Sunday, 25. February 2007Skandal
Hab mir gerade Evita mit Madonna angeschaut, gut dass es diese Fernsehsender gibt, die ausschliesslich uralte Streifen als "Highlights des Films" oder so verkaufen. Die Musik und den Film kenne ich zwar, dafür konnte ich dieses Mal mehr auf den Text aufpassen.
Als dieser Film 1996 gedreht wurde, war das ja ein riesen Skandal, weil Madonna mit ihrem Image als Sexmonster diese reine Heilige nicht darstellen sollte. Das Stück müssen die Leute aber anscheinend schon gemocht haben, zumindest "Don't cry for me Argentina" war ja schon lange ein Hit. Was mir aufgefallen ist, das ganze Stück war doch schon vorher von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice nicht für eine Heilige geschrieben, eigentlich hätte Madonna ja eher ihr Image in Richtung Nutte verändern müssen, statt sich vor der Verfilmung monatelang in hochgeschlossene Kostüme zu zwängen. Sie hats ja wirklich gut hingekriegt, im Musical als äusserlich braves Mädchen vom Lande und später als Dame von Welt aufzutreten. Ein paar Zitate gefällig? And she's an actress! The last straw (Die Offiziere über Evita und Moralvorstellungen bei Militärs, dieses "ihre einzigen guten Seiten liegen zwischen ihren Schenkel, sie sollte an die Decke starren und nicht nach dem Himmel greifen" find ich ja schon sehr deutlich.) There is no-one, no-one at all (Evita und Che über Beziehungen) Aber vielleicht gings den Leuten so wie mir gestern. Da musste ich beim Vorbeizappen bei den 25 skandalöstesten Liedern der letzten 30 Jahre (oder so ähnlich) erfahren, dass Bobby Brown von Frank Zappa anstössige Ausdrücke enthält! Women's Liberation Thursday, 22. February 2007Aschermittwochsbräuche und Sozial-Schwabing
Die Frage von gestern, wer eigentlich auf die Idee kam, den Aschermittwoch als Massenstammtisch einzuführen, wäre durch einen Blick in die Wikipedia zu beantworten gewesen.
Die Wurzeln des politischen Aschermittwochs liegen im 16. Jahrhundert: 1580 trafen sich bayrische Bauern erstmals in Vilshofen zum Vieh- und Rossmarkt und feilschten dabei nicht nur über die Preise, sondern diskutierten auch heftig die Themen des Tages, darunter seit dem 19. Jahrhundert auch die königlich-bayerische Politik. Das Jahr 1919, als der Bayerische Bauernbund erstmals zu einer Kundgebung aufrief, gilt aber als eigentliches Geburtsjahr. Von 1919 bis zu Beginn der NS-Diktatur war der Politische Aschermittwoch vor allem das Forum verschiedener Bauernparteien. Dann war der Aschermittwoch ausschließlich das Forum der NSDAP. Erst 1946, als die Bayernpartei die Gründungsveranstaltung des Ortsvereins auf den Aschermittwoch legte, war die Aschermittwochskundgebung wieder in demokratischer Hand ... Interessant übrigens dass der Bayerische Bauernbund 1919 als liberal und republikanisch betrachtet wurde. Ganz so extrem wie die Befürworter der Räterepublik waren sie nicht, aber wer könnte sich heute noch eine Koalition aus SPD, USPD (oder PDS) und Bauernverband vorstellen? In der Friday, 9. February 2007KillergotchaBayern hat jetzt einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat eingebracht, dass Killercomputerspiele verboten werden, in denen "menschenähnliche Wesen" abgeballert werden. Ausserdem werden echte Spiele verboten, bei denen die Würde der Mitspieler verletzt wird, indem man sie mit Schusswaffen spielerisch tötet. In allen Begründungen