Tuesday, 16. June 2009VerpackungIch würde den Stein so verpackt lassen, sieht irgendwie hübsch aus, geheimnisvoll. Dieser verpackte Obelisk ist eine "Geschichtssäule" und steht in einer demnächst zu eröffnenden Parkanlage. Unsere Gemeinde ist - jedenfalls was ihre offiziellen Vertreter betrifft - ziemlich geschichtsbewusst. Viel ist hier zwar nicht zu holen, die schriftlich dokumentierte Historie ist relativ dünn, aber immerhin ist das Gebiet seit Jahrtausenden durchgehend besiedelt und der Boden ist voller Fundstücke. Wir leben hier auf einem Boden, der im Denkmalatlas flächendeckend als Friedhof der Ureinwohner beschrieben wird: Siedlungen der Vorgeschichte, darunter der späten Latènezeit sowie vermutlich Körpergräber der Latènezeit, außerdem Siedlung des frühen Mittelalters sowie Körpergräber des frühen Mittelalters. Siedlung vermutlich der Bronzezeit und Siedlung des frühen Mittelalters sowie vermutlich Körpergräber der frühen Bronzezeit, der frühen römischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalters, außerdem Einzelfund (Perle) unbekannter Zeitstellung sowie Siedlung, Kreisgräben und Körpergräber unbekannter Zeitstellung im Luftbild. Siedlungen der Vorgeschichte, darunter vermutlich der Bronzezeit, der Hallstattzeit und der Latènezeit, außerdem Brandgräber der Bronzezeit und der Hallstattzeit sowie vermutlich Straßenstation des Mittelalters. Ausserdem gabs hier mal eine Tassilo_III. mit ihren Priestern im achten Jahrhundert und im siebten Jahrhundert hatte der Heilige Emmeram hier für kurze Zeit seine erste Ruhestätte, bevor ihn die Regensburger wieder zurückholten, um zukünftig die Reliquien ihres Mordopfers anzubeten. Die Historie soll auf dem Stein dokumentiert werden, in Zusammenhang gesetzt mit den Ereignissen im Rest der Welt. Ist vielleicht auch ganz interessant, auch wenns eine Spur übertrieben wirkt. Ich finds eigentlich gut, wenn man zeigt, dass Geschichte auch in kleinem Massstab stattfindet. Aber als Verpackungskünstler arbeiten die Gartenbauer auch nicht schlecht. Wednesday, 27. May 2009Peterskarte
Und weil ich grad am suchen nach Abbildungsvorschriften war, hab ich noch die Peters-Projektion eingebaut, das ist die Karte da rechts oben. Die Karte finde ich zwar hässlich, aber die Idee dahinter finde ich schon irgendwie bemerkenswert, und die Geschichte interessant: Arno Peters war Historiker, der sich daran gestört hat, dass die reichen Gesellschaften Europas und Nordamerikas so arrogant auf den Rest der Welt herabblicken. Als Mitursache dieser Haltung hat er die schlichte Gewöhnung an dieses Weltbild angesehen. Wir werden in der Schule fast ausschliesslich über Kulturleistung unserer europäischen Vorfahren unterrichtet, bestenfalls in der Antike tragen auch Ägypter und Mesopotamier ein wenig dazu bei. Ostasien wird vor Marco Polo praktisch nicht erwähnt, die Ming-Dynastie kennen wir nur als Schöpfer sauteurer Vasen. Dieser Fehlleistung unserer Geschichtslehrpläne hat er versucht, durch eine eigene Weltgeschichte gegenzusteuern.
Das ist alles nicht die Schuld Gerhard Mercators. Der Mann wusste schon im 16. Jahrhundert, dass seine Projektion für Weltkarten nichts taugt. Sein Ziel beim Kartenmachen war, die Seefahrt zu erleichtern. Das hat er auch geschafft, mit seiner Karte klappt ein Trick, der bis dahin nicht funktioniert hat: Man kann auf der Karte einen Strich vom momentanen Standort zum Zielhafen machen, die Richtung mit dem Geodreieck ablesen, bei der abgelesenen Gradzahl eine Kerbe in den Schiffskompass machen und dem Mann am Steuer einschärfen, dass er einfach immer das Schiff auf diesem Kurs halten muss. Falls man nicht seitlich abgetrieben wird, landet man so ohne gross rumzurechnen am Ziel. Die Berechnung der Entfernung ist komplizierter, aber dafür hatte man Tabellenbücher und ausserdem muss man die nicht dem nautisch ungeschulten Mann am Steuer erklären.
