Friday, 31. August 2007Brauner Abend
Weil sich grad alle so schön aufregen über Nazivideos bei YouTube habe ich mir heute auch mal einen rechten Videoabend gegönnt.
Jud Süß findet man zwar nicht mehr, aber die anderen Filme sind kinderleicht zu finden. Einfach mal mit "Hitler" als Suchbegriff anfangen. Egal ob der den Führer positiv oder negativ darstellt findet sich immer ein Kommentator namens "kämpfer88" oder "götterdämmerung18" der irgendwo "Sieg Heil" drunterschreibt. Da einfach weitersuchen, die Favoriten anklicken und schon steht man mitten im braunen Sumpf. Gelegentliche Abzweiger zu den Waffenfreaks kann man machen, die sind aber eher harmlos und erschöpfen sich in den Details des halbautomatischen Getriebes des Tiger I. Ich finde, man sollte die Videos alle da lassen. Zum einen bin ich eh für freien Zugang zu allen Informationen, egal ob ich sie schön finde oder nicht und für Meinungsfreiheit. Zum anderen halte ich die Videos auf YouTube aus propagandistischer Sicht auch eher für einen Reinfall. Dort kann man nämlich kommentieren. Nazis stehen dabei oft doof da und Nicht-Nazis machen doch auch manchmal eine gute Figur (ok, echt nur manchmal). Liegt aber auch daran, dass Nazis dort oft nicht Deutsch als Muttersprache beherrschen und sich trotzdem bemühen, in der Sprache des Führers zu tippen. Unterm Strich find ich die Originalvideos dort und die Musikvideos von “Landser” und “Stahlgewitter” auch nicht schlimmer als die hundertste Folge von “Hitlers Frauen / Generäle / Bankiers / Hunde” im ZDF wo uns Wochenschauclips mit herrlichen Truppenparaden auf der Champs-Élysées und das Fahnenmeer in Nürnberg gezeigt werden, umrahmt von ernstmienigen Historikern, die das ganze dann mit “Aber lassen Sie sich nicht täuschen, das führte ins Verderben für Deutschland, Europa und darüber hinaus” abmoderieren. Bemerkung am Rande: Wirklich jede Diskussion über Hitler führt nach 5 Kommentaren zu Spekulationen über seine Schwanzgrösse. Da muss was dran sein. Fundstück am Rande: Nachtrag: Das Video hab ich jetzt auch auf Deutsch gefunden, bei MyVideo. Wer Glück hat und mit dem Realplayerdings zurechtkommt, kann sich auch das Original ansehen. Produziert wurde der Kinospot vom Verein "Gesicht Zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland e.V." und dort findet man ihn im Download-Bereich. Thursday, 23. August 2007Schwere Sprache
Ich dachte ja, die GEZ nimmts locker, wenn man ihre Inkassomethoden ein bisschen kommentiert, aber anscheinend kann die auch recht verbissen sein, wenn sie sich von
akademie.de hat jedenfalls eine Liste mit Vokabeln bekommen, die nicht mehr im Zusammenhang mit der GEZ verwendet werden sollen. "GEZ-Brief" soll dort bitte in Zukunft mit "Informationsschreiben der GEZ und/oder Schreiben, mit dessen Hilfe der gesetzliche Auskunftsanspruch des § 4 Abs. 5 RGebStV geltend gemacht wird" übersetzt werden. Die Anmeldung eines Gerätes soll zukünftig auch nicht mehr "GEZ-Anmeldung" genannt werden oder schmucklos "Anmeldung für den Privathaushalt" wie es die GEZ selbst tut, sondern "gesetzlich vorgesehene Anmeldung von zum Empfang bereit gehaltener Rundfunkgeräte". Das macht die Berichterstattung irgendwie schrecklich holprig, aber vermutlich schmeichelt die gespreizte Ausdrucksweise dem gequälten Sprachempfinden Ganz schön mühsam, immer die passenden Worte rauszusuchen, und mal wieder Zeit, auf den alten Beitrag hier zu verweisen. Einfach die GEZ und die öffentlich rechtlichen Sender für die Nutzung anderer Leute Webseiten zur Kasse bitten. Mal ehrlich, so viele Zuseher wie der ZDF-Theaterkanal haben selbst wir hier und die meisten Seiten im Internet sind wesentlich unterhaltsamer als das Vorabendprogramm der ARD. Die zahlen zwar bisher nicht für die Nutzung dieser schönen Seite, aber solange sie nicht zahlen sind sie ausgesperrt und man hat mindestens so viel Freude an den Logfiles mit den ausgesperrten IP-Adressen wie der GEZ-Jurist an der Formulierung " (Den Link hab ich bei Heise gefunden) Wednesday, 22. August 2007Google-Fahndung
Was bin ich froh, dass wir hier nur unter völlig harmlosen Suchbegriffen gefunden werden. Man gerät ja leicht in Verdacht, wenn man so Intellektuellen-Ausdrücke wie Gentrifizierung verwendet.
