Saturday, 19. January 2008Bayerischer Landestrojaner
Der Mathematiker, den das LKA im Oktober gesucht hat, scheint gut zu sein. Nicht unbedingt ein guter wissenschaftlicher Kryptologe, aber als Hacker nicht unbegabt. "Wissenschaftliche Auseinandersetzung" war ja auch nicht verlangt, schnelle Hacks sind das Ziel.
Anscheinend ist er jetzt fertig, plötzlich will der Innenminister nicht mehr länger darauf warten, ob das Bundesverfassungsgericht Online-Durchsuchungen erlaubt, sondern noch in den nächsten Wochen den eigenen Verfassungsschutzvirus an den Mann bringen. Genehmigen wird jeden Einsatz übrigens der Minister persönlich. Der brave Bürger muss sich also keine Sorgen machen, auf die Rechtschaffenheit und das Augenmass des Herrn Herrmann kann er vertrauen. Thursday, 17. January 2008"Jeder Brocken vorgezählt und überall im Weg"
Im September schrieb ich noch über den Austrag des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten. Damals hab ich vermutet, sie würden ihm in Brüssel, weit weg von Landtag und CSU-Präsidium ein Häuschen hinstellen und ihn dort mit alten Akten füttern.
Stattdessen bekommt er ein kleines 13-Zimmer-Büro mit 5 Angestellten und ein paar Bodyguards in der Wagmüllerstrasse 18. Gleich neben dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, auch einem hochangesehenen Würdenträger, den man lieber ein wenig abseits ansiedelt. Natürlich gibts auch schon wieder Streit über die Kosten dieses "Austragshäusl" des gestürzten Landeschefs. Keiner aus der Opposition gönnt ihm die jährlich 450 tausend Euro, die er für seine Arbeit als Aktenvernichter eben braucht. Ganz wie es sich für pensionierte Altbauern gehört. Streit mit den Erben gehört eben auch zum Austrag. Und weil so viele Google-Treffer mit "Austragshäusl" hier aufschlagen sei das kurz erklärt: "Austrag" beschreibt den Ruhestand eines Bauern. Laut Wikipedia ist das ein bayerischer Begriff, ich kann das nicht beurteilen, das Synonym "Ausgedinge" kenn ich nur vage und "Altenteil" hätte ich nicht nur dem landwirtschaftlichen Umfeld zugeordnet. Der Begriff ist eher negativ besetzt: Das Vermögen eines Bauern steckt im Hof, Schätze zur späteren Altersversorgung kann er in der Regel nicht anhäufen. Wenn also der Bauer in Ruhestand geht und in ein kleineres Häusl neben dem Anwesen zieht, verliert er die Kontrolle über sein gesamtes Vermögen und ist auf Rentenzahlung seines Sohnes angewiesen. Damit dabei nichts schief geht, wird vor der Übergabe verhandelt und geklärt, wie viel Geld und Naturalien dem Altbauern in Zukunft zustehen. Trotz genauer Abmachungen bleibt er aber vom wirtschaftlichen Geschick und der Güte seines Sohnes und der Schwiegertochter abhängig. Der könnte ihm zum Beispiel ausgesucht schlechte Nahrungsmittel als tägliches Deputat vor die Türe stellen. Schöner als ich das beschreiben kann, macht das Ludwig Thoma, der neben lustigen Lausbubengeschichten auch eher traurigere Stücke verfasst hat. In "Der Wittiber" beschreibt er 1911 die Sorgen eines Bauern vor dem Austrag: Vierundfünfzig Jahre. Nachtrag 2.2.: Stoiber ist anscheinend auch unangenehm, wie viel Appanage ihm seine Nachfolger zur Verfügung stellen. Er verspricht, nicht den ganzen Betrag auszuschöpfen und hält z.B. 40000 für Bürowartungskosten auch für unangemessen....