dazu steht zwar "Jugendschutz", aber im Gesetz taucht der Begriff nicht mehr oft auf. Hätte ja auch keinen Sinn, da bereits die Herstellung verboten werden soll. Bisschen düster raunt der Kommentar dazu noch von "Handlungsmöglichkeiten gegenüber Internet-Providern". Eigentlich könnts mir ja egal sein, das letzte menschenähnliche Wesen hab ich vor Jahren erlegt, danach lediglich ein paar Kampfraumschiffe vom Himmel geholt. Im Gegenteil, ich freu mich schon auf die Gerichtsverhandlungen, bei denen geklärt wird, ob ein Troll, ein Ork, ein Zombie und ein Borg menschenähnlich sind. Zum Gotcha-Spielen mussten wir schon immer nach Tschechien fahren, weil in Becksteins kleinem Reich derartige Spiele für allgemeine Besucher sowieso ordnungswidrig waren. Das fördert den Tourismus und die Völkerverständigung, die Reisekosten kann man ja dann durch Tanken und Zigarettenimport wieder reinholen und die Durchsuchung an der Grenze bei der Wiedereinreise gehört einfach zum Thrill, den man als Freizeitkrieger eben so braucht. Ich lege allerdings Wert darauf, dass durch eine Markierung auf dem Spielfeld meine Würde niemals in Gefahr war und ich auch bei eigenen Erfolgen niemals meinen Gegner seiner Würde beraubt habe. Vielmehr habe ich stets die Genfer Konvention beachtet, wie das ja auch im echten Leben in zivilisierten Kreisen immer der Fall ist. "Cowboy und Indianer" ist übrigens im Entwurf extra als nicht gemeint aufgeführt. Das ist nämlich nicht geeignet, die Menschenwürde zu verletzen, wie unser Kabinett weiss. Ebenso der Fechtsport, der der Körperertüchtigung dient. Mir wäre ja Boxen als erstes eingefallen, Becksteins Autoren sicher auch, aber vermutlich war den Verfassern die Parallele zum Gesichtsverlust zu offensichtlich. Und sonst heute neues aus dem Kabinett? Erbschaftssteuer, Hochschulpolitik und die Regierung kümmert sich um die wichtige Tradition der Böllerschützen. (das Bild stammt aus dem verschollenen Film "Gotcha-the Movie" von R.P. und zeigt M.M. bei illegaler aber würdevoller Spieltätigkeit) Nachtrag 13.2.: Sie haben verloren! Zum einen hat die Bundesregierung angekündigt, selbst einen Gesetzesvorschlag zu machen, der mehr am Jugendschutz orientiert ist. Zum anderen hat der Spiegel das Gesetz wohl aufmerksamer gelesen als das Kabinett. Kann ja passieren, wenn man so aufgeregt ist... Aus Spiegel-Online "Gesetz mit Nebenwirkungen": Doch der Antrag hat bisher nicht bemerkte Nebenwirkungen: Er käme einem Pornoverbot in Videotheken gleich[...] Das ist zwar schön gesagt, aber der CSU-Wähler steht in der Wahlkabine allein und unbeobachtet wie vor der Pornoglotze und vielleicht erinnert er sich dann an seine ethisch fundierte Familienministerin, die ihm seinen ganzen Spass verdorben hat. Das trauen die sich nie! Thursday, 8. February 2007Truderinger Strassen
Schon interessant, wenn man einfachen Meldungen, die man so aufschnappt hinterherrecherchiert. Robert ist ja jetzt immer auf dem Laufenden, was neue Strassen betrifft und so erfährt man, dass die Truderinger Von-Trotha-Strasse jetzt neuerdings Hererostrasse heisst. Zunächst nur eine Meldung, die ich eher skurril fand. Ein schneller Blick in den Stadtplan von 1937 zeigte auch, dass der "Platz der Opfer des Nationalsozialismus" vor 1945 nicht etwas "Platz der Waffen-SS" geheissen hat. Das Stück Wiese nördlich des Maximiliansplatzes war einfach unbenannt.
