Ich mag ja
Selbstversuche zum Thema Datenschutz und deshalb musste ich gleich mal
OPEN-TRACE ausprobieren. Ein Tool vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, das man als einfachen Webproxy verwendet. Das merkt sich die Besucher per gesetztem Cookie, schaut einem dann beim surfen über die Schulter und liefert anschliessend ein Persönlichkeitsprofil. Gefunden hab ichs bei den
Gulli News.
Nach einer halben Stunde "normalem Surfen" war mein Profil klar:
Sie nutzen das Internet überwiegend privat, vor allem in der Zeit von 19 bis 20 Uhr und überwiegend von Berlin aus. Sie sind gleichgeschlechtlichen Kontakten nicht abgeneigt. (u.a. 12.65% gayromeo.com lt. Positivliste). Sie informieren sich außergewöhnlich viel über das aktuelle Geschehen (u.a. 26.53% heise.de lt. Positivliste). Sie sind über das normale Maß hinaus am politischen Tagesgeschehen interessiert (u.a. 19.83% bundestag.de lt. Positivliste). Sie verlassen sich bei der Auswahl ihrer Quellen weitestgehend auf das Internet (u.a. 13.23% google.com lt. Positivliste). Ihr Transportverhalten ist von Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt geprägt (u.a. 13.23% heise.de lt. Positivliste). Sie bevorzugen den elektronischen Kontakt zu Ihrem Bekanntenkreis (u.a. 10.93% heise.de lt. Positivliste).
Wie sie auf Berlin kommen, weiss ich nicht. Ein kurzer
Gegencheck verortet meine IP-Adresse schon korrekt in München. Der Rest stimmt, naja, so halb. Irgendwie muss ich den Einfluss von Gayromeo noch wegbekommen. Dieses "Transportverhalten" (nur wegen
eines Artikels auf Heise) ist auch ärgerlich und dass ich bei Heise Kontakt zu Bekannten pflege ist schon sehr aus der Luft gegriffen.
Also zuerst mal die Umweltsau vernichten: Das war einfach. Kurz zu Greenpeace gesurft, zwei oder drei Artikel über Energiesparlampen gelesen und schon war mein Verhältnis zur Umwelt wieder in Ordnung.
Ok, weiter mit den gleichgeschlechtlichen Kontakten...
Schnell zu Google, schliesslich "verlasse ich mich ja auf die Internetquellen".
Frau gesucht und erstmal alles über "Azize -- Sekretärin aus Leidenschaft!" geschmökert, weiter zu bildderfrau.de, dort die Lammkotelettrezepte gelesen und schon hatte ich den Salat:
Sie bevorzugen seichte, leicht zu konsumierende Unterhaltungsangebote (u.a. 14.06% bildderfrau.de lt. Positivliste)
Das andere stand immer noch drin.... Vielleicht mal was katholisches. Ist natürlich ziemlich dämlich, Katholizismus schützt eher vor Kontakt zu Frauen als zu Männern, aber vielleicht hat so ein Automat andere Vorurteile als ich...
Hat wieder nichts geholfen. Nach der Lektüre einschlägiger Seiten war ich nicht nur seicht, sondern auch noch Esoteriker:
Sie lassen sich von höheren Mächten leiten (u.a. 9.66% benedikt-xvi.de lt. Positivliste).
Gut, bevor ich alles noch schlimmer mache, versuche ich erstmal die Seichtigkeit wegzubekommen. Bei Amazon Philosophiebücher gesucht, zu zeit.de und faz.net gesurft um meinen gehobenen Zeitschriftengeschmack zu beweisen. Gehoben war dort die Lektüre nicht, weil gerade Deutschland gegen die Türkei spielt, ohne Frings, wie beide Zeitungen vermelden. Aus versehen irgendwo hingeklickt und schon hatte ich das nächste Etikett:
Im Sport gilt ihre Vorliebe dem Arbeitersport Fußball (u.a. 10.80% fussball.com lt. Positivliste).
Mein Profil ist also total vermurkst, ich bekomms auch nicht mehr sauber, mit allen Details siehts ziemlich schlimm aus. Irgendwie haben die sogar rausbekommen, dass ich online banke. Woher, ist mir schleierhaft, ich bin zwar eher seicht, aber so doof, dass ich über ihren Proxy meine Bank besuche, bin ich nicht.
Macht aber nichts, als Demonstration find ich OPEN-TRACE echt gelungen, und es zeigt gut, was der Betreiber zeigen wollte:
Jeden Tag hinterlässt jeder User mit jedem Klick seinen digitalen Fingerabdruck. Aus den besuchten Websites lässt sich ein exaktes Profil erstellen – ohne dass es die User merken. Kurz: Ihr Provider weiß mehr über Sie als Sie denken. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung möchte mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, welche Überwachung und Datensammlung im Internet möglich ist und von der Bundesregierung angestrebt wird.
Dass die Spuren dann ein korrektes Bild liefern, wurde nicht versprochen. Das ist vielleicht sogar ein wesentliches Merkmal der Spuren im Netz, dass sie eher klischeehafte und falsche Profile liefern.