Wednesday, 16. January 2008Verwirrung
Seit knapp 3 Wochen ist das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gültig, und immer noch herrscht Verwirrung in den Medien, was eigentlich gespeichert wird und wozu.
Der Spiegel berichtet Ende Dezember noch darüber, dass auch die Betreffzeilen der Mails gespeichert würden: Allerdings ist bei den Protokollen einiger Dienste, etwa E-Mail, technisch nicht ohne weiteres sauber zwischen Inhalten (etwa Betreffzeile) und Transport-Details (E-Mail-Adressen) zu trennen. Er erwähnt das allerdings eine Woche später nicht mehr. Vielleicht hat ihnen mal jemand ein Mailserver-Log gezeigt. Der Bayerische Rundfunk erwähnt die Ortung per GPS, wobei die die Vorratsdatenspeicherung nur als Aufhänger nutzen und allgemein über "gläserne Bürger" schreiben: Über Handy kann man dank GPS geortet werden. Sogar vor seiner Einführung war das Gesetz schon nützlich, um Schläger in der Münchner U-Bahn ausfindig zu machen, sagt Schäuble den Münchner Wählern des CSU-Oberbürgermeisterkandidaten: Der CDU-Politiker meinte, dass die Festnahme der zwei Täter, die im Dezember einen Rentner überfallen haben, mittels Vorratsdaten erfolgt sei, weshalb deren Speicherung nötig sei. Das ist natürlich alles Unsinn. Mailserver kommen gut mit Absender, Empfänger, Uhrzeit und IP-Adressen der beteiligten Rechner zurecht. Subject und ähnlicher Inhalt der Mail würde den armen Server nur verwirren. Mein Mailserver schreibt zum Beispiel solche Logs: Jan 16 20:58:15 CET 2008 client=liszt.debian.org[82.195.75.100] Mein Handy hat wie die meisten dieser Dinger kein GPS eingebaut und wenn würde es trotzdem seine Koordinaten nicht permanent senden, der Provider muss zur Ortung weiterhin sein Funktürmchen nutzen, die Organe der inneren und äusseren Sicherheit haben IMSI-Catcher dafür. Und der Schläger in der U-Bahn wurde nicht dank der Vorratsdatenspeicherung gefunden, sondern weil sein Provider für die Abrechnung die Rufnummern aufbewahrt, vielleicht auch mehr, nachdem er wusste, dass das Handy geklaut worden war. Jedenfalls wäre eine 6-Monatige Datenspeicherung für staatliche Zwecke auf Vorrat zu diesem Zeitpunkt illegal gewesen. Ich finde diese Verwirrung eigentlich nicht schlecht. Ich glaube, seit der Volkszählung 1987 gabs kein so breites Interesse daran, was der Staat über uns wissen kann und darf. Breite Schichten machen sich plötzlich Sorgen um Verschlüsselung und der Spiegel macht Werbung für Anonymisierungstechniken. Damit kommt dieses Thema endlich aus den finsteren Ecken des Internets raus, in denen sich bisher Freaks, Geheimagenten und Raubkopierterroristen getummelt haben. Eine Spur Fatalismus seh ich allerdings auch. Irgendwie lese ich aus den Beispielen auch sowas wie "Die wissen eh schon alles" raus, manchmal auch "Die verschaffen sich das alles eh irgendwie, auch illegal". Das stimmt natürlich auch, wer Zypries Rede im Bundestag "Diese Daten, die für Abrechnungszwecke gebraucht werden, werden gespeichert, nicht mehr und nicht weniger" mit der Realität des Gesetzestextes (Mailserverlogs, Positionsbestimmung bei Handytelefonaten, Logs bei kostenlosen Anonymisierern) vergleicht, könnte leicht das Gefühl bekommen, dass wir absichtlich belogen werden. Das mit dem GPS im Handy war vielleicht auch nur ein prophetischer Zug des BR. Einige Handies lassen sich ja schon als Navigationsgerät verwenden. Bei flächendeckender Versorgung mit