Was ich
letzten Freitag noch für mangelnde Abstimmung in der Grossen Koalition gehalten habe, war überhaupt nicht unabgestimmt. Es gibt tatsächlich grosse Unterschiede zwischen Münchner und Berliner Politikern bei der Auffassung über den Zweck der Vorratsdatenspeicherung.
Während Bundesjustizministerin Zypries fleissig weiter predigt, dass nur Schwerkriminelle betroffen seien, stänkert ihre bayerische Kollegin per
Pressemitteilung gegen die Weicheier in Berlin an:
"Den Urhebern wird durch die Verletzung von Urheberrechten im Internet, z.B. durch das unerlaubte Angebot von Filmen, Musikstücken und Texten, ein immenser Schaden zugefügt", so Merk. [...] Um den Urhebern Auskunft geben zu können, müssen die Provider aber auf bestimmte interne Daten zurückgreifen. Genau das untersagt aber das jetzt beratene TKÜ-Gesetz, das die Verwendung solcher Daten nur zu Zwecken der Strafverfolgung erlaubt. Merk: "Es ist für mich ein Unding, in einem Gesetz einen Auskunftsanspruch als wesentliche Neuerung zu verkünden und ihn durch ein anderes Gesetz stillschweigend zu beerdigen!" In der Konsequenz der vorliegenden Vorschläge müssen die Rechteinhaber weiter den Weg über Strafanzeigen gehen, was nicht nur die Staatsanwaltschaften massiv belastet, sondern vor allem zu einer nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern führt.
Klar, als Anwalt der Musikindustrie würde ich mir sowas auch wünschen. Genauso wie Tankstellenbesitzer immer wieder davon träumen, ohne mühselige Anzeige bei der Polizei einfach den Benzindieb anhand seiner Autonummer zu identifizieren. Beiden hat man aber den Weg zur Polizei vorgeschrieben und vermutlich hat man sich was dabei gedacht.
Ich glaube, der frühere Grund war, dass man nicht einfach persönliche Daten aufgrund blosser Behauptungen rausgeben wollte, sondern zumindest eine grobe Plausibilitätsprüfung von der Staatsgewalt vornehmen lassen wollte.
Der Luxus dieses staatlichen Prüfungsmonopols kostet natürlich und vermutlich klagen die Staatsanwaltschaften zurecht über
Massenanzeigen der Urhebervertreter. Aber nur aus Kostengründen kann man ja nicht gleich auf wesentliche Aufgaben des Staates verzichten. Für den surfenden Bürger wäre es sowieso egal, ob er mehr Staatsanwälte durchfüttert oder mehr Personal in den Rechtsabteilungen der Provider. Weil eine der beiden Einrichtungen müsste ja die Anfragen der Urheber prüfen. Eine Weitergabe meiner Daten an jeden dahergelaufenen Typen, der einfach nur so behauptet ich hätte sein Lied laut vor Publikum gepfiffen wäre ja völlige Anarchie und Anarchie mag die CSU nicht.
Die "nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern" ist übrigens nicht so schlimm. Jedenfalls nicht, wenn man hier mal den
Informationen der Bundesministerin glaubt:
Zypries ist der Auffassung, dass beim illegalen Naschen an Tauschbörsen "in 99,9 Prozent der Fälle das Verfahren eingestellt wird". Eine Verfolgung koste der Staatsanwaltschaft "zu viel Zeit" und würde sie von wichtigeren Aufgaben abhalten. Auch die Industrie habe "kein Interesse, einzelne Leute zu verfolgen".