Die Geocounter-Seite wird immer wieder mal von Leuten verlinkt, die eine IP-Adresse orten wollen. Gelegentlich passiert das in Diskussionsforen und ich kann gespannt mitverfolgen, wie diese Seite ankommt. Die Reaktionen darauf sind recht unterschiedlich: von "Hilfe ich werde überwacht" bis zu "So ein Scheiss, der Ortet mich ja nichtmal auf 10km genau" oder "Da wird eh nur der Provider geortet". Bisschen Angst machen mir die Einträge der Art "Jetzt weisst Du, wo das Haus von diesem Halunken wohnt", diese Einträge waren der Grund für den langen Beipackzettel auf der Ortungsseite, aber das ist halt Text und Text liest keiner, wenns auch Bilder gibt.
Auf jeden Fall scheint diese Ortung mysteriös zu sein, und ich dachte, ich schreib mal, wie sowas funktioniert. Die Beispiele sind alle aus der Datenbank von maxmind. Die haben eine kostenpflichtige, für richtige Kunden, die mit der Anwendung Geld verdienen und eine kostenlose, für Hobbyanwender wie mich. Die kostenlose ist brauchbar, aber absichtlich schlechter als die Kaufversion. Ausserdem sind die Beispiele alle aus meiner Gegend, weil da kenne ich mich aus.
Wie sieht so eine Datenbank aus?
Das ist einfach eine Liste von IP-Adressbereichen, Koordinaten, Ortsnamen und evtl. noch ein bisschen Zusatz wie Land, (Postleitzahl), Verwaltungseinheit, also z.B. so:
10.12.37.0 bis 10.12.37.7, Deutschland, Bayern, 85652, Pliening, 48.2 Nord, 11.8 Ost
10.12.37.8 bis 10.12.37.8, Deutschland, Bayern, 85464, Neufinsing, 48.2167 Nord, 11.8 Ost
Wie genau ist die Koordinate?
Wie man oben sieht, gibt es keine weitere Unterscheidung unterhalb des Ortes, die Strasse wird nicht erwähnt. Das ist auch bei grossen Gemeinden so, "48.15 Nord, 11.5833 Ost" z.B. steht für alle IP-Adressen in München. Falls eine Anwendung das in eine Landkarte umsetzt, wird sie zwar eine Nadel mit höchster Präzision in der Veterinärstrasse einschlagen, und tolle Genauigkeit suggerieren, sie meint damit aber eigentlich das gesamte Stadtgebiet. Man kann also niemals erfahren, wo jemandem sein Haus wohnt, und es hat überhaupt keinen Sinn, einen so georteten Betrüger die Fenster einzuwerfen, man trifft den falschen.
Die Daten für die Zuordnung von Ortsnamen zu Koordinaten scheinen bei den meissten Anbietern vom Gazetteer der NGA zu stammen, einer freien, sehr vollständigen, aber oft etwas ungenauen und schlecht gepflegten Datenbank.
Wo kommen die Daten her?
Das ist das grosse Geheimnis der Datenbankmacher...
Ich denke in erster Linie aus whois-Einträgen. Der whois-Eintrag zu einer IP-Adresse wird bei der Vergabe einer IP-Adresse vom übergeordneten Provider festgelegt. Letztendlich entsteht so eine Datenbank, die für jede IP-Adresse festlegt, wer für sie zuständig ist. Häufig steht da der Provider selbst drin, besonders bei Einwahlprovidern, häufig wird der Eintrag aber selbst für kleine IP-Adressbereiche von 1 oder 8 IP-Adressen gepflegt. Das ist als Quelle relativ gut, kleine IP-Adressbereiche sind kleine Firmen mit nur einem Standort.
