Diese
Idee unserer Familienministerin, dass die Provider fleissig helfen sollen, Kinderpornoseiten zu sperren, könnte man ja gut finden. Nur leider erinnere ich mich noch zu gut an die Diskussion, die Daten von Toll Collect entgegen aller früheren Versprechungen auch für was anderes zu verwenden.
Andere sperrenswerte Dinge wird man auch schnell finden. Letztendlich könnte man ja die gleichen Regeln anwenden, die man bisher für die Entfernung von Inhalten auf Webseiten verwendet hat. Und irgendwo in dieser ganzen Bandbreite von Volksverhetzung bis Unlauterer Wetbewerb wird ein Innen- und Sicherheitspolitiker schon einen Fall finden, der unbedingt eine Erweiterung der Filter rechtfertigt, so wie beim
Mautsystem:
Es sei «fachlich nicht verantwortbar», dass angesichts des «zugemauerten» deutschen Mautsystems schwerste Verbrechen wie Mord möglicherweise ungestraft blieben, sagte Wiefelspütz der Netzeitung. «Das sollten wir so rasch wie möglich korrigieren.»
Vorbilder für ein flächendeckend zensiertes Internet gibts auch schon, China kann uns da sicher ein paar deutsche Hersteller von Zensurgeräten nennen. Zumindest was Kinderpornographie betrifft, hätte z.B. Herr Uhl da keine Bedenken, von den
Chinesen abzukupfern:
Spätestens seit den Olympischen Spielen in Peking wisse man, was möglich sei: „Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.“
Ich hab eh so meine Zweifel, ob die gemässigten Filter der westlichen Welt wirklich funktionieren. Das
britische und die
skandinavischen Systeme hab ich mir mal angeschaut. So richtig überzeugend sind die nicht. Zum einen gehen alle davon aus, dass "Internet" und "World Wide Web" das gleiche ist (klar, die Auftraggeber denken das auch) und blenden P2P- oder Instant Messaging-Protokolle völlig aus, zum anderen erwischen sie anscheinend auch unschuldige Seiten. Die
finnischen Bürgerrechtler sind jedenfalls nicht so begeistert von ihrem Filter.
Aber vielleicht hat da die Frau von der Leyen recht. Die weiss ja offensichtlich schon, dass sie nur die Dummen fängt, aber das reicht, um den Markt zu zerstören. Wobei diese Vermutung bei anderen illegalen und verfolgten Dingen ja wiederum nicht stimmt, bei Drogen zum Beispiel treibt Verfolgung anscheinend nur den Preis nach oben. Aus Sicht der Opfer der Kinderpornographie ists aber eigentlich egal, ob wenige Kunden sehr viel zahlen oder viele Kunden einen Massenmarkt bilden.
Irgendwie verstehe ich die Probleme bei der Verfolgung der Hersteller dieser Pornos eh nicht so richtig. Es dürfte ja kaum ein Land geben, in dem das Vergewaltigen von Kindern kein Verbrechen darstellt. Bestenfalls gibts kulturelle Unterschiede beim Schutzalter. Unsere Zielfahnder machen einen
tollen Job beim Wiederfinden untergetauchter Staatsekretäre und verschwundener Baufinanzierer. Unser Justizministerium befindet sich im
Dialog mit exotischen Dikataturen und hilft ihnen, ein Justizsystem nach unserem Standard aufzubauen. Bei so viel internationaler Zusammenarbeit müsste doch schon was beim Hersteller der Filme oder wenigstens beim Hoster einer Seite zu machen sein. Mindestens der Hoster wird ja mit seinem Server nicht gerade im Dschungel untertauchen sondern sollte für Polizei und Justiz seiner Heimat erreichbar sein.
Auf der finnischen schwarzen Liste stehen 1037 Seiten mit illegalem Inhalt. Davon werden
- 75% in den USA gehostet
- 13% in den Niederlanden
- 4% in Grossbritannien
- 2% in Russland
- 1% in Deutschland Australien, Tschechien und Kanada
- Einzelne Seiten in Thailand, Japan, Israel, Korea ...
Vielleicht fehlt es garnicht an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit, wie die
Ministerin meint:
Wir brauchen eine weltweite Ächtung. Die bittere Wahrheit ist, dass bisher nur die Hälfte der Länder Kinderpornografie ächtet. Das heißt, die andere Hälfte toleriert sie. Das werden wir bei einer Kinderschutzkonferenz in der kommenden Woche in Rio zum Thema machen.
Ich vermute eher, es gibt keinen Konsens zwischen uns, den USA und den Niederlanden, was Kinderporno genau ist. Ansonsten könnte eine Mail an die Behörden dort ganz schnell 90% aller Kinderpornoseiten aus dem Netz schiessen. Die meissten dieser Seiten (ich habs nicht vollständig geprüft...) enthalten Darstellungen wie nebenstehender Putto. Der hat allerdings das Glück, aus dem 15 Jahrhundert zu stammen und darf deshalb ganz legal im Herzogspalast in Mantua rumflattern.
(Bild aus der Wikipedia: "Freskenzyklus in der Camera degli Sposi im Palazzo Duccale in Mantua, Szene: Weihetafel, von Putti getragen" von Andrea Mantegna, 1474, unter GNU Free Document License)
Schnipsel am : Dänemarks Zensurliste
Schnipsel am : Landkarte der zensierten Server
Schnipsel am : Australiens Filterliste