Sunday, 30. November 2008BasispyramideDa fährt man jahrelang täglich vom Feringasee kommend auf den Föhringer Ring rauf am Heizkraftwerk München Nord vorbei und denkt sich, dass da aber ein komisches Denkmal steht. Sieht aus wie eines der vielen Kriegerdenkmäler für die Gefallenen aus dem 70er- oder 14er- Krieg, das durch den Strassenbau irgendwie an die blöde Stelle zwischen Leitplanke und Kraftwerk gerutscht ist, vielleicht auch ein Denkmal für die beim Bau verunglückten Arbeiter. Und dann entdeckt man zufällig beim rumklicken in der Landkarte, dass dieser Obelisk der Dreh- und Angelpunkt der Bayerischen Landvermessung ist, einer der beiden Nabel des Landes: Die Basispyramide. Es ist zwar mühsam, ein ganzes Land zu vermessen, aber eigentlich relativ einfach. Man nimmt eine Strecke bekannter Länge und mit bekannten Endpunkten, peilt von diesen Endpunkten aus einen Kirchturm an, merkt sich die Winkel, rechnet ein bisschen mit den Dreiecks- und Winkelsätzen rum und hat den Kirchturm verortet. Die beiden Strecken zum Turm kann man dann wieder als "bekannte Strecke" verwenden und sucht sich den nächsten Kirchturm zum Anpeilen aus. Das Problem ist, die erste Strecke zu finden und deren Länge zu bestimmen. 1801 hatten die französischen Besatzer den dringenden Wunsch geäussert, ordentliche Karten der neue eroberten Länder zu bekommen, der Kurfürst war auch an einer exakten Messung interessiert, weil ein moderner Staat sowas eben brauchte. Ausserdem war damals die Grundsteuer noch nicht kommunal und eine wichtige Geldquelle der Staatsverwaltung, exakte Katasterblätter waren wichtig für die Steuergerechtigkeit. Also wurde das Topographische Bureau gegründet und man suchte die erste bekannte Strecke. Leiter der Aktion wurde der französische Oberst Bonne, assistiert vom bayerischen Oberst von Riedl. Der "Nullpunkt" der Vermessung (den nennt man Fundamentalpunkt) sollte in München liegen und weithin sichtbar sein. Also einer der Türme der Frauenkirche, man nahm den nördlichen. Von dort aus liess sich aber schlecht messen. Schliesslich wollte man Genauigkeiten von ein paar cm und da konnte man durch die Innenstadt schlecht mit dem Massband laufen. Der andere Endpunkt der Strecke wurde der Kirchturm von Aufkirchen bei Erding. Den sieht man offensichtlich von der Frauenkirche aus. In Aufkirchen hat man aber auch das Problem, dass man nicht genau bis zur Kirchturmspitze messen kann. Also baute man vor den Orten zwei Denkmäler in der Linie zwischen den Türmen und misst die Strecke von dort aus. Diese beiden Denkmäler nennt man Basispyramiden. Die Messung der Entfernung macht man dann wieder recht einfach, man legt ein grosses Lineal quer durch die Moorlandschaft und zählt einfach mit. Bisschen Schwierigkeiten machen lediglich die (geringe) Hügeligkeit der Landschaft, die Temperaturausdehnung des Lineals, Erschütterungen beim Anlegen und vermutlich die Mücken. Trotzdem schafften die Vermesser eine Genauigkeit von 0.003% für die gut 21km lange Strecke. Als Lineal nahmen sie fünf Holzstangen mit 5m Länge, gut geölt gegen den Einfluss der Feuchtigkeit und mit exakt bekannter Ausdehnung bei verschiedenen Temperaturen (beim Messen mussten sie dann die Temperatur mitschreiben). Ausserdem waren sie metallbeschlagen, damit sie nicht am Ende abbröseln. Dann bauten sie so eine Art "Wanderbrücke" quer über die Wiese. 50m Holzbohlen, auf höhenverstellbaren Dreibeinen gelagert und jedes Mal neu in die Waagerechte gebracht. Auf dieser Brücke wurden dann diese 5m-Stangen aufgelegt wobei ein windgeschütztes Lot mit Markierung am Boden dafür gesorgt hat, dass beim Auflegen der nächsten Stangen die erste nicht verschoben wurde. Nach 6 Wochen erreichten die 26 Soldaten Aufkirchen. Ich glaub, ich werd da mal anhalten und schaun, ob man von dort den Kirchturm von Aufkirchen sieht. Voller Respekt vor präzise arbeitenden Leuten mit langen geölten Stangen und schweren Brückenteilen mitten im Moor. Das Bild stammt aus dem München Wiki, steht unter dieser Lizenz und ist von Matthias Kern, die Karte ist aus Openstreetmap. Eine Erklärungen des Verfahrens gibts bei Alpentunnel.de. Dort gibts auch ein Faksimile des Bayerischen Triangulationsnetzes nebst zeitgenössischer Dokumentation als GIF zum Runterladen. Im Archiv von "Geomatik Schweiz" findet man im Heft 1/2007 einen 5-seitigen Artikel über die Vermessung mit einer Darstellung der Brücke auf den Dreibeinen. |
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Schnipsel am : Erdinger Moos ohne See und Flughafen