Monday, 12. November 2007Da guckt keiner rein
Seit heute ist das Protokoll zur Bundestagssitzung am 9.11. und der Gesetzentwurf online zum Nachlesen. Wenn man den Reden der Regierungsfraktionen glaubt, ist diese Vorratsdatenspeicherung eigentlich garnicht so schlimm. Keiner guckt in diese Daten, man speichert eigentlich nicht mehr als früher und eigentlich sind lediglich Terroristen und Organisierte Kriminelle wirklich betroffen.
Erfassung von DatenBrigitte Zypries (SPD): Wir haben in ausführlichen Gesprächen – auch mit Telekommunikationsunternehmen – darauf hingewiesen, dass man allenfalls die Daten speichern kann, die ohnehin beim Telefonieren erhoben und bereits zu Abrechnungszwecken gespeichert werden.[...] Man sieht also, nur Daten, die bisher schon legalerweise zu Abrechnungszwecken erfasst werden, werden gespeichert. Das wird die Besitzer von Flatrates freuen, deren Einwahl ja bisher nicht mitprotokolliert werden durfte. Dass manche Provider das trotzdem getan haben, steht auf einem anderen Blatt, auf illegales Treiben kann sich die Ministerin ja kaum berufen. Ebenso werden sich Mailprovider freuen. Da keiner von denen einzelne Mails mit einer Art Porto belegt hat, sollten denen einzelne Mails zu Abrechnungszwecken völlig egal sein. Sie müssen also auch zukünftig nicht speichern. Mini-Provider, die für sich und ihre Kumpel einen (v)Server gemietet haben können auch aufatmen. Entgegen anderslautenden Meinungen müssen sie sich nicht plötzlich mit Fragen (Wo sind denn diese Maillogs? Wie speicher ich die für 6 Monate? Wie verschlüssel ich sowas?) auseinandersetzen. Wer von seinen Kumpeln nichts kassiert, ist nicht betroffen. Mobilfunkprovider sind damit sicher auch glücklich: Ausser bei Verträgen mit "Home-Zone" oder ähnlichem war ja der Standort des Kunden bisher für die Rechnung irrelevant, lediglich fürs Roaming während des Gesprächs musste man wissen, welches Funktürmchen das Handy versorgt. Wird also auch zukünftig nicht gebracht. Auch Betreiber von Anonymisierungsdiensten wie zum Beispiel Tor haben sich ganz umsonst Sorgen gemacht. Die hatten ja schon Angst, sie müssten loggen, weil das so im neuen §113a (6) TKG steht. War alles Panikmache, weil bisher loggen die ja auch nicht und zumindest bei Tor-Servern war Bezahlung nie ein Thema. Zugriff auf die DatenAusser mit richterlichem Beschluss hat niemand Zugriff darauf, das ganze Gerede von Zugriffen anderer Stellen, wie z.B. den Geheimdiensten ist Unsinn. Brigitte Zypries (SPD): Frau Leutheusser, Sie haben in Ihrem Interview mit der Berliner Zeitung behauptet, dass wir mit diesem Gesetz dem Verfassungsschutz und sonstigen Geheimdiensten Tür und Tor öffnen würden. Das ist einfach nicht richtig. Auch vor Missbrauch muss man keine Furcht haben. In diese automatischen Logfiles guckt keiner rein. Schon garnicht beim Staat, weil der speichert ja garnicht. Klaus Uwe Benneter (SPD): Das alles ist unter den heutigen Bedingungen nur möglich, wenn auch die Kommunikationsmöglichkeiten überwacht, erhoben und gespeichert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in einer kürzlich ergangenen Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass dies möglich und auch notwendig ist KleinkriminelleFilesharer, Beleidiger oder Produktpiraten, die selbstgenähte Markentextilien über ebay verticken müssen ebenfalls nicht befürchten, dass ihnen jetzt die Antiterrorgesetze zum Verhängnis werden, zumindest wenn man den Zwischenruf des rechtspolitischen Sprechers der Union als Widerspruch deutet. Jan Korte (DIE LINKE): Bei der Bundesregierung soll der Zugriff bei erheblichen Straftaten und bei einer „mittels Telekommunikation“ begangenen Straftat geregelt werden. So steht das dort drin. Das beinhaltet beispielsweise auch eine Beleidigung am Telefon oder das illegale Herunterladen von Klingeltönen oder was auch immer. Das ist die Logik davon. FazitWie man sieht, alles nicht so tragisch. Es ändert sich praktisch nichts und die ganze Aufregung ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Wir werden sehn, wie sich das dann so in der Praxis gestaltet. Ich vermute, dass meine Kommentare da oben völlig am Gesetz vorbeigehen, ebenso wie die Beruhigungspillen der Koalitionäre. Am Ende des Protokolls (Anhang 4, Heise-Bericht dazu) kommt übrigens noch ein echt bizarres Dokument, in dem 26 SPD-Abgeordnete begründen, dass sie das Gesetz für schlecht und teilweise für verfassungswidrig halten. Sie haben allerdings trotzdem dafür gestimmt und hoffen, dass ihre Entscheidung für ein schlechtes Gesetz in Karlsruhe wieder revidiert wird. Schöner kann man eigentlich Art 38 GG "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" nicht karrikieren als mit diesem Satz: Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird. Andrea Nahles hat übrigens versucht, dieses komische Abstimmungsverhalten auf ihrer Homepage und bei Abgeordnetenwatch zu begründen. Trackbacks
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