Sunday, 5. October 2008flexible Koalitionen
Wenn ich mir die Kommentare zum Bauerntheater unserer zukünfigen Landesväter so ansehe, glaub ich, die Leute haben irgendwie den historischen Weitblick verloren. Keiner kann sich daran erinnern, dass es durchaus mal eine äusserst flexible CSU gab, die mit einem Parlament voller Kleinparteien zurechtkam. Dass es mal Zeiten gab, in denen die "Volksparteien" nicht wie selbstverständlich zusammen 70% der Wähler hinter sich hatten, sogar Viererkoalitionen gegen die CSU möglich waren. Und ein Parlament, das aus mehr als vier Fraktionen besteht war mal was ganz normales, ohne dass man diese Zersplitterung als Gefahr sah.
(alle Kabinette gibts bei der Staatsregierung aufgelistet) Aus dieser Vielzahl von Kombinationen könnte man doch heute noch was auswählen, historische Ansprüche kann man jedenfalls beliebig viele herleiten. Auf den "Wählerwillen" haben sich sicher auch sämtliche Ministerpräsidenten berufen. Was mir noch auffällt in der Politik der 50er und 60er-Jahre:
Eine interessante Online-Quelle für bayerische Politik der Nachkriegszeit ist übrigens die Homepage von Hildegard Kronawitter. Die ehemalige Landtagsabgeordnete hat ein paar ihrer Aufsätze online gestellt. Viel aktuelle Politik, aber eben auch historisch Wissenswertes aus der Münchner und der bayerischen SPD-Politik. Aus ihrem Hoegner-Aufsatz stammt auch die CIA-Geschichte und der "antifaschistische Block" aus CSU, SPD und KPD. Thursday, 25. September 2008SPD klagt gegen Landestrojaner
Ich hab mir mal die Verfassungsbeschwerde der bayerischen SPD (bzw. vier ihrer Abgeordneten) angesehen. Im Prinzip das was seit der Ankündigung im Juli zu erwarten war. Kein Infragestellen der Heimlichkeit dieser Durchsuchung, die ja bei real live-Durchsuchungen immer als ganz schrecklich galt, stattdessen ein paar Detailfragen, etwa dass die Wohnung zur Installation betreten werden muss und dass der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht klar genug geregelt ist. Wobei mir ja auch nicht klar ist, was dieser Kern sein soll... Bettgestöhne, ein Gespräch über das zukünftige gemeinsame Leben, Klagen über den momentanen Gesundheitszustand?
Die SPD hats aber auch nicht leicht mit der Computerüberwachung durch den rechten Rand des Parlaments. Schliesslich hat der bayerische SPD-Mann Schily den Bundestrojaner eingeführt und seine treuen Genossen Wiefelspütz, Zypries und Ziercke verteidigen das Schnüffeln immer noch fleissig. Da lässt sich kaum was gegen die Union sagen, die sich eigentlich erst dadurch mit Verfassungsbeschwerden angreifbar macht, dass sie ihre Viren jetzt neuerdings legal installieren will, statt wie das Innenministerium der alten Regierung das Zeug einfach rechtswidrig einzusetzen. Obwohl die SPD eine ganze Menge Punkte gefunden hat, wo dieses Landesgesetz über die vom Verfassungsgericht vorgegebenen Grenzen hinausgeht (oder daneben vorbei...), ist das Innenministerium zuversichtlich: "Wir orientieren uns mit unseren Gesetzen zur Online-Datenerhebung sowohl im Polizeiaufgabengesetz als auch im Verfassungsschutzgesetz strikt an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts." Das stimmt natürlich nicht ganz. Die Frage, ob Behörden Daten ihrer Bürger einfach ändern dürfen (in Bayern erlaubt, sogar präventiv), stand beim BVerfG zum Beispiel nicht zur Diskussion, nicht mal spekulativ, so weit reichte die Vorstellungskraft der Richter vielleicht auch nicht. Selbst die Änderung