Thursday, 1. January 2009Dänemarks ZensurlisteBei Wikileaks ist zu Weihnachten die Zensurliste dänischer Provider mit Stand vom Februar 08 aufgetaucht. Dänemark ist ja eines der Länder, die unseren Vorkämpfern für Internetzensur als Vorbild dienen. Wenn man der Argumentation der Zensurfreunde folgt, ist natürlich eine Internetsperre nur das letzte Mittel im Kampf gegen Kinderpornographie, weil man anders an die Verbreiter nicht herankommt. Schliesslich werden diese Seiten in Ländern gehostet, in denen ein menschenverachtendes Rechtssystem herrscht, das sexuelle Ausbeutung von Kinder toleriert. Für die dänische Liste hab ich mal eine Auflösung nach Ländern gemacht, die geographischen Daten stammen aus der "GeoIP light"-Datenbank von Maxmind, zu 95-99% sollte die Auflösung stimmen. Von den 3863 Seiten auf der Liste waren 2112 auflösbar, der Rest hatte keinen DNS-Eintrag mehr, die Verteilung der 2112 Bösen aus dänischer Sicht sieht so aus:
Auch hier wird also, wie bei der Liste aus Finnland, ein Grossteil der Seiten in der christlich-abendländischen Welt mit recht homogenen Wertevorstellungen und Rechtssystemen gehostet. Es wäre Zeit für eine diplomatische Offensive gegen die Nachbarländer und die Freunde in Übersee, die diese Sauerei zulassen. Oder für eine kritische Überprüfung, ob andere Länder bei der Abwägung von Freiheit und Zensur vielleicht doch den richtigeren Weg gehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass für die Herstellung all dieser Seiten "Kinderseelen zerfetzt" wurden, wie sich unsere Familienministerin plakativ ausdrückt, die Regierungen dort nichts unternehmen und die dänische Justiz und Diplomatie tatenlos den Kinderschändern zusieht. Aber Zensieren ist natürlich viel einfacher. Man kanns heimlich machen und ist praktisch frei von jeglicher Kontrolle, schliesslich würde sich ein Kritiker als Freund von Schmuddelkram outen und wäre leicht zu diffamieren. Wer will schon öffentlich eingestehen, dass er 2000 Pornoseiten überprüft hat und dabei 100 Seiten gefunden hat, die gar keine Schweinereien enthalten, sondern nur politisch missliebige Meinungen. Ausserdem erzeugt man durch diskretes Filtern keine schlechte Stimmung beim nächsten Staatsempfang. Beim Schreiben dieses Beitrags hab ich übrigens auch gemerkt, wie Zensur wirkt. Immerhin hantiere ich hier mit Zeug aus dem Giftschrank des Netzes und hab eine Liste von ein paar tausend Links zu Pornoseiten (nix aufregendes, beliebige Permutationen der Worte teen, girl, boy, lolita und nude) auf dem Rechner. Ich darf mir das Zeug auch als Deutscher nicht ansehen, wirklich überprüfen kann ichs also nicht, muss ich auch nicht für diese Liste. Aber immerhin hat mein Rechner eine knappe Stunde damit verbracht, DNS-Anfragen nach diesen Seiten zu verschicken und wer weiss schon, was in Zeiten der Vorratsdatenspeicherung so alles irgendwo hängen bleibt... Tuesday, 23. December 2008Der größte Tatort
Zuerst dachte ich ja, es sei der total falsche Augenblick. Gerade wenn die Polizei ihre einzigen zwei Tatverdächtigen freilassen muss, weil deren Alibi sich doch als eher richtig rausgestellt hat, kommt einer von der Polizeigewerkschaft daher und erzählt was davon, dass man das Internet viel besser überwachen muss. Fast so, als seien die Täter plötzlich in einer Online-Welt untergetaucht.
Aber der Eindruck stimmt nicht. Die Floskel "Das Internet ist der größte Tatort der Welt" liegt seit mindestens 2 Jahren als vorformulierte Antwort in den Schubladen der Polizeigewerkschaft und wird vom Vorsitzenden immer verlesen, wenn man Personal oder Mittel möchte. Egal sich die Frage auf Killerspiele, Amokläufer, Jugendschutz oder Polizistenmörder bezieht: Es passt einfach immer. Was soll man auch sonst sagen... Das BKA hält übrigens das Internet in knapp 3% der Fälle für das Tatmittel, Gewalttaten sind dort praktisch unbekannt. Dass sich allerdings die dort begangenen Taten auf Betrug, Verbreitung von Pornographie und Urheberrechtsverstösse beschränkt, wundert auch mich. Das Internet bietet sich doch für alle Arten von Beleidigung, Verhetzung und Gedankenverbrechen an. Vielleicht surfen die Polizisten doch zu wenig.
