Thursday, 17. January 2008"Jeder Brocken vorgezählt und überall im Weg"
Im September schrieb ich noch über den Austrag des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten. Damals hab ich vermutet, sie würden ihm in Brüssel, weit weg von Landtag und CSU-Präsidium ein Häuschen hinstellen und ihn dort mit alten Akten füttern.
Stattdessen bekommt er ein kleines 13-Zimmer-Büro mit 5 Angestellten und ein paar Bodyguards in der Wagmüllerstrasse 18. Gleich neben dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, auch einem hochangesehenen Würdenträger, den man lieber ein wenig abseits ansiedelt. Natürlich gibts auch schon wieder Streit über die Kosten dieses "Austragshäusl" des gestürzten Landeschefs. Keiner aus der Opposition gönnt ihm die jährlich 450 tausend Euro, die er für seine Arbeit als Aktenvernichter eben braucht. Ganz wie es sich für pensionierte Altbauern gehört. Streit mit den Erben gehört eben auch zum Austrag. Und weil so viele Google-Treffer mit "Austragshäusl" hier aufschlagen sei das kurz erklärt: "Austrag" beschreibt den Ruhestand eines Bauern. Laut Wikipedia ist das ein bayerischer Begriff, ich kann das nicht beurteilen, das Synonym "Ausgedinge" kenn ich nur vage und "Altenteil" hätte ich nicht nur dem landwirtschaftlichen Umfeld zugeordnet. Der Begriff ist eher negativ besetzt: Das Vermögen eines Bauern steckt im Hof, Schätze zur späteren Altersversorgung kann er in der Regel nicht anhäufen. Wenn also der Bauer in Ruhestand geht und in ein kleineres Häusl neben dem Anwesen zieht, verliert er die Kontrolle über sein gesamtes Vermögen und ist auf Rentenzahlung seines Sohnes angewiesen. Damit dabei nichts schief geht, wird vor der Übergabe verhandelt und geklärt, wie viel Geld und Naturalien dem Altbauern in Zukunft zustehen. Trotz genauer Abmachungen bleibt er aber vom wirtschaftlichen Geschick und der Güte seines Sohnes und der Schwiegertochter abhängig. Der könnte ihm zum Beispiel ausgesucht schlechte Nahrungsmittel als tägliches Deputat vor die Türe stellen. Schöner als ich das beschreiben kann, macht das Ludwig Thoma, der neben lustigen Lausbubengeschichten auch eher traurigere Stücke verfasst hat. In "Der Wittiber" beschreibt er 1911 die Sorgen eines Bauern vor dem Austrag: Vierundfünfzig Jahre. Nachtrag 2.2.: Stoiber ist anscheinend auch unangenehm, wie viel Appanage ihm seine Nachfolger zur Verfügung stellen. Er verspricht, nicht den ganzen Betrag auszuschöpfen und hält z.B. 40000 für Bürowartungskosten auch für unangemessen....
Sunday, 13. January 2008Kennedy gegen Oberbürgermeister Nixon
Es macht immer wieder Spass, auf der Homepage der CSU zu surfen...
Zum Beispiel wenn sie über das "Fernsehduell" auf münchen.tv berichten: Es war wie beim allerersten Fernsehduell 1960 zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy: Der amtierende Oberbürgermeister und alte Polithase sah blass aus gegen seinen jungen Herausforderer Josef Schmid. Also ich habs anders gesehn, irgendwie hat dem jungen jungen Kennedy das Charisma gefehlt. Vielleicht ists ja auch feinsinnige hinterlistige Ironie, die den Berichterstatter die Begeisterung der hundertfünfzig Fans so beschreiben lässt: Ca. 150 begeisterte Fans sahen das Duell live auf Großbildleinwand und waren von der Argumentation, der Rhetorik und dem Auftritt von Josef Schmid begeistert. Als dieser dann um kurz nach halb neun persönlich in der Hanns-Seidel-Stiftung erschien, wurde er mit frenetischer Begeisterung empfangen. Wer selbst sehen mag, wie das Duell gelaufen ist, kann sich das bei YouTube anschaun. münchen.tv unterhält dort einen eigenen Channel, wo sie wichtige Sendungen online stellen. Zum Beispiel habe ich garnicht verstanden, warum sich Herr Schmid darüber mokiert, dass Ausländer, die ein Jahr hier wohnen immer noch Infoblätter in ihrer Muttersprache erhalten. Nach Lektüre einiger dieser Anträge für Ausländer frage ich mich, ob es die nicht auch in meiner Muttersprache gibt. Bei Antrag auf einen Aufenthaltstitel müsste ich z.B. diesen Hinweis verstehen: Ich bin verpflichtet, meine Belange und für mich günstigen Umstände, soweit sie nicht offensichtlich oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über meine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen, Erlaubnisse und Nachweise unverzüglich beizubringen. Sunday, 23. December 2007Der dessen Name stets verknüpft sein wird
Am Donnerstag durfte der Bayerische Rundfunk mal wieder seinen Ministerpräsidenten interviewen. Bei Quer, was ich eigentlich recht schön finde, weil Christoph Süß einfach die besseren Fragen stellt als der übliche Hofberichterstatter. Dabei erfuhr man, dass der sparsame Ministerpräsident nun am Tisch von Alfons Goppel sitzt, weil sein Vorgänger das Mobiliar seines Arbeitszimmers mit in die Rente nehmen durfte. Der Tisch von "Strauß und Stoiber" steht also jetzt in Wolfratshausen oder in Brüssel. Beckstein wollte die Möbel eh nicht, weil er dort immer auf dem Sofa sitzen musste während er von Strauß fertiggemacht wurde.
