Wednesday, 27. May 2009Peterskarte
Und weil ich grad am suchen nach Abbildungsvorschriften war, hab ich noch die Peters-Projektion eingebaut, das ist die Karte da rechts oben. Die Karte finde ich zwar hässlich, aber die Idee dahinter finde ich schon irgendwie bemerkenswert, und die Geschichte interessant: Arno Peters war Historiker, der sich daran gestört hat, dass die reichen Gesellschaften Europas und Nordamerikas so arrogant auf den Rest der Welt herabblicken. Als Mitursache dieser Haltung hat er die schlichte Gewöhnung an dieses Weltbild angesehen. Wir werden in der Schule fast ausschliesslich über Kulturleistung unserer europäischen Vorfahren unterrichtet, bestenfalls in der Antike tragen auch Ägypter und Mesopotamier ein wenig dazu bei. Ostasien wird vor Marco Polo praktisch nicht erwähnt, die Ming-Dynastie kennen wir nur als Schöpfer sauteurer Vasen. Dieser Fehlleistung unserer Geschichtslehrpläne hat er versucht, durch eine eigene Weltgeschichte gegenzusteuern.
Das ist alles nicht die Schuld Gerhard Mercators. Der Mann wusste schon im 16. Jahrhundert, dass seine Projektion für Weltkarten nichts taugt. Sein Ziel beim Kartenmachen war, die Seefahrt zu erleichtern. Das hat er auch geschafft, mit seiner Karte klappt ein Trick, der bis dahin nicht funktioniert hat: Man kann auf der Karte einen Strich vom momentanen Standort zum Zielhafen machen, die Richtung mit dem Geodreieck ablesen, bei der abgelesenen Gradzahl eine Kerbe in den Schiffskompass machen und dem Mann am Steuer einschärfen, dass er einfach immer das Schiff auf diesem Kurs halten muss. Falls man nicht seitlich abgetrieben wird, landet man so ohne gross rumzurechnen am Ziel. Die Berechnung der Entfernung ist komplizierter, aber dafür hatte man Tabellenbücher und ausserdem muss man die nicht dem nautisch ungeschulten Mann am Steuer erklären.
Als Gegenentwurf zu dieser Darstellung stellte Peters 1974 seine eigene Projektion vor. Er war der Ansicht, dass ein Land sich vor allem durch seine Fläche Geltung verschafft, und dass es eine Frage der Fairness sei, die Dritte Welt gegenüber den Industriestaaten karthografisch nicht zu benachteiligen. Es gab zwar schon vorher flächentreue Kartenentwürfe, aber die waren ihm entweder zu sehr in die Breite gezogen oder hatten eine ovale Form und konnten deshalb die Nord-Süd-Richtung nicht überall parallel zum Kartenrand zeichnen. Es gab sogar schon vor ihm seit 1855 eine gleichwertige Darstellung von James Gall, die allerdings inzwischen vergessen worden war. Ausserdem nutzte Peters die Gelegenheit, auch das 360-Grad-Netz durch ein dezimales zu ersetzen und die Datumsgrenze in die Beringstrasse zu verschieben.
Die Diskussion um das richtige Bild wurde mit ziemlicher Schärfe geführt. Auf der einen Seite vermutete man linke Spinner, die aus ideologischen Gründen eine verzerrte Sicht auf die Welt durchsetzen wollten. Auf der anderen Seite sah man die rassistischen Anhänger des Kolonialismus, die unbedingt den Machtanspruch des weissen Mannes beim Kartenzeichnen dokumentieren wollten. Die Zuordnung zum Lager konnte man leicht an der Bezeichnung erkennen die für die Abbildung verwendet wurde, entweder "Peters-Projektion" oder "Galls orthographische Zylinderprojektion" oder als Kompromiss "Gall-Peters-Projektion".