Bei grösseren Netzbereichen, z.B. dem Netz der Telekom wirds schwierig (und auch spürbar ungenauer), da wird wohl auch viel geraten. Vielleicht haben die Hersteller Referenzkunden, die ihnen sagen, welche IP-Adresse sie gerade zugewiesen bekommen haben und wo sie wohnen. Vielleicht verlassen sie sich auch aufs Routing. Zur Zeit wird z.B. die IP-Adresse 79.230.121.x von der Telekom über einen Router namens "M.NET" geleitet, die IP-Adresse 79.230.231.x dagegen über "SI.NET". Der erste steht in München, der zweite in Siegen. Entsprechend sind auch die Daten von Maxmind.
Genauer gehts leider nicht. Dafür spricht auch meine Beobachtung, dass ich zwar immer im Umkreis von 20km, aber fast nie in der richtigen Gemeinde geortet werde, derzeit sitze ich fast immer in Pliening. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mein Provider so genaue Unterschiede macht. ich denke, der weist einfach die nächste freie IP-Adresse aus der Gegend dem nächsten Kunden zu, wobei "Gegend" für ihn sicher etwas grösseres als eine Gemeinde ist.
Ausserdem wechseln die Provider für Einwahlkunden natürlich auch gelegentlich die Zuteilung, je nach regionaler Auslastung, Kundenzahl, Leitungskosten. Wie schnell das dann auch in der Datenbank landet ist unklar. Aktualisierungen der Datenbank gibts monatlich.
Zusammen mit dem etwas runtergekommenen Datenbestand der NGA, die zwar alle Ortschaften kennt, aber nicht ihre Einwohnerzahl oder Bedeutung, führt diese Ungenauigkeit dann dazu, dass massenweise Einwahlknoten in Ortschaften lokalisiert werden, die eigentlich zu klein sind um so viele Kunden zu beherbergen. Deshalb ist bei der derzeitigen Verteilung in meiner Gegend z.B. Eichenried, ein Ortsteil von Moosinning, deutlich überrepräsentiert. Pliening scheint auch irgendwie beliebt zu sein. Neben den Firmen (die stimmen, bis auf ein Netz, das steht in Nürnberg, aber der whois-Eintrag nennt einen Plieninger als Besitzer), tummeln sich dort auch tausende Einwahlkunden von Telekom und Arcor, was eher unwahrscheinlich erscheint. Neufinsing ist einer der wenigen Fälle, wo wirklich der Sitz des Providers in die Datenbank wandert. dort sitzt eine Firma, die Internet per Funk anbietet und die von der Kabelversorgung abgehängten Gebiete versorgt.
Was kann mit dieser Ortung anfangen?
- Man kann ortsbezogene Werbung in Homepages einbauen, so kommen die "heissen girls und boys in deiner Nähe" auf Deinen Monitor.
- Man kann bei der Auswahl von Proxies bestimmte Länder meiden oder bevorzugen. Bei einigen Tor-Projekten kann ich mir beispielsweise aussuchen, aus welchem Land ich ins Internet komme, um z.B. das eigene Land und dessen Sicherheitsorgane zu umgehen.
- Betreiber von Internetradios brauchen sowas, weil sie z.B. deutsche Kunden nicht mit Musik beliefern dürfen, weil das die Grenzen ihres Lizenzabkommens mit einem ausländischen Verlag sprengen würde.
- Maxmind verkauft seinen Service auch unter dem Stichwort "Credit Card Fraud Detection", wobei da die Ortung nur ein Teil der Prüfung einer Online-Transaktion ist.
- Man kann damit rumspielen...
Was kann man nicht?
- Jemanden genauer als die Gemeinde orten
- Jemanden genauer als 20 oder 30km orten
- Sich darauf verlassen, dass obige 20-30km-Grenze überhaupt stimmt
Falls man eine bessere Ortung wünscht, darf man sich nicht auf die IP-Adresse verlassen. Dazu gibts GPS, WLAN-Ortung oder die Netzinformationen der Mobilfunkbetreiber.
(Bild: Karte von Openstreetmap unter cc-by-sa-Lizenz)
lieblnk.de am : Wie funktioniert die Ortung mit IP-Adressen? - Schnipsel