Schon interessant, wenn man einfachen Meldungen, die man so aufschnappt hinterherrecherchiert. Robert ist ja jetzt immer auf dem Laufenden, was neue Strassen betrifft und so erfährt man, dass die Truderinger
Von-Trotha-Strasse jetzt neuerdings Hererostrasse heisst. Zunächst nur eine Meldung, die ich eher skurril fand. Ein schneller Blick in den Stadtplan von 1937 zeigte auch, dass der "Platz der Opfer des Nationalsozialismus" vor 1945 nicht etwas "Platz der Waffen-SS" geheissen hat. Das Stück Wiese nördlich des Maximiliansplatzes war einfach unbenannt.
Beim Nachsurfen etwickelte sich aber dann eine spannende Geschichte, ein Streit, der anscheinend seit Jahren herrscht, aber völlig an mir vorbeigegangen ist.
Irgendwann nach dem 1. Weltkrieg benannten die Truderinger, einige davon Heimkehrer aus den verlorenen Kolonien ihre Strassen nach den bedeutenden Orten und Persönlichkeiten des an die Sieger verlorenen Paradieses. Die Wege dort heissen immer noch nach Togo, Tanga, Samoa, Usambara, Sansibar, von Gravenreuth (dem Kolonialoffizier) und von Trotha.
Generalleutnant Lothar von Trotha war Gouverneur und Kommandeur der Schutztruppen in Deutsch Südwest. Dorthin wurde er 1904 berufen, weil sein Vorgänger mit seiner freundlichen Art nicht mit den
aufständischen Hereros zurechtkam, die immer wieder mal deutsche Siedler überfielen und ermordeten. Bis dahin folgte man dort mehr oder weniger der Vorstellung, dass man die einheimischen Afrikaner zwar ausbeuten und missionieren sollte, bei Vergehen natürlich auch abstrafen musste, sie aber keinesfalls ausrotten durfte. Herr von Trotha war da etwas anders gestrickt und es kam ihm gelegen, dass nach einer gewonnenen
Schlacht am Waterberg die Hereros in die Wüste flüchteten. Aus der liess er sie auch nicht mehr raus, sondern erliess vielmehr einen Schiessbefehl auf die Unterlegenen. Letztendlich starb dort in der Wüste ein grosser Teil des Hererovolkes.
In der Heimat war der General nicht sehr hoch angesehen. Sein Schiessbefehl auf Frauen und Kinder (er hat allerdings erklärend hinzugefügt, dass man nur auf Männer zielen soll und über die Frauen hinwegschiessen soll, um sie zu vertreiben) war in der öffentlichen Meinung mit dem Ethos eines deutschen Soldaten unvereinbar (August Bebel: "Einen derartigen Krieg wie Herr von Trotha kann jeder Metzgerknecht führen."). Das führte dann zu seiner Abberufung und einer deutlich freundlicheren Behandlung der Einheimischen durch seinen Nachfolger.
Trotz des schon damals schlechten Rufes bekam der General aber seine Strasse in Trudering. Bis 1993 irgendwer darauf aufmerksam wurde und der Stadtrat die Strasse umwidmete. Sie war von da an nicht mehr dem Generalleutnant Lothar gewidmet, sondern ganz allgemein der
Familie von Trotha, zu der ausser Lothar seit dem 11. Jahrhundert noch eine ganze Reihe von Bischöfen, Rittern, Admirälen und Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime gehörten.
Das war zwar eine einfache und sehr kostengünstige Lösung, das hat aber wohl keiner wirklich mitbekommen. Es wäre ja auch schwer zu erkennen gewesen, dass die Querstrasse der Waterbergstrasse nicht nach dem Befehlshaber einer der dort aufgestellten Truppen benannt sein sollte.
Und so kochte das Thema immer wieder hoch, besonders im Sommer. Die Grünen wollten dem Massen- oder Völkermörder kein Denkmal setzen, die CSU fand das verschwenderisch und die SPD war dafür. Wir hatten eine Stadtrat der mehrheitlich umbenennen will und einen Truderinger Bezirksausschuss mit dessen Vorsitzenden, Georg Kronawitter,
der alles so lassen will wies ist. Anarchistische Kräfte verübten zwischendurch auch
Attentate auf imperialistische Hausnummernschilder mit Spraydose und Schraubenzieher.
2005 schliesslich setzte sich die Stadtratsmehrheit durch. Die Strasse heisst jetzt Hererostrasse, die Leute dort bekommen ihre Hausnummernschilder von der Stadt bezahlt, Visitenkarten müssen sie sich selbst besorgen.
Wer mehr lesen will, findet viel Text bei der taz und bei Indymedia. Interessant fand ich auch ein Interview mit einem Nachfahren des ehemaligen Namenspatrons.Nachtrag: In einer früheren Version dieses Beitrags habe ich den Münchner Alt-OB Georg Kronawitter von der SPD und den Vorsitzenden der Ostmünchner CSU und Bezirkausschussvorsitzenden Georg Kronawitter für identisch gehalten. Das sind sie nicht. Ob sie verwandt sind, weiss ich nicht.