Mich wundert allerdings, dass diese Diskussion nicht wieder aufflammt. Kaum jemand blättert heute noch in inzwischen gesäuberten Schulatlanten. Dafür nützt jeder irgendwelche Karten aus dem Internet. Und egal ob man dort die Karten von Google, von Microsoft oder von Openstreetmap nimmt, man trifft auf Mercatorkarten. Natürlich auch bei allen, die diese Karten weiterverwenden, der "ZDF-Geothek" zum Beispiel. Der Grund dafür ist einfach, die wollen keinen Wechsel der Projektion beim rein- und rauszoomen und lieber stellt man ein "gewohnt" übergrosses Grönland in der Weltansicht dar, als dass man auf Strassenkartenniveau Kreisverkehre in Helsinki eiförmig darstellt zugunsten runder in Buenos Aires. Nicht-rechteckige Abbildungen würden dort sowieso nicht funktionieren, weil die Karten in Kacheln organisiert sind, die im Browser lediglich aneinandergesetzt werden. Da kann man keine Unterschiede machen, ob die gewünschte Kachel gerade in der Mitte der Abbildung oder an deren Rand liegt, gekrümmte Kartenränder scheiden also aus. Erklärung für das Ausbleiben der Diskussion hab ich keine. Entweder sind die altlinken Erdkundelehrer inzwischen ausgestorben, oder sie schauen zumindest nicht ins Internet. Oder man hat eingesehen, dass die Manipulation durch die Medien mittels Hintergrundbilder doch nicht so gross ist, wie befürchtet. Vielleicht sind aber "Dritte-Welt-Themen" auch wieder völlig aus der Mode gekommen... Das Bild vom Sitzungssaal im Auswärtigen Amt stammt aus dem Bundesarchiv und steht bei der Wikipedia unter GNU FDL. Tuesday, 19. May 2009Malen nach ZahlenIch hab mir gedacht, wenn ich schon die shapefiles der neuen bunten Karten und Listen mit Ländercodes und eingedeutschten Ländernamen für den Geocounter rumliegen hab und auch schon für andere Dinge, wie z.B. die Verteilung der Tor-Server in der Welt verwende, kann ich auch gleich was nützliches draus bauen. Ich hab natürlich wie immer den Aufwand völlig unterschätzt, der zwischen "Ich hack ein paar Werte in eine Datenbank, fummel an einem Script rum und erzeuge eine Grafik" und "Ich lass fremde Leute ihre Werte und Lieblingsfarben in ein Formular eingeben und ihre eigenen Karten erstellen" liegt. Aber dank fleissiger Unterstützung meiner usability-consultants ist was halbwegs nutzbares rausgekommen.
Das ganze funktioniert nur mit statistischen Werten, die man nach Staaten sortiert vorliegen hat, für andere geographische Einteilungen (Klima-, Vegetationszonen) fehlen mir einfach die Daten. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gibts auch Karten bis zur nächsten Verwaltungsebene der Bundesländer und Kantone. Zu erreichen ist die Kartenwerkstatt unter http://geo.dianacht.de/makemap/, man muss ein bisschen Geduld mitbringen, die Datenbank hier ist nicht so schnell. Als Exportformat stehen PNG für Bitmaps und SVG als Vektorgrafik zur Verfügung. Ich würde dafür allerdings die Beschriftung der Karte ausschalten. So richtig schön werden nämlich die automatischen Beschriftungen nicht plaziert, der anspruchsvolle Benutzer ist mit einer leeren Grafik zur nachträglichen Bearbeitung sicher besser bedient. Nachtrag: Ich hab mir neue Shapefiles besorgt. Jetzt langt die Namensnennung.
Geschrieben von Max
in Bastelspass, Geocounter, Landkarten
um
19:48
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Wednesday, 13. May 2009Fünf-Prozent-Hürde
Das Ablesen ist recht einfach. Wenn die Wahlbeteiligung im Bund z.B. bei 50% liegt, die in Bayern aber nur bei 35%, hätte man mit dem CSU-Ergebnis der letzten Landtagswahl verloren und wüsste wieder nicht, wohin mit der Europakandidatin Hohlmeier. Ein Ergebnis wie zur EU-Wahl 2004 hätte dagegen völlig gereicht. Wenn man die Wahlbeteiligung von 2004 als Grundlage nimmt, würden auch 36% für die CSU reichen. Die Gefahr ist realistisch, schliesslich sind Wahlbeteiligungen zu Europa eher gering. Da könnte es leicht sein, dass der bayerische Unionswähler lieber zum Baden fährt, während z.B. die Leute in den 7 Bundesländern mit gleichzeitiger Kommunalwahl schon zur Wahl gehen (und dort vielleicht sogar CDU wählen, aber halt nicht CSU). Ausserdem hat die CSU in den letzten zehn Jahren bei keiner Wahl an Stimmen zugelegt, das könnte ein Trend sein... Ich fürchte allerdings, es wird nicht bei 44% CSU-Wähler bleiben. Mancher Wähler wird sich vermutlich nicht mehr daran erinnern, dass er das letzte Mal das Kreuz bei den Freien Wählern gemacht hat. Vermutlich hat er auch vergessen, warum er das eigentlich getan hat und dass seine letztjährigen Favoriten immer noch im Landtag sitzen. Der eine oder andere wird sicher in seine traditionelle schwarze politische Heimat zurückkehren.