durch die Installation selbst fanden sie schon grenzwertig. Aber der Satz klingt einfach gut, ebenso wie der fleissige Hinweis auf Terroristen. Eine Online-Datenerhebung darf nur in wenigen Ausnahmefällen bei einer Person angeordnet werden, bei der Hinweise z.B. auf die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorliegen. Abgesehn davon, dass man heutzutage recht schnell so einer Organisation angehört, wenn man was falsches schreibt hätte Herr Hermann auch "Eingriff in der Eisenbahnverkehr" als Beispiel nehmen können. Jahrelang ein Dauerbrenner bei der Durchsetzung der Castortransporte und ebenfalls ein Tatbestand der den Landestrojaner erlaubt. Aber ich bin ja schon froh, wenn er wenigstens nur Terroristen nennt, seine Justizkollegin hätte der Gelegenheit nicht widerstehen können, "Kinderpornos" unterzubringen. Mit dem Hinweis auf die ungewöhnliche Regsamkeit der SPD in Wahlkampfzeiten hat Herrmann natürlich recht, aber schliesslich gibt es kein Klageverbot gegen die Gesetze im letzten Vierteljahr einer Legislaturperiode. Und 3 Monate zur Klagevorbereitzung ist ja auch nicht übertrieben, Staatsanwaltschaften brauchen selbst für einfache Verfahren oft länger. Ausserdem ist es auch gar nicht mehr gross nötig den Überwachungsstaat der CSU im Wahlkampf an die Wand zu malen. Er hängt dort nämlich schon. Fast sämtliche kleineren Parteien haben ein paar Plakate gegen Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Landestrojaner geklebt. Find ich ganz gut. Selbst wenns unkonkret bleibt, das Gefühl "Der Staat wanzt sich irgendwie in meinen Computer rein und will mir nachspionieren" trägt langfristig zur Sensibilität in Bürgerrechtsfragen bei. Tuesday, 16. September 2008Ungeschickt...
Ich habs mit fast allen Promillerechnern probiert, die ich auf der ersten Google-Seite gefunden habe. Und Herr Beckstein hat recht, man ist nach 2 Mass Bier noch fahrtüchtig. Allerdings nur, wenn man bei Kabel 1 trinkt rechnet.
Alle anderen, wie z.B. MSN, Onmeda, Promillerechner und Bartime, rechnen da wesentlich vorsichtiger und raten mir zum öffentlichen Nahverkehr. Im Selbstversuch will ich das nicht ausprobieren. Nach der Menge komme ich schon langsam in den Bereich, wo ich mich Becksteins Meinung anschliessen könnte. Ausserdem schmeisst mich die Bedienung raus, wenn ich in 7 Stunden lediglich 2 Mass konsumiere, urige bairische Gemütlichkeit hin oder her. Das schnell nachgeschobene Im Bierzelt sei eine Maß eh nur ein gut eingeschenkte Halbe seines Sprechers, finde ich wahlkampftaktisch auch nicht geschickt. Mit einem kulturell und wirtschaftlich so wichtigen Wirtschaftszweig wie den Bierzeltbetreibern würde ich mich nicht anlegen, wenn der Wahltag auf das zweite Wiesnwochenende fällt. Die Unterstellung, Finanzamt und Kunden um knapp 50% zu bescheissen, finden die Wirte sicher nicht so lustig. Wäre doch schade, wenn der Ministerpräsident seinen eigenen Anstich im Hofbräuzelt veranstalten müsste, die könnten ihn als Pächter eines Staatsbetriebes ja schlecht vor die Türe setzen (und sind als solcher sicher unverdächtig, ihren Gästen die Hälfte zu unterschlagen). Im Schottenhamel beim richtigen Anstich, wird dagegen Spaten ausgeschenkt, ein privat gebrautes Produkt aus dem Hause InBev, die müssen nicht unbedingt jeden Freibiertrinker reinlassen. Dabei lief bisher alles so gut mit den Brauern. Selbst unsere stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Arbeit- und Sozialordnung, Familie und Frauen bescheinigte ihnen noch letzte Woche, dass Bier nicht das Problem ist. Das ist der Schnaps. Dann Prost! Monday, 15. September 2008CSU wählen heisst Köhler wählen
