Wednesday, 19. August 2009Ein Herz für die WeltFrüher hab ich ja gedacht, diese herzförmigen Abbildungen der Weltkugel wären irgendwas religiöses, vermutlich eine Form der jesuitischen Herz-Jesu-Verehrung, aber seit ich mich ein bisschen damit beschäftige, gefällt mir die Welt als Herz immer besser.
So ein bisschen Mystizismus mag schon auch bei den Erfindern eine Rolle gespielt haben, in diese Form lässt sich ja recht viel reininterpretieren, später hat auch die Darstellung religiöser Themen gern davon Gebrauch gemacht. Diese Abbildung war aber im 16. Jahrhundert einfach "Stand der Technik". Sie ist eigentlich eine Variante uralter Verfahren und wurde zu Beginn der Neuzeit recht beliebt, weil die Nachfrage nach Weltkarten mit den Entdeckungen und der damit verbundenen Globalisierung ganz plötzlich stieg und man besonders Wert auf kugelförmige Abbildungen legte. Die alten Karten und Globen ohne Amerika waren ja plötzlich recht deutlich veraltet und vermutlich ihren Besitzern ziemlich peinlich. Von der Abbildung her ist diese Stab-Werner-Projektion auch gar nicht so schlecht. Alle Flächen stimmen in ihrem Verhältnis zueinander (was allerdings den Herstellern damals nicht bewusst war), die Breitenkreise sind alle in der korrekten Länge im Verhältnis zum senkrechten Mittelmeridian abgebildet und die Kugeligkeit der Erde kommt auch schön raus. Wer die Asymmetrie nicht mochte oder die beiden Halbkugeln gleichberechtigt darstellen wollte, konnte auch zwei halbe Herzen mit Zentrum am Nord- und Südpol nehmen und sie in der Mitte zusammenkleben:
Oben eine Weltkarte von Orontius Finaeus von 1536, dann eine andere von ihm aus dem Jahr 1531, darunter eine von Gerhard Mercator 1538, und eine von mir 2009. Meine allerdings mit anderem Zentralmeridian. Der liegt bei Greenwich, während die beiden anderen Doppelherzkarten versuchen, die in der Antike bekannte Welt in die Mitte zu rücken. Faszinierend fand ich auch, dass man bei den Kartenmachern der Renaissance auch die ganzen Gestalten trifft, die ich bisher nur aus den Mittelalter-Ketzer-Geheimbund-Büchern kenne. Ist aber eigentlich kein Wunder. Die Leute waren naturwissenschaftlich-mathematisch auf einer Höhe, die unser heutiges Allgemeinwissen deutlich übersteigt und haben sich mit Weltbildern beschäftigt. Das führt recht sicher zu einer gegenseitig eher kritischen Einstellung zu Obrigkeit und Kirche. Zur päpstlichen sowieso, aber die Protestanten dieser Zeit waren auch recht eigensinnig, was die Abgrenzung zur ein bisschen anders potestantischen Nachbarsekte betraf. Bilder: die beiden "Finaeus"-Karten sind aus der Wikipedia. Die doppelherzförmige von "Seeberger", die herzförmige von "Rama" . Die Mercatorkarte hab ich bei Flickr bei der Sammlung vom "Norman B. Leventhal Map Center at the BPL" gefunden, die dort eine recht umfangreiche Sammlung alter Karten veröffentlicht haben. Diese Wikipedia-Bilder sind "public domain", das Flickr-Bild ist "cc-by"-lizenziert. Wer moderne Karten in herzform haben will, soll sie sich selber machen... Tuesday, 11. August 2009Die Welt des ZDFWeil Google grad danach fragt... Ich hab schonmal damit rumgespielt und gemalt, wollte es aber eigentlich hier nicht tippen, weil ich dachte das interessiert eh keinen. Die Karte mit den merkwürdigen (und absichtlich willkürlichen) schattierten Grenzen aus dem ZDF-Studio für die heute-Nachrichten ist eine um 10% in die Höhe gezogene Miller-Projektion. Ohne Südpol, der ist unter den Tisch gerutscht. Zumindest kann man auf diese Weise etwas sehr ähnliches erzeugen, wenn man selbst auch mal eine Weltkarte passend zur Thekenhöhe braucht. Ich finde es schade, früher hat man sich da mal mehr Gedanken gemacht. Wenn man schon mit Powerpoint in der Karte rumzerrt, hätte man die Welt ja wenigstens nicht-linear verzerren und so die Flächenverteilung der Länder wieder ein wenig zurechtrücken können. So sehen die Leute halt wieder täglich eine Welt, in der Spanien kleiner ist als Finnland (statt fast 50% grösser) und China dreimal in Russland reinpasst (statt nur 1.8 Mal). Vom Grönland/Afrika (echtes Verhältnis 1/15) oder