Als Gegenentwurf zu dieser Darstellung stellte Peters 1974 seine eigene Projektion vor. Er war der Ansicht, dass ein Land sich vor allem durch seine Fläche Geltung verschafft, und dass es eine Frage der Fairness sei, die Dritte Welt gegenüber den Industriestaaten karthografisch nicht zu benachteiligen. Es gab zwar schon vorher flächentreue Kartenentwürfe, aber die waren ihm entweder zu sehr in die Breite gezogen oder hatten eine ovale Form und konnten deshalb die Nord-Süd-Richtung nicht überall parallel zum Kartenrand zeichnen. Es gab sogar schon vor ihm seit 1855 eine gleichwertige Darstellung von James Gall, die allerdings inzwischen vergessen worden war. Ausserdem nutzte Peters die Gelegenheit, auch das 360-Grad-Netz durch ein dezimales zu ersetzen und die Datumsgrenze in die Beringstrasse zu verschieben.
Die Diskussion um das richtige Bild wurde mit ziemlicher Schärfe geführt. Auf der einen Seite vermutete man linke Spinner, die aus ideologischen Gründen eine verzerrte Sicht auf die Welt durchsetzen wollten. Auf der anderen Seite sah man die rassistischen Anhänger des Kolonialismus, die unbedingt den Machtanspruch des weissen Mannes beim Kartenzeichnen dokumentieren wollten. Die Zuordnung zum Lager konnte man leicht an der Bezeichnung erkennen die für die Abbildung verwendet wurde, entweder "Peters-Projektion" oder "Galls orthographische Zylinderprojektion" oder als Kompromiss "Gall-Peters-Projektion".
Mich wundert allerdings, dass diese Diskussion nicht wieder aufflammt. Kaum jemand blättert heute noch in inzwischen gesäuberten Schulatlanten. Dafür nützt jeder irgendwelche Karten aus dem Internet. Und egal ob man dort die Karten von Google, von Microsoft oder von Openstreetmap nimmt, man trifft auf Mercatorkarten. Natürlich auch bei allen, die diese Karten weiterverwenden, der "ZDF-Geothek" zum Beispiel. Der Grund dafür ist einfach, die wollen keinen Wechsel der Projektion beim rein- und rauszoomen und lieber stellt man ein "gewohnt" übergrosses Grönland in der Weltansicht dar, als dass man auf Strassenkartenniveau Kreisverkehre in Helsinki eiförmig darstellt zugunsten runder in Buenos Aires. Nicht-rechteckige Abbildungen würden dort sowieso nicht funktionieren, weil die Karten in Kacheln organisiert sind, die im Browser lediglich aneinandergesetzt werden. Da kann man keine Unterschiede machen, ob die gewünschte Kachel gerade in der Mitte der Abbildung oder an deren Rand liegt, gekrümmte Kartenränder scheiden also aus. Erklärung für das Ausbleiben der Diskussion hab ich keine. Entweder sind die altlinken Erdkundelehrer inzwischen ausgestorben, oder sie schauen zumindest nicht ins Internet. Oder man hat eingesehen, dass die Manipulation durch die Medien mittels Hintergrundbilder doch nicht so gross ist, wie befürchtet. Vielleicht sind aber "Dritte-Welt-Themen" auch wieder völlig aus der Mode gekommen... Das Bild vom Sitzungssaal im Auswärtigen Amt stammt aus dem Bundesarchiv und steht bei der Wikipedia unter GNU FDL. Thursday, 7. May 2009Die wollen nur spielenWas machen unsere Politiker eigentlich wenn sie durch sind mit unsinnigen aber plakativen Aktionen zur Bekämpfung aktueller Probleme? Kommt dann wieder der Reformstau nach der Wahl und eine Periode der Regierung mit der ruhigen Hand? Ich glaube, ich kann ja ungefähr beurteilen, wie wichtig ein Paintball-Verbot für unser aller Wohl und Schutz vor Amokläufern ist. Ich fahre ein- oder zweimal im Jahr ins befreundete Ausland, wo der Arm des Bayerischen Innenministeriums nicht hinreicht und baller dort mit Farbkugeln auf Gleichgesinnte, bin aber sonst eher unkriegerisch veranlagt. Der klassische Amokläufer (sofern er nicht altersmässig der Kategorie "verbitterte Senioren mit Zugang zu Schusswaffen" angehört), ist ja mehr der frustrierte einzelgängerische Schüler mit Zugang zu Schusswaffen. Und solche Typen treiben sich auf den Spielfeld eher nicht rum. Es ist auch schwer vorstellbar, dass solche Leute sich zu Gruppen zusammenschliessen um einem ausgesprochenen Teamsport nachzugehen.
