitungen sind ein echtes Fundstück für die Fans von Douglas Adams. Neben allerlei Hilfen zum Dialog mit dem Umschaltebeamten oder zur ganz neu eingeführten Selbstwahl innerhalb des Otsnetzes findet sich 1910 folgender Hinweis:
Fünf Jahre später war man sich entweder nicht mehr so sicher oder hat ein neues Servicemodell für die Post erfunden. Jedenfalls folgt auf den Satz mit den Gutachten:
Es macht auch Spass im Adressteil zu schmökern. Telefone waren ja damals recht selten, Betriebe hatten welche, Behörden, Polizei, Militär, Gastronomie. Auf dem Land gabs einen Apparat pro Dorf, oft bei der Postdienststelle untergebracht (damals gabs noch richtige Postämter auf dem Land!) oder im Kommunikationszentrum des Ortes:
In der Stadt gab es ein paar Privatleute, die einen Apparat zuhause hatten und dort liest sich das Telefonbuch wie das Who's Who der Hauptstadt. Es wimmelt von Exzellenzen, Grafen, Bankiers, Anwälten, Guts- und Realitätenbesitzern und natürlich den hinterbliebenden "Kommerzienrats-Wwe"n. Einige Firmen sind heute immer noch in der gleichen Gegend wie damals. Die Leute hatten auch keine Hemmungen, ihre Privatnummer zu veröffentlichen. Wer wollte, konnte 1910 auch einen Minister, den Schwager des österreichischen Kaisers oder andere Prominenz zuhause anrufen.
Aufdringliche Werbung im Telefonbuch war übrigens noch nicht üblich. Die vier Schlüsseldienste waren ganz unspektakulär unter "Türschliesser, geräuschl." einsortiert und neun Privatdetektive einfach unter "Auskunftei". Rufnummernmitnahme gab es damals nicht, aber man hat sich wohl bemüht, ähnliche Nummern neu zu vergeben. Thomas Mann war in den drei Jahren in drei Wohnungen gemeldet und durfte 1915 seine Nummer fast mitnehmen:
Die Schreibweise von "Franz Josefstr." sieht falsch aus, die schreibt man ja heute "Franz-Joseph-Str." mit Bindestrichen und "ph". Damals wurde auch die "Prinz Regentenstr." oder "Paul Heysestr." so geschrieben. Man hat einfach ein "str." an den Namensgeber ohne Leerzeichen angehängt und auf Striche verzichtet. Das gleiche Verfahren galt für Ortsnamenstrassen ("Wolfratshauserstr.", "Dachauerstr.", "Nymphenburgerstr.", "Tegernseerlandstr." statt heute "Dachauer Str."), eine Rechtschreibregel, deren elegante Schlichtheit irgendwann in den letzten hundert Jahren verlorenging und trotz aller Reformen nicht wiederkam. Der konsequente Verzicht auf das SZ ("Strassenbauamt") kommt übrigens meiner Schreibweise hier entgegen. Ich halte das scharfe S ja auch für unnötig und werde mich in Zukunft in dieser Sache auf die gute alte Prinzregentenzeit berufen.
Tuesday, 17. February 2009Satellitenpeilung fürs HandyIch freu mich ja immer, wenn Überwachungsthemen auch in den grossen Medien auftauchen. Wenn zum Beispiel die Tagesthemen über die Gefahren von Handyortung berichten, einen Datenschützer zu Wort kommen lassen und die Techniken grob vorstellen. Schade ist es nur, wenn das ganze wieder kaputtgemacht wird von Journalisten, die sich nicht mal die ersten zwei Zeilen zu "GPS und Datenschutz" in der Wikipedia durchlesen, sondern sich stattdessen irgendwas lustiges zusammenphantasieren (ab 06:12min):
Zur Klarstellung: Satelliten peilen nichts an, sie verfolgen nichts und sie geben nichts weiter. Sie versetzen lediglich den Empfänger in die Lage, zu erkennen wo er ist. Es liegt an diesem Gerät und dessen Besitzer, ob das Ding etwas weitergibt und an wen. Ob das Gerät das überhaupt kann und wie der Besitzer das beeinflusst, steht hoffentlich in der Gebrauchsanweisung. Die dann folgende Behauptung
ist auch irgendwie eher falsch. Hier war jedenfalls noch niemand, um unser WLAN zu kennzeichnen. Dass irgendein vorbeiradelnder Wardriver mal das Netz "00:0C:F6:27:87:FA" unserer Wohnung zugeordnet hat, mag sein. Aber wie diese Information in die Mail kommen soll, ist mir ein Rätsel. Vielleicht hat Google oder ein anderer Geheimdienst eine Liste sämtlicher Hotspots mit fester IP, aber als Ortskennung würde ich das nicht bezeichnen. Wirklich schade: Wenn ich in einem Bericht solche Schnitzer sehe, glaube ich nämlich dem Rest der Nachrichten auch nicht mehr. Dabei schaue ich eigentlich die Tagesthemen, um über Themen informiert zu werden, bei denen ich mich nicht auskenne und seriöse Berichte brauche. Mich über skurrile Meldungen amüsieren kann ich bei RTL Exclusiv auch.
Friday, 13. February 2009Preisgekröntes Arrangement
Das drittplatzierte "Pressefoto des Jahres" in der Kategorie "Spot News Singles" ist doch aus der Serie, die schon vor einiger Zeit als schönes Beispiel für manipulierte Pressefotos aus Georgien diente: Gleicher trauernder Angehörige, gleiche Leiche. Mal auf dem Bauch liegend, mal auf dem Rücken, mal mit den Füssen zum Haus, mal mit dem Kopf zum Haus. Ich bin verwirrt. Fälschen die Russen Fotoserien von Reuters-Fotografen um sie bloszustellen und fällt Radio Utopie darauf rein? Oder ist es normal, dass man zur Berichterstattung aus Krisengebieten ziemlich eklige Dinge macht um Trauernde und Opfer in allen möglichen Posen abzulichten und dass das Ergebnis dann als beispielhafte Berichterstattung gewürdigt wird? Und wie viele der Abgebildeten sind Schauspieler? Nachtrag: Ich hab noch ein bisschen hinterhergesurft. Reuters bestreitet ja, dass die Aufnahmen gestellt sind. Die dazugehörige Pressemitteilung ist russisch und das verstehe ich nicht. Dort hängen sowas wie Kontaktabzüge der beiden verwendeten Kameras dran. Bewiesen ist damit eher nichts, dafür sieht man zu wenig, aber irgendwie lösen diese Abzüge einen Schauer bei mir aus. Ich halt ja auch gern mit der Kamera einfach drauf aber mit Dauerfeuer zu verfolgen wie einer grad einen Angehörigen findet... Andererseits, vermutlich brauchen wir solche Bilder, falls sie echt sind. Die ständigen Bagdad-Autobomben und Afghanisten-Sprengfallenberichte mit Stückzahlen von Verwundeten langweilen mich, eigentlich brauch ich Bilder, um zu sehen, dass es irgendwo schlimm ist. Sunday, 8. February 2009Reale VerhältnisseFragenkatalog für den Einbürgerungstest mit dem die "Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland" nachgewiesen werden sollen, Frage 58:
Tja liebe ausländische Mitbürger, es hilft Euch nichts, das aktuelle politische Geschehen in der Tagespresse zu verfolgen. Ihr müsst schon echte Theorie büffeln, nicht Zeitung lesen. Die ist zwar näher an den Lebensverhältnissen, damit würdet Ihr als Prüflinge aber ganz schön versagen:
Die wirklichkeitsnahe Antwort steht leider nicht im Fragenkatalog
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