Grönland/Indien-Problem (eigentlich 3:2 für Indien) ganz zu schweigen. Dabei könnte es doch auch für die aktuellen Nachrichten interessant sein, dass z.B. Somalia fast doppelt so gross ist wie Deutschland. Nur für den Fall, dass wir mal ein Mandat erweitern wollen und nochmal internationale Truppen hinschicken wollen. Bild: Grauer Hintergrund aus der ZDF-Mediathek (an unserem 16:9-Fernseher liegts also nicht), Rot die 10% gezogene Miller-Projektion. Wednesday, 27. May 2009PeterskarteFür meine thematischen Karten hab ich mich ein bisschen mit Projektionen beschäftigt. Ich will ja Karten anbieten, die sowohl als Weltkarten taugen als auch kleinere Regionen hübsch abbilden. Also muss ich mindestens irgendwas einfaches und schnell zu berechnendes haben (eine Plattkarte, da kann jeder Drittklässler ohne Taschenrechner Koordinaten auf ein kariertes Papier malen, das kann also selbst dieser Server in anständiger Zeit), irgendwas möglichst unverzerrtes für kleine Regionen ("Simple Mercator" nach Google-Art, weil Google ist Standard) und irgendwas ansehnliches für Weltkarten, vielleicht mal was mit ovaler Erde (Robinson, da hab ich zufällig schneller die Daten gefunden als für die anderen ähnlich aussehenden). Und weil ich grad am suchen nach Abbildungsvorschriften war, hab ich noch die Peters-Projektion eingebaut, das ist die Karte da rechts oben. Die Karte finde ich zwar hässlich, aber die Idee dahinter finde ich schon irgendwie bemerkenswert, und die Geschichte interessant: Arno Peters war Historiker, der sich daran gestört hat, dass die reichen Gesellschaften Europas und Nordamerikas so arrogant auf den Rest der Welt herabblicken. Als Mitursache dieser Haltung hat er die schlichte Gewöhnung an dieses Weltbild angesehen. Wir werden in der Schule fast ausschliesslich über Kulturleistung unserer europäischen Vorfahren unterrichtet, bestenfalls in der Antike tragen auch Ägypter und Mesopotamier ein wenig dazu bei. Ostasien wird vor Marco Polo praktisch nicht erwähnt, die Ming-Dynastie kennen wir nur als Schöpfer sauteurer Vasen. Dieser Fehlleistung unserer Geschichtslehrpläne hat er versucht, durch eine eigene Weltgeschichte gegenzusteuern. Bei den Weltkarten hat er die Mercatorkarte als Auslöser ausgemacht. Die Mercatorkarte zeichnet sich dadurch aus, dass sie in kleinen Bereichen die Form eines Gebietes recht gut darstellt. Und das nicht nur auf einem schmalen Streifen z.B. rund um den Äquator, sondern überall auf der Welt. Der Preis dieser schönen kleinräumigen Abbildung ist eine starke Verzerrung im Grossen. Die polnahen Länder werden stark vergrössert, die Länder am Äquator wirken im Vergleich verkleinert. Das betrifft vor allem die Nordhalbkugel, weil dort weiter oben noch Land ist (Helsinki liegt bei 60° Nord, Kapstadt auf 33° Süd, Melbourne bei 37°). Ausserdem schneiden Kartenzeichner die Welt gerne unten bei 60° Süd ab, da kommt nämlich nur noch die Antarktis als unansehlicher weisser Balken am Kartenrand, während sie im Norden bis zur Nordspitze Grönlands bei 83° gehen. Damit rückt die Nordhalbkugel zusätzlich in den Mittelpunkt und bekommt 2/3 der Kartenfläche. Das ist alles nicht die Schuld Gerhard Mercators. Der Mann wusste schon im 16. Jahrhundert, dass seine Projektion für Weltkarten nichts taugt. Sein Ziel beim Kartenmachen war, die Seefahrt zu erleichtern. Das hat er auch geschafft, mit seiner Karte klappt ein Trick, der bis dahin nicht funktioniert hat: Man kann auf der Karte einen Strich vom momentanen Standort zum Zielhafen machen, die Richtung mit dem Geodreieck ablesen, bei der abgelesenen Gradzahl eine Kerbe in den Schiffskompass machen und dem Mann am Steuer einschärfen, dass er einfach immer das Schiff auf diesem Kurs halten muss. Falls man nicht seitlich abgetrieben wird, landet man so ohne gross rumzurechnen am Ziel. Die Berechnung der Entfernung ist komplizierter, aber dafür hatte man Tabellenbücher und ausserdem muss man die nicht dem nautisch ungeschulten Mann am Steuer erklären. Blöd war nur, dass sich diese Karte auch zur Darstellung der Erdkugel als Ganzes verbreitet hat. Ende der 60er Jahre war sie zum