Sunday, 7. December 2008Keine Scorpions-Cover für BritenPassend zur Diskussion zur Internetfilterung gegen Kinderpornographie zeigt das britische Filtersystem gerade, wozu es fähig ist: Die Wikipedia ist pornografisch. In England wird erst auf die IP-Adresse gefiltert. Verkehr zu verdächtigen IP-Adressen wird zu einem transparenten Proxy ausgeleitet. Dort wird dann noch einmal genau geschaut, welche Domain (evtl. welche URL) auf diesem Server aufgerufen wird und dann wird bei Bedarf gesperrt. IP-Adresse und URL kommen aus einer Liste, die die Provider pflegen und die auf Meldungen besorgter Bürger beruhen. Den zweiten Test besteht die Wikipedia im Grossen und Ganzen, lediglich wirklich schlimme Seiten wie deutsche Plattencover fallen in England unter Kinderporno und werden gesperrt. Der Besuch anderer Seiten, wie z.B. des Artikels über die Queen ist weiterhin ungestört möglich. Die Wikipedia reagiert auf diese Zwangsproxies ein bisschen allergisch. Für die kommen plötzlich alle britischen Besucher von einer handvoll IP-Adressen, eben den Zensurproxies der Provider. Das führt dann dazu, dass diese IP-Adressen für anonyme Änderungen an Artikeln gesperrt werden, wenn ein einzelner Besucher unangenehm auffällt. Lesen geht allerdings weiterhin für alle, editieren halt nur für angemeldete User. Es kann natürlich leicht sein, dass die Wikipedia in irgendeinem Kulturkreis strafbare Inhalte enthält, schliesslich kann jeder Idiot dort irgendwas hochladen oder schreiben. Ausserdem enthält die Wikipedia durchaus auch Artikel, die einem frommen Taliban oder unserer Familienministerin nicht gefallen würden. Berichten betroffener User zufolge ist z.B. zur Zeit der Artikel über "Virgin Killer", einer Scheibe der Scorpions aus dem Jahr 1976 und deren Cover, ein unbekleidetes Mädchen mit Sprüngen im Glas vor den Genitalien, für Untertanen ihrer Majestät zur Zeit nicht erreichbar. Das Cover wurde übrigens später durch etwas unverfänglicheres ersetzt, bei Amazon finde ich nur das neue Cover (Update 13:42) gibts aber auch die alte Version zu kaufen. Ich finde das ist ein schönes Beispiel, wie Filtern eben doch den Normalbürger betrifft, der kann halt dann die Wikipedia nicht mehr editieren. Und ich hoffe ein frei gehandeltes Cover einer deutschen Band ist kein typisches Beispiel dafür, was Frau von der Leyens Vorbild England alles an Schrecklichem sperrt. Und ich hoffe die Besucher der Wikipedia werden nicht mitgezählt bei der Riesenmenge blockierter Päderasten, die immer als Argument für die Notwendigkeit staatlicher Zensur herhalten müssen. Saturday, 6. December 2008Bayern speichert nicht mehr
Heute war bei Daten-Speicherung.de zu lesen, dass die Bayerische Staatsregierung davon abgebracht werden soll, die IP-Adressen der Besucher ihrer Webserver extrem lange zu speichern.
Bisher ist es so, dass die Regierung (also eigentlich das Statistische Landesamt als Hoster), der Landtag und die Polizei Besucheradressen ein Jahr speichert. Gelöscht wird jährlich im Januar. Diese Praxis steht natürlich im Widerspruch zu mindestens einem Gerichtsurteil, ist allgemein ein Verstoss gegen das Gebot der Sparsamkeit beim Erheben und Speichern von Daten und meines Erachtens auch völlig unnötig. Letztes Jahr hat sich ein aufmerksamer Besucher darüber beim Datenschutzbeauftragten beschwert und jetzt Antwort erhalten: Man wird das ändern, aber es wird noch ein bisschen dauern. Schön finde ich, dass auch gleich der Grund für die Speicherung wegfällt. Bisher mussten die Logfiles so lange aufgehoben werden, weil die Statistik jährlich liefen (auch sowas, wo ich mich frage, warum...) Nach Auswertung der jährlichen Zugriffe werden die protokollierten Daten gelöscht. Die Auswertung erfolgt monatlich und jährlich, die Löschung erfolgt jeweils im Januar des Folgejahres. In Zukunft sollen die Statistiken mit gekürzten IP-Adressen durchgeführt werden. Das reicht auch völlig. Mehr als ein "Unsere Internetpräsenz wurde nnn Mal aufgerufen ... E- Government ... Innovation..." will ja auch der Auftraggeber nicht haben.Es wird aber vermutlich noch ein bisschen dauern, im Moment hat unsere Datenschutzbehörde keinen allzu guten Stand: Der letzte Datenschutzbeauftragte ist in einem Steuersumpf verschwunden, liess ein 3/4 Jahr sein Amt ruhen und ist im Oktober zurückgetreten. Nachfolger ist noch keiner bestellt. Kann sein, dass die Leute dort auch ohne Chef ganz gut arbeiten, aber eine Behörde, die schon im Briefkopf so tut, als sei sie eine Person ("Der Bayerische Landesbeauftragte fuer den Datenschutz", Unterschrift: i.V. ...), sollte auch diese Person irgendwo rumsitzen haben, und wenns nur für Pressetermine ist... Saturday, 22. November 2008Filtern für Kinder
Diese Idee unserer Familienministerin, dass die Provider fleissig helfen sollen, Kinderpornoseiten zu sperren, könnte man ja gut finden. Nur leider erinnere ich mich noch zu gut an die Diskussion, die Daten von Toll Collect entgegen aller früheren Versprechungen auch für was anderes zu verwenden.