Beim Nachsurfen etwickelte sich aber dann eine spannende Geschichte, ein Streit, der anscheinend seit Jahren herrscht, aber völlig an mir vorbeigegangen ist. Irgendwann nach dem 1. Weltkrieg benannten die Truderinger, einige davon Heimkehrer aus den verlorenen Kolonien ihre Strassen nach den bedeutenden Orten und Persönlichkeiten des an die Sieger verlorenen Paradieses. Die Wege dort heissen immer noch nach Togo, Tanga, Samoa, Usambara, Sansibar, von Gravenreuth (dem Kolonialoffizier) und von Trotha. Generalleutnant Lothar von Trotha war Gouverneur und Kommandeur der Schutztruppen in Deutsch Südwest. Dorthin wurde er 1904 berufen, weil sein Vorgänger mit seiner freundlichen Art nicht mit den aufständischen Hereros zurechtkam, die immer wieder mal deutsche Siedler überfielen und ermordeten. Bis dahin folgte man dort mehr oder weniger der Vorstellung, dass man die einheimischen Afrikaner zwar ausbeuten und missionieren sollte, bei Vergehen natürlich auch abstrafen musste, sie aber keinesfalls ausrotten durfte. Herr von Trotha war da etwas anders gestrickt und es kam ihm gelegen, dass nach einer gewonnenen Schlacht am Waterberg die Hereros in die Wüste flüchteten. Aus der liess er sie auch nicht mehr raus, sondern erliess vielmehr einen Schiessbefehl auf die Unterlegenen. Letztendlich starb dort in der Wüste ein grosser Teil des Hererovolkes. In der Heimat war der General nicht sehr hoch angesehen. Sein Schiessbefehl auf Frauen und Kinder (er hat allerdings erklärend hinzugefügt, dass man nur auf Männer zielen soll und über die Frauen hinwegschiessen soll, um sie zu vertreiben) war in der öffentlichen Meinung mit dem Ethos eines deutschen Soldaten unvereinbar (August Bebel: "Einen derartigen Krieg wie Herr von Trotha kann jeder Metzgerknecht führen."). Das führte dann zu seiner Abberufung und einer deutlich freundlicheren Behandlung der Einheimischen durch seinen Nachfolger. Trotz des schon damals schlechten Rufes bekam der General aber seine Strasse in Trudering. Bis 1993 irgendwer darauf aufmerksam wurde und der Stadtrat die Strasse umwidmete. Sie war von da an nicht mehr dem Generalleutnant Lothar gewidmet, sondern ganz allgemein der Familie von Trotha, zu der ausser Lothar seit dem 11. Jahrhundert noch eine ganze Reihe von Bischöfen, Rittern, Admirälen und Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime gehörten. Das war zwar eine einfache und sehr kostengünstige Lösung, das hat aber wohl keiner wirklich mitbekommen. Es wäre ja auch schwer zu erkennen gewesen, dass die Querstrasse der Waterbergstrasse nicht nach dem Befehlshaber einer der dort aufgestellten Truppen benannt sein sollte. Und so kochte das Thema immer wieder hoch, besonders im Sommer. Die Grünen wollten dem Massen- oder Völkermörder kein Denkmal setzen, die CSU fand das verschwenderisch und die SPD war dafür. Wir hatten eine Stadtrat der mehrheitlich umbenennen will und einen Truderinger Bezirksausschuss mit dessen Vorsitzenden, Georg Kronawitter, der alles so lassen will wies ist. Anarchistische Kräfte verübten zwischendurch auch Attentate auf imperialistische Hausnummernschilder mit Spraydose und Schraubenzieher. 2005 schliesslich setzte sich die Stadtratsmehrheit durch. Die Strasse heisst jetzt Hererostrasse, die Leute dort bekommen ihre Hausnummernschilder von der Stadt bezahlt, Visitenkarten müssen sie sich selbst besorgen. Wer mehr lesen will, findet viel Text bei der taz und bei Indymedia. Interessant fand ich auch ein Interview mit einem Nachfahren des ehemaligen Namenspatrons. Nachtrag: In einer früheren Version dieses Beitrags habe ich den Münchner Alt-OB Georg Kronawitter von der SPD und den Vorsitzenden der Ostmünchner CSU und Bezirkausschussvorsitzenden Georg Kronawitter für identisch gehalten. Das sind sie nicht. Ob sie verwandt sind, weiss ich nicht.
(Seite 1 von 1, insgesamt 4 Einträge)
|
KategorienVerwaltung des Blogs |