Beispiel das Hintergrundbild der Tagesschau und hing anscheinend auch in vielen Schulen an der Wand. Und so hat, meinte Peters, sich in den Köpfen der Menschen dieses Bild der Erde als das "richtige" eingeprägt. Das ist vielleicht übertrieben, aber irgendwie kann ich mir schon vorstellen, dass der Aussenpolitik der Bonner Republik ein wenig das Koordinatensystem verrutscht sein könnte, wenn die Diplomaten im Sitzungssaal dauernd unter einer monströs aufgeblasenen lauernd über Europa liegenden Sowjetunion tagen, während Südamerika eher klein auf Augenhöhe liegt. Als Gegenentwurf zu dieser Darstellung stellte Peters 1974 seine eigene Projektion vor. Er war der Ansicht, dass ein Land sich vor allem durch seine Fläche Geltung verschafft, und dass es eine Frage der Fairness sei, die Dritte Welt gegenüber den Industriestaaten karthografisch nicht zu benachteiligen. Es gab zwar schon vorher flächentreue Kartenentwürfe, aber die waren ihm entweder zu sehr in die Breite gezogen oder hatten eine ovale Form und konnten deshalb die Nord-Süd-Richtung nicht überall parallel zum Kartenrand zeichnen. Es gab sogar schon vor ihm seit 1855 eine gleichwertige Darstellung von James Gall, die allerdings inzwischen vergessen worden war. Ausserdem nutzte Peters die Gelegenheit, auch das 360-Grad-Netz durch ein dezimales zu ersetzen und die Datumsgrenze in die Beringstrasse zu verschieben. Seine Vorstellung war recht erfolgreich, endlich wurde die Dritte Welt fair behandelt und man konnte zum Beispiel den Vergleich der britischen Inseln mit den Besitzungen in Indien flächentreu darstellen. Südamerika war nicht mehr kleiner als Europa und die Russen wirkten nicht mehr so bedeutend im Vergleich zu den Problemen der Afrikaner. Die Karte wurde also schnell von allen möglichen Entwicklungshilfeorganisationen und Missionsgesellschaften übernommen, die UNICEF fungierte als Herausgeber eines "Petersatlas", der sämtliche Länder im gleichen Massstab abbildet und die Nord-Süd-Kommission verwendete diese Karte in ihrem Bericht. Die Diskussion um das richtige Bild wurde mit ziemlicher Schärfe geführt. Auf der einen Seite vermutete man linke Spinner, die aus ideologischen Gründen eine verzerrte Sicht auf die Welt durchsetzen wollten. Auf der anderen Seite sah man die rassistischen Anhänger des Kolonialismus, die unbedingt den Machtanspruch des weissen Mannes beim Kartenzeichnen dokumentieren wollten. Die Zuordnung zum Lager konnte man leicht an der Bezeichnung erkennen die für die Abbildung verwendet wurde, entweder "Peters-Projektion" oder "Galls orthographische Zylinderprojektion" oder als Kompromiss "Gall-Peters-Projektion". Die Diskussion ist dann irgendwann wieder eingeschlafen. Die Tagesschau bekam tatsächlich eine neue Hintergrundkarte (nicht die Peters, sondern irgendeine ovale) und die Schulbücher hatten eh schon kaum mehr die Mercatorprojektion für Weltkarten (mein Exemplar von 1937 z.B. nur zwei ganz kleine als thematische Karte für Klimazonen, der Rest ist oval, auf dem Umschlagbild mit der Verteilung der Deutschen auf der Welt steht auch die Projektion dabei:"Winkels Projektion"). Mich wundert allerdings, dass diese Diskussion nicht wieder aufflammt. Kaum jemand blättert heute noch in inzwischen gesäuberten Schulatlanten. Dafür nützt jeder irgendwelche Karten aus dem Internet. Und egal ob man dort die Karten von Google, von Microsoft oder von Openstreetmap nimmt, man trifft auf Mercatorkarten. Natürlich auch bei allen, die diese Karten weiterverwenden, der "ZDF-Geothek" zum Beispiel. Der Grund dafür ist einfach, die wollen keinen Wechsel der Projektion beim rein- und rauszoomen und lieber stellt man ein "gewohnt" übergrosses Grönland in der Weltansicht dar, als dass man auf Strassenkartenniveau Kreisverkehre in Helsinki eiförmig darstellt zugunsten runder in Buenos Aires. Nicht-rechteckige Abbildungen würden dort sowieso nicht funktionieren, weil die Karten in Kacheln organisiert sind, die im Browser lediglich aneinandergesetzt werden. Da kann man keine Unterschiede machen, ob die gewünschte Kachel gerade in der Mitte der Abbildung oder an deren