Andere sperrenswerte Dinge wird man auch schnell finden. Letztendlich könnte man ja die gleichen Regeln anwenden, die man bisher für die Entfernung von Inhalten auf Webseiten verwendet hat. Und irgendwo in dieser ganzen Bandbreite von Volksverhetzung bis Unlauterer Wetbewerb wird ein Innen- und Sicherheitspolitiker schon einen Fall finden, der unbedingt eine Erweiterung der Filter rechtfertigt, so wie beim Mautsystem: Es sei «fachlich nicht verantwortbar», dass angesichts des «zugemauerten» deutschen Mautsystems schwerste Verbrechen wie Mord möglicherweise ungestraft blieben, sagte Wiefelspütz der Netzeitung. «Das sollten wir so rasch wie möglich korrigieren.» Vorbilder für ein flächendeckend zensiertes Internet gibts auch schon, China kann uns da sicher ein paar deutsche Hersteller von Zensurgeräten nennen. Zumindest was Kinderpornographie betrifft, hätte z.B. Herr Uhl da keine Bedenken, von den Chinesen abzukupfern: Spätestens seit den Olympischen Spielen in Peking wisse man, was möglich sei: „Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.“ Ich hab eh so meine Zweifel, ob die gemässigten Filter der westlichen Welt wirklich funktionieren. Das britische und die skandinavischen Systeme hab ich mir mal angeschaut. So richtig überzeugend sind die nicht. Zum einen gehen alle davon aus, dass "Internet" und "World Wide Web" das gleiche ist (klar, die Auftraggeber denken das auch) und blenden P2P- oder Instant Messaging-Protokolle völlig aus, zum anderen erwischen sie anscheinend auch unschuldige Seiten. Die finnischen Bürgerrechtler sind jedenfalls nicht so begeistert von ihrem Filter. Aber vielleicht hat da die Frau von der Leyen recht. Die weiss ja offensichtlich schon, dass sie nur die Dummen fängt, aber das reicht, um den Markt zu zerstören. Wobei diese Vermutung bei anderen illegalen und verfolgten Dingen ja wiederum nicht stimmt, bei Drogen zum Beispiel treibt Verfolgung anscheinend nur den Preis nach oben. Aus Sicht der Opfer der Kinderpornographie ists aber eigentlich egal, ob wenige Kunden sehr viel zahlen oder viele Kunden einen Massenmarkt bilden. Irgendwie verstehe ich die Probleme bei der Verfolgung der Hersteller dieser Pornos eh nicht so richtig. Es dürfte ja kaum ein Land geben, in dem das Vergewaltigen von Kindern kein Verbrechen darstellt. Bestenfalls gibts kulturelle Unterschiede beim Schutzalter. Unsere Zielfahnder machen einen tollen Job beim Wiederfinden untergetauchter Staatsekretäre und verschwundener Baufinanzierer. Unser Justizministerium befindet sich im Dialog mit exotischen Dikataturen und hilft ihnen, ein Justizsystem nach unserem Standard aufzubauen. Bei so viel internationaler Zusammenarbeit müsste doch schon was beim Hersteller der Filme oder wenigstens beim Hoster einer Seite zu machen sein. Mindestens der Hoster wird ja mit seinem Server nicht gerade im Dschungel untertauchen sondern sollte für Polizei und Justiz seiner Heimat erreichbar sein. Auf der finnischen schwarzen Liste stehen 1037 Seiten mit illegalem Inhalt. Davon werden
Wir brauchen eine weltweite Ächtung. Die bittere Wahrheit ist, dass bisher nur die Hälfte der Länder Kinderpornografie ächtet. Das heißt, die andere Hälfte toleriert sie. Das werden wir bei einer Kinderschutzkonferenz in der kommenden Woche in Rio zum Thema machen. Ich vermute eher, es gibt keinen Konsens zwischen uns, den USA und den Niederlanden, was Kinderporno genau ist. Ansonsten könnte eine Mail an die Behörden dort ganz schnell 90% aller Kinderpornoseiten aus dem Netz schiessen. Die meissten dieser Seiten (ich habs nicht vollständig geprüft...) enthalten Darstellungen wie nebenstehender Putto. Der hat allerdings das Glück, aus dem 15 Jahrhundert zu stammen und darf deshalb ganz legal im Herzogspalast in Mantua rumflattern. (Bild aus der Wikipedia: "Freskenzyklus in der Camera degli Sposi im Palazzo Duccale in Mantua, Szene: Weihetafel, von Putti getragen" von Andrea Mantegna, 1474, unter GNU Free Document License)
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