Tuesday, 12. May 2009Landestrojaner muss durchs KabelSo richtig toll konnte sich die FDP als neuer Koallitionspartner der Staatspartei bei der Online-Durchsuchung nicht profilieren. Nur ein Kritikpunkt bei unserem Landestrojaner wurde beseitigt:
Ausserdem soll in der neuen Fassung, die demnächst ins Parlament kommen soll, ein grösseres Richtergremium die Anordnung unterschreiben (ausser in Eilfällen, da darfs jeder Polizeipräsident oder Geheimdienstchef). Ein bisschen was ist damit schon gewonnen, immerhin müssen die Spione sich Mühe geben und was schönes programmieren, statt einfach einzubrechen und einen Keylogger anzustecken. Und man läuft nicht Gefahr, dass die Ordnungshüter mehr rumschnüffeln als sie dürfen, wenn sie schonmal heimlich im Wohnzimmer stehen. Ich stells mir ja schon schwer vor, sich da diszipliniert auf den einzig erlaubten Gegenstand in der Wohnung, nämlich den Computer zu konzentrieren... Die weiteren fragwürdigen Punkte unseres bayerischen Schadprogramms (präventive Veränderung von Daten, schwache Abgrenzung des privaten Bereichs) wird man halt wider in Karlsruhe klären lassen müssen, die SPD hat ja da noch eine Vorlage vom letzten Mal. Thursday, 7. May 2009Die wollen nur spielenWas machen unsere Politiker eigentlich wenn sie durch sind mit unsinnigen aber plakativen Aktionen zur Bekämpfung aktueller Probleme? Kommt dann wieder der Reformstau nach der Wahl und eine Periode der Regierung mit der ruhigen Hand? Ich glaube, ich kann ja ungefähr beurteilen, wie wichtig ein Paintball-Verbot für unser aller Wohl und Schutz vor Amokläufern ist. Ich fahre ein- oder zweimal im Jahr ins befreundete Ausland, wo der Arm des Bayerischen Innenministeriums nicht hinreicht und baller dort mit Farbkugeln auf Gleichgesinnte, bin aber sonst eher unkriegerisch veranlagt. Der klassische Amokläufer (sofern er nicht altersmässig der Kategorie "verbitterte Senioren mit Zugang zu Schusswaffen" angehört), ist ja mehr der frustrierte einzelgängerische Schüler mit Zugang zu Schusswaffen. Und solche Typen treiben sich auf den Spielfeld eher nicht rum. Es ist auch schwer vorstellbar, dass solche Leute sich zu Gruppen zusammenschliessen um einem ausgesprochenen Teamsport nachzugehen.
Trotzdem: Die Typen da sind friedlich, die wollen nur spielen! Nichts riecht da nach Kampf, kein Nazi erzählt vom Krieg und niemand will sein Heimatdorf mit Farbklecksen auslöschen. Richtig ernst nimmt die Sache dort auch keiner, nichtmal die Vielspieler (die erkennt man daran, dass sie ihren eigenen Marker haben und nicht in Flecktarnsäcken rumrennen), zumindest nicht wenn die mit den Amateuren zusammen spielen. Unter sich sind die vielleicht verbissener, aber da gehts vermutlich um Punkte und Tabellenstände, weniger um die Umsetzung des Erlernten ausserhalb des Spielfelds. Das richtige Menschentöten hab ich übrigens viel früher gelernt, nicht mit Markern, sondern mit G3, P1, Uzi, MG3 und Handgranaten. Da war ich jung und dumm und für die Propaganda aggressiver Ideologien anfällig. Damals wäre ein bisschen Paintball in der Ausbildung nicht schlecht gewesen. Da lernt man nämlich, dass man im echten Farbkugelhagel keine Viertelstunde im Spiel bleibt und egal wie viele Gegner man vorher erwischt, am Ende bunt ist. Eine Erkenntnis, die bei Soldaten und politischen Entscheidungsträgern eher friedensstiftend wirken könnte wenn die Entscheidung ansteht, ob von Deutschem Boden je wieder ein Robustes Mandat ausgehen soll.
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