Rand liegt, gekrümmte Kartenränder scheiden also aus. Erklärung für das Ausbleiben der Diskussion hab ich keine. Entweder sind die altlinken Erdkundelehrer inzwischen ausgestorben, oder sie schauen zumindest nicht ins Internet. Oder man hat eingesehen, dass die Manipulation durch die Medien mittels Hintergrundbilder doch nicht so gross ist, wie befürchtet. Vielleicht sind aber "Dritte-Welt-Themen" auch wieder völlig aus der Mode gekommen... Das Bild vom Sitzungssaal im Auswärtigen Amt stammt aus dem Bundesarchiv und steht bei der Wikipedia unter GNU FDL. Tuesday, 19. May 2009Malen nach ZahlenIch hab mir gedacht, wenn ich schon die shapefiles der neuen bunten Karten und Listen mit Ländercodes und eingedeutschten Ländernamen für den Geocounter rumliegen hab und auch schon für andere Dinge, wie z.B. die Verteilung der Tor-Server in der Welt verwende, kann ich auch gleich was nützliches draus bauen. Ich hab natürlich wie immer den Aufwand völlig unterschätzt, der zwischen "Ich hack ein paar Werte in eine Datenbank, fummel an einem Script rum und erzeuge eine Grafik" und "Ich lass fremde Leute ihre Werte und Lieblingsfarben in ein Formular eingeben und ihre eigenen Karten erstellen" liegt. Aber dank fleissiger Unterstützung meiner usability-consultants ist was halbwegs nutzbares rausgekommen. Falls also jemand Zahlen hat und thematische Landkarten braucht, um zum Beispiel die Ergebnisse des Armutsatlas 2009 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands schön zu visualisieren, oder auch die Osterweiterung der NATO von 1949 bis 2009, kann sich jetzt seine Karten selber basteln. Das ganze funktioniert nur mit statistischen Werten, die man nach Staaten sortiert vorliegen hat, für andere geographische Einteilungen (Klima-, Vegetationszonen) fehlen mir einfach die Daten. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gibts auch Karten bis zur nächsten Verwaltungsebene der Bundesländer und Kantone. Zu erreichen ist die Kartenwerkstatt unter http://geo.dianacht.de/makemap/, man muss ein bisschen Geduld mitbringen, die Datenbank hier ist nicht so schnell. Als Exportformat stehen PNG für Bitmaps und SVG als Vektorgrafik zur Verfügung. Ich würde dafür allerdings die Beschriftung der Karte ausschalten. So richtig schön werden nämlich die automatischen Beschriftungen nicht plaziert, der anspruchsvolle Benutzer ist mit einer leeren Grafik zur nachträglichen Bearbeitung sicher besser bedient. Nachtrag: Ich hab mir neue Shapefiles besorgt. Jetzt langt die Namensnennung.
Geschrieben von Max
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Tuesday, 21. April 2009Neue bunte KartenBeim Geocounter gibts neue Karten. Ich hab mir mal Mapserver installiert, das ist ein Programm, das Geodaten im Vektor- oder Rasterformat frisst und daraus schöne Bilder erzeugen kann. So richtig verstanden hab ich das (wie sämtliche Kartentools mit denen ich rumbastel...) nicht, aber ich brings zum laufen und schaff sogar eine Anbindung an eine MySQL-Datenbank mit Besucherzahlen und Ländernamen. Freundlicherweise stellen uns die Amis ja Weltkarten für umsonst zur Verfügung, weil sich dort die Idee verbreitet hat, dass der Steuerzahler kein zweites Mal für Daten zahlen muss, die er schon mal finanziert hat. Mit der amerikanischen vmap0-Karte, lässt sich also schon mal ganz gut anfangen und es gibt auch einen freundlichen Zeitgenossen, der das Format in ein handlicheres "Shapefile"-Format umgewandelt hat. Ich musste dann nur noch die Ländernamen eindeutschen und die merkwürdigen FIPS 10-Codes, mit denen amerikanische Behörden die Länder numerieren in eher verbreitete ISO-3166-1-Codes (das was die Länder als Toplevel-Domain haben) übersetzen. Das ganze ist als eher experimentelle Spielerei beim Geocounter dabei. Es ist furchtbar langsam und lastet den kleinen Server hier voll aus, aber weil es so bunt ist, will ich nicht länger darauf verzichten. Die Weltkarte meines Spams zum Beispiel ist einfach schön und zeigt, dass wir immer zu Unrecht auf die Menschen in Fernost schimpfen.
Geschrieben von Max
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