Und da war sie wieder die damnatio memoriae. Wie im Alten Rom, wo die Namen der in Ungnade gefallenen Kaiser von den Säulen gemeisselt wurden und ihr Gesichter aus den Münzen gekratzt. Oder wie in Stalins Russland, wo jedes Gemälde übermalt werden musste, weil der neue Diktator die alten Weggefährten nicht mehr sehen wollte. Eines Tages werden die Leute einfach nicht mehr wissen, dass es einen Ministerpräsidenten von 1988 bis 1993 gab. Der vermutlich auch an dem Tisch seines Vorgängers sass und bestimmt auch Spuren am Sofa hinterlassen hat. Aber anscheinend darf der Name nicht genannt werden. Das erinnert ein wenig an Harry Potter, obwohl die Gefahr gering scheint, dass Stoibers Vorgänger wiederkommt, wenn man ihn beim Namen nennt. Dabei wäre es garnicht so schlimm. Ok, der Mann war korrupt, aber bei einer Partei, die zu kleinen Diensten unter Spezln ein ähnliches Verhältnis hat wie der fromme Katholik zur Verhütung, wäre das nun wirklich nichts schlimmes. Zu Lebzeiten haben sie den gestrauchelten ja auch noch fleissig gelobt, den "Pionier des Umweltschutzes", der "Pfeiler eingerammt hat, damit die bayerischen Staatsfinanzen auch in stürmischen Zeiten nicht ins Schlingern geraten", den "Eisbrecher des Föderalismus in Europa", dessen Name stets mit dem "Europa der Regionen" verknüpft sein wird (das hat ihm zumindest sein Parteifreund Glück zum Geburtstag 1997 erzählt). Und heute? Nix. Niemand darf ihn nennen, eine Lücke von fünf Jahren klafft in der Erinnerung der alten Parteifreunde und nur gelegentlich taucht die Geschichte seines Falls noch in der Zeitung auf. Als Parallele zum Sturz seines Nachfolgers, als Beispiel für die traditionelle Vorgehensweise mit der die zweite Reihe der CSU ihren Chef loswird, wenn er mal für kurze Zeit die Meute nicht voll unter Kontrolle hat. Bei Stoiber werden sie es aber nicht schaffen. Der Mann ist Teil der Sprachkultur geworden, und selbst wenn der Bayernkurier ihn auf die Liste setzt, das Web vergisst ihn nicht. Thursday, 8. November 2007Auskunft für alle
Was ich letzten Freitag noch für mangelnde Abstimmung in der Grossen Koalition gehalten habe, war überhaupt nicht unabgestimmt. Es gibt tatsächlich grosse Unterschiede zwischen Münchner und Berliner Politikern bei der Auffassung über den Zweck der Vorratsdatenspeicherung.
