Friday, 20. February 2009TelefonbuchlektüreDie letzten paar Abende hab ich mit der Lektüre von Telefonbüchern verbracht. Eigentlich ja keine wirklich spannende Abendunterhaltung, aber die Amtlichen Verzeichnisse der Teilnehmer an den Ortstelephonnetzen des Oberpostbezirks München sind da eine echte Ausnahme. Für 1906 und 1910 hab ich nur München, Ismaning und Planeck, für 1915 den ganzen Bezirk, der in etwa Oberbayern umfasst. Ist aber trotzdem übersichtlich, 330 Seiten reichen, 237 davon München (das war allerdings kleiner als heute, Trudering, Aubing und Perlach z.B. waren eigene Gemeinden und Riem gehörte noch zur Gemeinde Dornach). Schon die Einleitungen sind ein echtes Fundstück für die Fans von Douglas Adams. Neben allerlei Hilfen zum Dialog mit dem Umschaltebeamten oder zur ganz neu eingeführten Selbstwahl innerhalb des Otsnetzes findet sich 1910 folgender Hinweis:
Fünf Jahre später war man sich entweder nicht mehr so sicher oder hat ein neues Servicemodell für die Post erfunden. Jedenfalls folgt auf den Satz mit den Gutachten:
Es macht auch Spass im Adressteil zu schmökern. Telefone waren ja damals recht selten, Betriebe hatten welche, Behörden, Polizei, Militär, Gastronomie. Auf dem Land gabs einen Apparat pro Dorf, oft bei der Postdienststelle untergebracht (damals gabs noch richtige Postämter auf dem Land!) oder im Kommunikationszentrum des Ortes:
In der Stadt gab es ein paar Privatleute, die einen Apparat zuhause hatten und dort liest sich das Telefonbuch wie das Who's Who der Hauptstadt. Es wimmelt von Exzellenzen, Grafen, Bankiers, Anwälten, Guts- und Realitätenbesitzern und natürlich den hinterbliebenden "Kommerzienrats-Wwe"n. Einige Firmen sind heute immer noch in der gleichen Gegend wie damals. Die Leute hatten auch keine Hemmungen, ihre Privatnummer zu veröffentlichen. Wer wollte, konnte 1910 auch einen Minister, den Schwager des österreichischen Kaisers oder andere Prominenz zuhause anrufen.
Aufdringliche Werbung im Telefonbuch war übrigens noch nicht üblich. Die vier Schlüsseldienste waren ganz unspektakulär unter "Türschliesser, geräuschl." einsortiert und neun Privatdetektive einfach unter "Auskunftei". Rufnummernmitnahme gab es damals nicht, aber man hat sich wohl bemüht, ähnliche Nummern neu zu vergeben. Thomas Mann war in den drei Jahren in drei Wohnungen gemeldet und durfte 1915 seine Nummer fast mitnehmen:
Die Schreibweise von "Franz Josefstr." sieht falsch aus, die schreibt man ja heute "Franz-Joseph-Str." mit Bindestrichen und "ph". Damals wurde auch die "Prinz Regentenstr." oder "Paul Heysestr." so geschrieben. Man hat einfach ein "str." an den Namensgeber ohne Leerzeichen angehängt und auf Striche verzichtet. Das gleiche Verfahren galt für Ortsnamenstrassen ("Wolfratshauserstr.", "Dachauerstr.", "Nymphenburgerstr.", "Tegernseerlandstr." statt heute "Dachauer Str."), eine Rechtschreibregel, deren elegante Schlichtheit irgendwann in den letzten hundert Jahren verlorenging und trotz aller Reformen nicht wiederkam. Der konsequente Verzicht auf das SZ ("Strassenbauamt") kommt übrigens meiner Schreibweise hier entgegen. Ich halte das scharfe S ja auch für unnötig und werde mich in Zukunft in dieser Sache auf die gute alte Prinzregentenzeit berufen.
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