Heute hat sich der Betreiber eines deutschen
Tor-Servers verabschiedet, die ausführlichere Geschichte gibts bei
Rabenhorst und in seinem
Abschiedsbrief nachzulesen, also hier nur in Kürze:
Sein Exit-Node war letztes Jahr aufgefallen, weil er irgendwelchen strafbaren Inhalte geroutet hat. Allerdings wurde dann nicht weiter gegen ihn vorgegangen, weil die Polizei schon erkannt hat, dass er nicht der Konsument oder Anbieter, sondern lediglich der Transporteur dieser Inhalte ist. Allerdings hat er einen Hinweis bekommen, er sei auf einer "bekannten Liste" der Strafverfolger gelandet und sei Ziel einer Kommunikationsüberwachung.
Er hat dann erst selbst versucht, rauszubekommen auf welchen Listen er steht und bekam keine Antwort, weil die Staatsanwaltschaft dagegen Einspruch erhoben hat. Auch der eingeschaltete Bundesbeauftragte für den Datenschutz bekam keine Antwort. Dem Datenschutzbeauftragten darf man aber nicht so einfach die Antwort verweigern. Die Voraussetzungen dafür sind, dass eine Auskunft "Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet".
Der Mann gefährdet also offensichtlich die Sicherheit der Republik, allein die Auskunft, ob gegen ihn ermittelt wird gefährdet unsere Ordnung. Sowas ist nicht mehr lustig. Als Betreiber eines exit-Nodes geht man natürlich immer das Risiko ein, einem Dorfpolizisten, dem LKA oder dem Verfassungsschutz erklären zu müssen, dass man den Verkehr lediglich routet, aber weder Einfluss auf Inhalt nehmen kann noch Aussagen über die anonymen User machen kann. Vielleicht macht es sogar Spass oder es ist zumindest interessant, mit den Leuten über Anonymität als schützenswertes Gut in der Demokratie zu diskutieren. Aber deshalb will man natürlich nicht zusammen mit echten Terroristen, "Gefährdern" und sonstigen (potentiell) gefährlichen Leuten in eine Liste geworfen werden. Da verstehe ich, dass einer das Handtuch wirft, ich hätts schon beim Dorfpolizisten geworfen.
Das wirklich ekelhafte daran ist die Heimlichkeit. Es ist ja nicht so, dass derartige Listen irgendwo geführt und nicht weitergegeben werden. So ziemlich alle wissen bescheid, nur der Betroffene nicht. Innerhalb des Netzwerkes der Organe der Inneren Sicherheit werden die Daten ja schon fleissig,
gern auch mal rechtswidrig, verteilt und vermutlich dürfen auch befreundete Dienste an den Staatsgeheimnissen teilhaben. Das könnte dann schon zu ganz unverhältnismässig groben Aktionen der Behörden führen.
Wenn das so weiter geht, wird es bald keine Anonymisierungsdienste in Deutschland geben, weil auf die Betreiber genug Druck ausgeübt werden kann. Nicht unbedingt mit Hilfe rechtstaatlicher Verfahren, so mit Anklage, Prozess und Urteil, sondern mehr nach Art des Sheriffs, der "ich hab Dich im Blick"-raunend durch sein Dorf marschiert. Das reicht auch völlig aus, um einen Privatmann einzuschüchtern, dessen Geld und Zeit zwar für einen Rootserver und dessen Pflege reicht, aber nicht für den Kampf gegen die Behörden.
Dabei wird Anonymität im Internet ja schon gerne gesehen, zumindest für
ferne unterdrückte Völker. Auch die
Datenschutzbeauftragten finden Anonymisierungsdienste gut, selbst der
Gesetzgeber schreibt das eigentlich für Diensteanbieter vor. Nur wirklich anonym soll sie halt nicht sein, für den normalen Bürger muss der "Kampf dem Spionagecookie"-Tipp aus der Computerbild reichen.