Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass uns alle verarschen. Jetzt sind alle Politiker aus dem Sommerloch zurück und bereiten sich auf den Postenkampf nach der Machtübernahme in Bayern vor. Und Frau Merk, unsere Justizministerin
äussert sich zum Bundestrojaner:
[Es kann] selbstverständlich auch Situationen geben [...], in denen es nicht möglich ist, eine richterliche Genehmigung einzuholen, in denen die Zeit einfach so drängt. Und in solchen Fällen - und ich sage, das sind wirklich absolute Ausnahmefälle - muss es dann auch möglich sein, dass zuallererst eben durch einen hochrangigen Staatsanwalt eine entsprechende Entscheidung getroffen wird und hernach dann durch den Richter.
Da spricht einerseits der BKA-Chef von Spezialsoftware, die individuell auf den Zielrechner zugeschnitten ist, weshalb man ja auch nur 10 Stück pro Jahr schaffen wird. Andererseits kann sich die Justizministerin vorstellen, dass es Eilfälle gibt, wo man nicht rechtzeitig einen Richter aus dem Bett holen kann. Falls es wirklich so ist, dass die Softwarespezialisten unserer Geheimdienste schneller ihre Hacks schreiben als unsere Richter einen Durchsuchungbeschluss, sollten wir dringend in den Nachtschichtausgleich oder die Schreibmaschinenkurse unserer Justiz investieren...
[Zum Richtervorbehalt] verpflichtet uns der Rechtsstaat, und er verpflichtet uns auch dazu, dass wir, wenn eine solche Durchsuchung gemacht wird, hernach aus datenschutzrechtlichen Gründen die Betroffenen davon benachrichtigen.
Fein, dass unser Rechtsstaat so hoch geschätzt wird. Bei der
Telefonüberwachung drückt sich diese Wertschätzung darin aus, dass 2,3% aller Überwachten von der Staatsanwaltschaft von sich aus darüber informiert wurden, 50% anlässlich der Anklageerhebung. Oder anders ausgedrückt: 94% aller unschuldig Überwachten wurden nicht verständigt.
So richtig ärgerlich fand ich den vorletzten Satz der Ministerin:
Frage: Von wem gehen diese Fehlinformationen aus?
Merk: Die gehen sicherlich von Diskutanten mit aus, die ideologisch verbrämt diskutieren, die hier Dinge ansprechen, die vor allen Dingen schon allein von der Technik her überhaupt nicht möglich sind und damit natürlich Ängste wecken, ganz klarer Fall.
Bis jetzt kam der technische Unsinn ja hauptsächlich aus der Ecke der Befürworter der heimlichen Onlinedurchsuchung.
Zur Behauptung "
Wir müssen wegkommen von diesen Gespensterdebatten, von diesen Horrorszenarien, dass eine flächendeckende Durchsuchung gemacht würde, geplant wäre oder überhaupt technisch möglich wäre. Das alles ist nicht der Fall. Es ist ein begrenzter Bereich schwerster Straftaten" hilft vielleicht ein Blick auf die Statistik der Bundesnetzagentur zur Telefonüberwachung [Quelle (PDF)]. Entweder ist die Schwerkriminalität in den letzten 8 Jahren enorm gestiegen oder der Trend geht tatsächlich in Richtung "flächendeckende Überwachung". Auffällig ist auch der fehlende Peak um 2001 rum. Anscheinend hat der Terrorismus nicht sonderlich zugenommen.Vielleicht liegts aber auch nur daran, dass die Gattinnen unserer Geheimdienstmitarbeiter zunehmend untreu werden und man dringend an die
Mails der Nebenbuhler kommen muss.