Als die Freien Wähler Aschheim sich ein wenig verhaspelt haben in ihrer Interpretation der Wahlordnung, fand ich das ja noch halbwegs in Ordnung. Zum einen war mir nicht ganz klar, ob sie über das Bürgerbegehren oder den darauf folgenden Bürgerentscheid geschrieben haben, zum anderen waren es ja auch nur die Freien Wähler. Das meine ich gar nicht abwertend. Das ist halt ein recht regional organisierter Verein ohne grossen Hintergrund an rechtskundigen Leuten, die man mal schnell um Rat fragen. Ausserdem haben die Freien Wähler doch noch rechtzeitig vor der Abstimmung eine Korrektur nachgeschoben und die Sache klargestellt.
Wenn allerdings die CSU auch nicht fragt und ohne eigenes Nachdenken den Boykottaufruf der FW einfach so übernimmt, rüttelt das ein wenig an meinem politischen Weltbild. Ich halte die CSU ja im grossen und ganzen für eine Ansammlung gerissener Spezln unter strenger Aufsicht noch gerissenerer Einserjuristen.
Jetzt stell ich fest, dass die nichtmal gerissen sind. Nebenstehendes Flugblatt kam eineinhalb Wochen vor der Abstimmung gleichzeitig mit der Korrektur durch die FW in unserem Briefkasten an:
...nehmen Sie an der Abstimmung nicht teil. Mit Ihrer Nichtteilnahme unterstützen Sie die bürgerfreundliche und zukunftsorientierte Haltung unseres 1. Bürgermeisters sowie der großen Mehrheit unseres Gemeinderates.
Ich versuch jetzt einfach mal, das komplizierte Prozedere eines Bürgerbegehrens mit eigenen Worten zu erklären...
Die Vorgeschichte
Ein Möbelhaus mit dem merkwürdigen Namen "XXXLutz" möchte sich in der Nähe von Aschheim ansiedeln. Möbelhäuser bringen viel Verkehr, brauchen Platz, bringen Geld, nehmen anderen Geschäften die Kunden weg
Die SPD ist dagegen, weil der ist das zu wenig Geld, zu wenig qualifizierte Arbeitsplätze, zu viel Verkehr, zu viel Platz, Kaufkraft wird aus den Zentren auf die grüne Wiese gezogen
Die CSU und die FW sind dafür, weil das schon viel Geld ist, garnicht so viel Verkehr (dafür kommt eine Umgehungsstrasse) und genug Arbeitsplätze
Die SPD initiiert ein Bürgerbegehren, das genügend Stimmen (über 500 von 5000 Wahlberechtigten) bringt, um einen Bürgerentscheid durchzuführen
Die Mehrheit des Gemeinderats erklärt das Bürgerbegehren für unzulässig (da waren sie noch rechtskundig...)
Verliert aber vor dem Verwaltungsgericht (oder doch nicht rechtskundig...)
Am 8.7. wird also der Bürgerentscheid stattfinden
Die Entscheidung
Ein Bürgerentscheid ist dann erfolgreich wenn
Die Mehrheit der gültigen Stimmen dafür ist ("gültige Stimmen"; da zählen nur die, die hingegangen sind)
und diese Mehrheit mindestens 20% der Wahlberechtigten sind ("Berechtigte"; da zählen alle. Auch die, die daheimgeblieben sind)
Egal wie man also abstimmen will, man sollte auf jeden Fall hingehen. Es gibt keine Möglichkeit, aus der 20%-Quorum-Regel in irgendeiner Richtung Kapital zu schlagen. Selbst wenn man hofft, dass tatsächlich weniger als 20% der Bürger zustimmen, können Gegenstimmen auf gar keinen Fall schaden. Und wer für das Begehren ist, muss sowieso hingehen, weil er muss ja helfen, die Mehrheit zu bekommen und das Quorum zu schaffen.
Wenn sich jetzt noch ein paar Leute durch die komplizierte Fragestellung verwirren lassen ("Ja, ich will, dass die Gemeinde für den Bau von Möbelmärkten keine planungsrechtlichen Voraussetzungen schafft..."), gerät die Entscheidung völlig zum Fiasko. Ich glaub, ich schau mir die Auszählung an, wird sicher lustig.
Eigentlich wollte ich ja für das Möbelhaus stimmen. Es geht mir zwar gegen den Strich, mit der Staatspartei einer Meinung zu sein, aber ich finde die Argumente der SPD auch nicht sonderlich überzeugend. Wenn ich allerdings sehe, dass unsere Mehrheitspartei nicht für ein Fünferl Verstand in die Sache steckt und stattdessen mit ziemlich undemokratischen Aufrufen zum Wahlboykott hantiert, kommen mir wieder Zweifel. Möglicherweise werden andere Dinge im Rat von den gleichen Leuten mit der gleichen Kompetenz behandelt und die SPD hat doch recht.
Über Politikverdrossenheit braucht man bei der CSU übrigens auch nicht mehr weinen, wenn die Wahlbeteiligung mal wieder nicht so hoch ist. Anscheinend hält man Nichtwählen dort für eine geeignete Methode, Minderheiten zu behindern. Funktioniert allerdings praktisch nie, selbst die
bayer_verfassung_erster_hauptteil.html#2.
wird an den abgegebenen Stimmen, nicht an den Berechtigten festgemacht.
Sie habens immer noch nicht begriffen. Heute, einen Tag vor der Abstimmung hat die CSU wieder dazu aufgerufen, den Bürgerentscheid in Aschheim zu boykottieren. Ich dachte ja, nach ihrer letzten Postwurfsendung hätte sie jemand aufgeklärt...
Ich hab gerade im Radio gehört dass das Bürgerbegehren gescheitert ist. “Gut 900″ Leute haben teilgenommen. 1042 Ja-Stimmen wären notwendig gewesen. Das Stimmverhältnis wurde leider nicht gemeldet.
Der Merkur bringts ge...