Früher hab ich ja gedacht, diese herzförmigen Abbildungen der Weltkugel wären irgendwas religiöses, vermutlich eine Form der jesuitischen Herz-Jesu-Verehrung, aber seit ich mich ein bisschen damit beschäftige, gefällt mir die Welt als Herz immer besser.
So ein bisschen Mystizismus mag schon auch bei den Erfindern eine Rolle
gespielt haben, in diese Form lässt sich ja recht viel
reininterpretieren, später hat auch die Darstellung religiöser Themen gern davon Gebrauch gemacht. Diese Abbildung war aber im 16. Jahrhundert einfach "Stand der Technik". Sie ist eigentlich eine Variante uralter Verfahren und wurde zu Beginn der Neuzeit recht beliebt, weil die Nachfrage nach Weltkarten mit den Entdeckungen und der damit verbundenen Globalisierung ganz plötzlich stieg und man besonders Wert auf kugelförmige Abbildungen legte. Die alten Karten und Globen ohne Amerika waren ja plötzlich recht deutlich veraltet und vermutlich ihren Besitzern ziemlich peinlich.
Von der Abbildung her ist diese Stab-Werner-Projektion auch gar nicht so schlecht. Alle Flächen stimmen in ihrem Verhältnis zueinander (was allerdings den Herstellern damals nicht bewusst war), die Breitenkreise sind alle in der korrekten Länge im Verhältnis zum senkrechten Mittelmeridian abgebildet und die Kugeligkeit der Erde kommt auch schön raus. Wer die Asymmetrie nicht mochte oder die beiden Halbkugeln gleichberechtigt darstellen wollte, konnte auch zwei halbe Herzen mit Zentrum am Nord- und Südpol nehmen und sie in der Mitte zusammenkleben:
Oben eine Weltkarte von Orontius Finaeus von 1536, dann eine andere von ihm aus dem Jahr 1531, darunter eine von Gerhard Mercator 1538, und eine von mir 2009. Meine allerdings mit anderem Zentralmeridian. Der liegt bei Greenwich, während die beiden anderen Doppelherzkarten versuchen, die in der Antike bekannte Welt in die Mitte zu rücken.
Faszinierend fand ich auch, dass man bei den Kartenmachern der Renaissance auch die ganzen Gestalten trifft, die ich bisher nur aus den Mittelalter-Ketzer-Geheimbund-Büchern kenne. Ist aber eigentlich kein Wunder. Die Leute waren naturwissenschaftlich-mathematisch auf einer Höhe, die unser heutiges Allgemeinwissen deutlich übersteigt und haben sich mit Weltbildern beschäftigt. Das führt recht sicher zu einer gegenseitig eher kritischen Einstellung zu Obrigkeit und Kirche. Zur päpstlichen sowieso, aber die Protestanten dieser Zeit waren auch recht eigensinnig, was die Abgrenzung zur ein bisschen anders potestantischen Nachbarsekte betraf.
Bilder: die beiden "Finaeus"-Karten sind aus der Wikipedia. Die doppelherzförmige von "Seeberger", die herzförmige von "Rama" . Die Mercatorkarte hab ich bei Flickr bei der Sammlung vom "Norman B. Leventhal Map Center at the BPL" gefunden, die dort eine recht umfangreiche Sammlung alter Karten veröffentlicht haben. Diese Wikipedia-Bilder sind "public domain", das Flickr-Bild ist "cc-by"-lizenziert. Wer moderne Karten in herzform haben will, soll sie sich selber machen...
Schnipsel am : Neue alte Karten