Während Bundesjustizministerin Zypries fleissig weiter predigt, dass nur Schwerkriminelle betroffen seien, stänkert ihre bayerische Kollegin per Pressemitteilung gegen die Weicheier in Berlin an: "Den Urhebern wird durch die Verletzung von Urheberrechten im Internet, z.B. durch das unerlaubte Angebot von Filmen, Musikstücken und Texten, ein immenser Schaden zugefügt", so Merk. [...] Um den Urhebern Auskunft geben zu können, müssen die Provider aber auf bestimmte interne Daten zurückgreifen. Genau das untersagt aber das jetzt beratene TKÜ-Gesetz, das die Verwendung solcher Daten nur zu Zwecken der Strafverfolgung erlaubt. Merk: "Es ist für mich ein Unding, in einem Gesetz einen Auskunftsanspruch als wesentliche Neuerung zu verkünden und ihn durch ein anderes Gesetz stillschweigend zu beerdigen!" In der Konsequenz der vorliegenden Vorschläge müssen die Rechteinhaber weiter den Weg über Strafanzeigen gehen, was nicht nur die Staatsanwaltschaften massiv belastet, sondern vor allem zu einer nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern führt. Klar, als Anwalt der Musikindustrie würde ich mir sowas auch wünschen. Genauso wie Tankstellenbesitzer immer wieder davon träumen, ohne mühselige Anzeige bei der Polizei einfach den Benzindieb anhand seiner Autonummer zu identifizieren. Beiden hat man aber den Weg zur Polizei vorgeschrieben und vermutlich hat man sich was dabei gedacht. Ich glaube, der frühere Grund war, dass man nicht einfach persönliche Daten aufgrund blosser Behauptungen rausgeben wollte, sondern zumindest eine grobe Plausibilitätsprüfung von der Staatsgewalt vornehmen lassen wollte. Der Luxus dieses staatlichen Prüfungsmonopols kostet natürlich und vermutlich klagen die Staatsanwaltschaften zurecht über Massenanzeigen der Urhebervertreter. Aber nur aus Kostengründen kann man ja nicht gleich auf wesentliche Aufgaben des Staates verzichten. Für den surfenden Bürger wäre es sowieso egal, ob er mehr Staatsanwälte durchfüttert oder mehr Personal in den Rechtsabteilungen der Provider. Weil eine der beiden Einrichtungen müsste ja die Anfragen der Urheber prüfen. Eine Weitergabe meiner Daten an jeden dahergelaufenen Typen, der einfach nur so behauptet ich hätte sein Lied laut vor Publikum gepfiffen wäre ja völlige Anarchie und Anarchie mag die CSU nicht. Die "nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern" ist übrigens nicht so schlimm. Jedenfalls nicht, wenn man hier mal den Informationen der Bundesministerin glaubt: Zypries ist der Auffassung, dass beim illegalen Naschen an Tauschbörsen "in 99,9 Prozent der Fälle das Verfahren eingestellt wird". Eine Verfolgung koste der Staatsanwaltschaft "zu viel Zeit" und würde sie von wichtigeren Aufgaben abhalten. Auch die Industrie habe "kein Interesse, einzelne Leute zu verfolgen". Tuesday, 6. November 2007Demo gegen Vorratsdatenspeicherung
Schön, dass heute trotz des Sauwetters doch eine ganze Menge Leute zu der Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung gefunden haben. Wie viele das waren, kann ich nichtmal ansatzweise schätzen, gibts sicher morgen in der Zeitung und im Polizeibericht zu lesen. Irgendwo in der Mitte liegt die richtige Zahl...
Die Reden von "Validom" und Klaus Hahnzog fand ich ziemlich gut, Judith Greif von der Grünen Jugend München war auch nett anzuhören, nur Hedwig Krimmer von ver.di hätten sie besser irgendwo verstecken sollen. Die gute Frau hat glaube ich im ersten Halbsatz der Begrüssung irgendwas von Vorratsdatenspeicherung gesagt und danach eine standardisierte "Beckstein ist Rassist und wir wollen keinen Einsatz der Bundeswehr im Inneren"-Rede gehalten. Ersteres glaub ich garnicht so recht und letzteres ist richtig, aber das ausgerechnet an den Löschhubschraubern bei der Waldbrandbekämpfung am Thumsee festzumachen ist schon ziemlich schräg. Es war entweder die falsche Demo, oder die falsche Rede. Beim Wiederaufwärmen vor der Glotze kam dann Frau Zypries in heute zu Wort und sagte in die Kamera, dass sich durch das neue Gesetz garnichts ändern würde, weil auch bisher alles schon gespeichert würde. Das wäre ja beruhigend, weil ein Gesetz, durch das sich nichts ändert, wäre ja völliger Unsinn und würde nie verabschiedet werden... Nachtrag: Die Veranstalter sagen, es seien 2000 Leute gewesen, die Polizei spricht von "über 1000". Bilder gibts inzwischen auch.
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