Trotzdem: Die Typen da sind friedlich, die wollen nur spielen! Nichts riecht da nach Kampf, kein Nazi erzählt vom Krieg und niemand will sein Heimatdorf mit Farbklecksen auslöschen. Richtig ernst nimmt die Sache dort auch keiner, nichtmal die Vielspieler (die erkennt man daran, dass sie ihren eigenen Marker haben und nicht in Flecktarnsäcken rumrennen), zumindest nicht wenn die mit den Amateuren zusammen spielen. Unter sich sind die vielleicht verbissener, aber da gehts vermutlich um Punkte und Tabellenstände, weniger um die Umsetzung des Erlernten ausserhalb des Spielfelds. Das richtige Menschentöten hab ich übrigens viel früher gelernt, nicht mit Markern, sondern mit G3, P1, Uzi, MG3 und Handgranaten. Da war ich jung und dumm und für die Propaganda aggressiver Ideologien anfällig. Damals wäre ein bisschen Paintball in der Ausbildung nicht schlecht gewesen. Da lernt man nämlich, dass man im echten Farbkugelhagel keine Viertelstunde im Spiel bleibt und egal wie viele Gegner man vorher erwischt, am Ende bunt ist. Eine Erkenntnis, die bei Soldaten und politischen Entscheidungsträgern eher friedensstiftend wirken könnte wenn die Entscheidung ansteht, ob von Deutschem Boden je wieder ein Robustes Mandat ausgehen soll. Friday, 20. February 2009Telefonbuchlektüre
Schon die Einleitungen sind ein echtes Fundstück für die Fans von Douglas Adams. Neben allerlei Hilfen zum Dialog mit dem Umschaltebeamten oder zur ganz neu eingeführten Selbstwahl innerhalb des Otsnetzes findet sich 1910 folgender Hinweis:
Fünf Jahre später war man sich entweder nicht mehr so sicher oder hat ein neues Servicemodell für die Post erfunden. Jedenfalls folgt auf den Satz mit den Gutachten:
In der Stadt gab es ein paar Privatleute, die einen Apparat zuhause hatten und dort liest sich das Telefonbuch wie das Who's Who der Hauptstadt. Es wimmelt von Exzellenzen, Grafen, Bankiers, Anwälten, Guts- und Realitätenbesitzern und natürlich den hinterbliebenden "Kommerzienrats-Wwe"n. Einige Firmen sind heute immer noch in der gleichen Gegend wie damals. Die Leute hatten auch keine Hemmungen, ihre Privatnummer zu veröffentlichen. Wer wollte, konnte 1910 auch einen Minister, den Schwager des österreichischen Kaisers oder andere Prominenz zuhause anrufen.
Aufdringliche Werbung im Telefonbuch war übrigens noch nicht üblich. Die vier Schlüsseldienste waren ganz unspektakulär unter "Türschliesser, geräuschl." einsortiert und neun Privatdetektive einfach unter "Auskunftei". Rufnummernmitnahme gab es damals nicht, aber man hat sich wohl bemüht, ähnliche Nummern neu zu vergeben. Thomas Mann war in den drei Jahren in drei Wohnungen gemeldet und durfte 1915 seine Nummer fast mitnehmen:
Die Schreibweise von "Franz Josefstr." sieht falsch aus, die schreibt man ja heute "Franz-Joseph-Str." mit Bindestrichen und "ph". Damals wurde auch die "Prinz Regentenstr." oder "Paul Heysestr." so geschrieben. Man hat einfach ein "str." an den Namensgeber ohne Leerzeichen angehängt und auf Striche verzichtet. Das gleiche Verfahren galt für Ortsnamenstrassen ("Wolfratshauserstr.", "Dachauerstr.", "Nymphenburgerstr.", "Tegernseerlandstr." statt heute "Dachauer Str."), eine Rechtschreibregel, deren elegante Schlichtheit irgendwann in den letzten hundert Jahren verlorenging und trotz aller Reformen nicht wiederkam. Der konsequente Verzicht auf das SZ ("Strassenbauamt") kommt übrigens meiner Schreibweise hier entgegen. Ich halte das scharfe S ja auch für unnötig und werde mich in Zukunft in dieser Sache auf die gute alte Prinzregentenzeit berufen.
Saturday, 7. February 2009Massives kulturpolitisches Mandat Wir haben uns ja den ganzen Tag gefragt, was unsere Kanzlerin damit meint: [Merkel] plädierte zum 60. Geburtstag des Militärbündnisses für eine neue strategische Ausrichtung der Nato. Sie forderte ein Konzept der "vernetzten Sicherheit". Die Nato sei zwar ein militärisches Bündnis, genauso entscheidend seien aber künftig auch polizeiliche oder kulturpolitische Komponenten.
Neben dem Einfluss auf Sprache, Mode und vor allem auf die Blasmusik gibt es ja wenige Möglichkeiten, sich mit militärischen Mitteln kulturell zu betätigen. Die NATO hat zwar einen "Ausschuss für Information und kulturelle Beziehungen" (so nennen die den Stab des Pressesprechers), aber eigentlich können wir froh sein, dass unsere Kultur nicht unnötig mit Waffen in Verbindung gebracht wird...
« vorherige Seite
(Seite 7 von 16, insgesamt 77 Einträge)
» nächste Seite
|
KategorienVerwaltung des Blogs |