Hätte ja garnicht gedacht, dass die CSU unseren Bundespräsidenten so mag, aber vielleicht hat sich dass ja gebessert, als er diesen Terroristen nicht begnadigt hat. Ausserdem dachte ich, dass die Union dieses hohe Amt aus den Niederungen ihres Wahlkampfes raushalten würde, auch wenn Huber damit schonmal gedroht hat. Aber ich hab mich getäuscht. Die fünfte der fünf "Kernbotschaften der Schlussphase" des Wahlkampfs ist
Die CSU unterstützt die Wiederwahl unseres erfolgreichen und beliebten Bundespräsidenten. Jede Stimme für die CSU bei der Landtagswahl wird dazu beitragen, dass Horst Köhler Bundespräsident in Deutschland bleibt. Saturday, 13. September 2008Erst- und Zweitstimmen
Wir mussten mit Schrecken feststellen, dass wir bisher vermutlich immer falsch gewählt haben. Hat uns ja auch keiner gesagt, dass die Sache mit den Erst- und Zweitstimmen für die Landtagswahl ganz anders läuft als im Bund. Der übliche Gedankengang war bei uns immer
"Ich will die Partei A im Parlament haben. Den Stimmkreiskandidaten dieser Partei mag ich aber nicht. Ausserdem wirds hier in der Gegend eh immer der von der Partei C. Verschenken will ich aber meine Stimme nicht, also wähle ich den von der Partei B, den finde ich sympathisch und der freut sich auch über 12%." Sowas kann man bei der Bundestagswahl machen. Da entscheidet wirklich (fast) nur die Zweitstimme über die Stärke der Fraktionen. In Bayern ist das anders, da entscheidet die Summe der Erst- und Zweitstimmen der Kandidaten über die Sitze einer Partei: Für die Sitzverteilung im Landtag werden - auch das ist eine Besonderheit - Erststimmen und Wahlkreis-(Zweit)stimmen zusammengezählt und nach dem Grundsatz der Verhältniswahl in Mandate umgerechnet. Im Gegensatz zur Bundestagswahl, bei der für die Fraktionsstärke nur die Zweitstimme von Bedeutung ist, kommt es bei der Wahl zum Bayerischen Landtag sowohl auf die Erststimme als auch auf die Wahlkreis-(Zweit)stimme an. Schön erklärt wird das Wahlrecht auch bei Wahlrecht.de: Die Zahl der aus der Wahlkreisliste einer Partei zu vergebenden Sitze wird um die Zahl der direkt errungenen Sitze ihrer Bewerber vermindert. Der sich nunmehr ergebende Rest wird an die Bewerber der Liste – bei Nichtberücksichtigung bereits in den Stimmkreisen erfolgreicher Bewerber – nach Maßgabe der von ihnen erreichten Stimmen verteilt. Dabei werden die Stimmen die ein Bewerber im Stimmkreis und auf der Liste erhalten hat, herangezogen. Das heisst, wir haben bisher vermutlich die Hälfte unserer Stimmen verschenkt (genau wissen wir aber nicht mehr, was wir gewählt haben). Ausserdem dachten wir bis jetzt immer, dass kleine Parteien nur durch die 5%-Hürde gebremst würden (landesweit übrigens, ohne Bonus für errungene Direktmandate wie es sie im Bund gibt). Stimmt aber nicht, die verschenken auch die Hälfte ihrer potentiellen Stimmen, wenn sie nicht in jedem Wahlkreis einen Vertreter aufstellen. Gefunden hab ich diese neue Erkenntnis nicht beim oben verlinkten Landtag sondern bei der Bayernpartei. Die hat eine ganz lesenswerte Wahlkampfzeitung rausgebracht mit kleinen Kästchen weit verbreiteter "Wahlirrtümer". Dort ist unser Fehler der Irrtum Nummer III, was uns das gute Gefühl gibt, in unserer Dummheit nicht allein zu sein.
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