Ortungshandies wird es bestimmt einen Dienst geben, der die Navigation im Nahbereich anbietet. In grossen Biergärten entfallen so die lästigen Gespräche "Ich bin jetzt am Eingang, wo sitzt Ihr?". Stattdessen wird eine kleine Karte mit allen registrierten Freunden im Umkreis von 200m angezeigt. Dieses "location based buddy finding" (kurz "lobbing") erfordert dann auch regelmässiges Übermitteln und zentralen Abgleich der Daten. Und natürlich wird der Staat dringend Zugriff darauf brauchen, um verfolgen zu können, welche buddies sich wo zusammenrotten. Nachtrag: Das hier ist im Moment der einzige Google-Treffer für "location based buddy finding". Wenn einer so einen Dienst rausbringt und so nennt, will ich 0,5% vom Gewinn! Sunday, 13. January 2008Alte Propaganda
Stets auf der Suche nach historischen Schriften im Netz war ich auch auf der Suche nach altem Propagandamaterial. Fündig wurde ich auch, hab aber dann eigentlich keine Lust mehr gehabt, eine Parallele zu modernem Wahlkampf zu ziehen.
Deshalb hier also ganz ohne Einordnung der Hinweis auf das "German Propaganda Archive" von Randall Bytwerk am Calvin College. Der Mann sammelt Bilder und Dokumente aus der Weimarer Zeit, dem Dritten Reich und der DDR. Die Texte sind ins Englische übersetzt und damit hier nicht mehr so interessant (Originale gibts z.B. bei nationalsozialismus.de). Die Scans der Wahlplakate und Propagandabilder sind aber schon sehr sehenswert. (Bild aus "Nazi Posters 1933-45", ein Plakat zur Volksabstimmung nach dem "Anschluss" Österreichs am 10. April 1938. 99,7% der Österreicher und 99,6% im "Altreich" waren dafür.) Kennedy gegen Oberbürgermeister Nixon
Es macht immer wieder Spass, auf der Homepage der CSU zu surfen...
Zum Beispiel wenn sie über das "Fernsehduell" auf münchen.tv berichten: Es war wie beim allerersten Fernsehduell 1960 zwischen Richard Nixon und John F. Kennedy: Der amtierende Oberbürgermeister und alte Polithase sah blass aus gegen seinen jungen Herausforderer Josef Schmid. Also ich habs anders gesehn, irgendwie hat dem jungen jungen Kennedy das Charisma gefehlt. Vielleicht ists ja auch feinsinnige hinterlistige Ironie, die den Berichterstatter die Begeisterung der hundertfünfzig Fans so beschreiben lässt: Ca. 150 begeisterte Fans sahen das Duell live auf Großbildleinwand und waren von der Argumentation, der Rhetorik und dem Auftritt von Josef Schmid begeistert. Als dieser dann um kurz nach halb neun persönlich in der Hanns-Seidel-Stiftung erschien, wurde er mit frenetischer Begeisterung empfangen. Wer selbst sehen mag, wie das Duell gelaufen ist, kann sich das bei YouTube anschaun. münchen.tv unterhält dort einen eigenen Channel, wo sie wichtige Sendungen online stellen. Zum Beispiel habe ich garnicht verstanden, warum sich Herr Schmid darüber mokiert, dass Ausländer, die ein Jahr hier wohnen immer noch Infoblätter in ihrer Muttersprache erhalten. Nach Lektüre einiger dieser Anträge für Ausländer frage ich mich, ob es die nicht auch in meiner Muttersprache gibt. Bei Antrag auf einen Aufenthaltstitel müsste ich z.B. diesen Hinweis verstehen: Ich bin verpflichtet, meine Belange und für mich günstigen Umstände, soweit sie nicht offensichtlich oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über meine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen, Erlaubnisse und Nachweise unverzüglich beizubringen.
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