[seiner Anwältin] Clemm zufolge haben die Fahnder des BKA im Internet nach bestimmten Stichworten gesucht, die auch die "militante gruppe" in ihren Bekennerschreiben benutzt. Darunter seien Begriffe wie "Gentrification" oder "Prekarisierung". Da H. zu diesen Themen forsche, seien die Fahnder auf ihn aufmerksam geworden. "Das reichte für die Ermittlungsbehörden für eine fast einjährige Observation, für Videoüberwachung der Hauseingänge und Lauschangriff", so Clemm. Überhaupt war der Mann total verdächtig... Trifft sich mit mutmasslichen Kriminellen konspirativ (also ohne sein Handy mitzunehmen) und hat "als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung stehen, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der Texte der Militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen" [Quelle]. Seit heute ist er übrigens wieder gegen Auflagen draussen. Der Staatsanwalt hat dagegen Berufung eingelegt. Das mit den Bibliotheken find ich ja fast beleidigend. Ich kenne zwar die Texte der mg nicht, aber ich hoffe doch, dass ein promovierter Soziologe aus eigenem Wissen und Bücherbestand in der Lage ist, ein linkes Flugblatt zu schreiben. Nicht das die Leser auch noch in die Bibliothek rennen müssen, um das zu verstehen. Andererseits... vieleicht doch... Vor meiner Berufschule standen auch immer Leute und haben uns die "Marxistisch-Leninistische Arbeiterzeitung" in die Hand gedrückt. Hat bei uns auch keiner kapiert, was da drinstand, so ganz ohne Studium des dialektischen Materialismus. Friday, 17. August 2007Simplicissimus online
Eine Arbeitsgemeinschaft von Archivaren hat sich die Mühe gemacht, alle Jahrgänge von 1896 bis 1944 des Simplicissimus zu scannen und als PDF online zu stellen. Natürlich nicht nur die Texte, wär ja langweilig bei so einer bildlastigen Zeitung, sondern als Faksimile, in Farbe, samt Grafiken und Anzeigenteil. Ein Inhalts- und Autorenverzeichnis als normaler Text haben sie auch dazu getippt.
Vieles davon versteht man natürlich nicht mehr. Die Andeutungen auf das aktuelle Geschehen sind heute so unverständlich wie es in 100 Jahren Andeutungen auf Verteidigungsminister in Swimmingpools oder stammelnde Ministerpräsidenten sein werden. Das Titelbild vom 1. April 1902 zum Beispiel mit einer Armee von Sektflaschen die ein Kriegsschiff verlassen, kapiert man nur, wenn man rausbekommt, dass der Sinn der damals eingeführten Sektsteuer die Finanzierung der kaiserlichen Kriegsmarine war. Ist das eigentlich immer noch so? Süffeln wir Schaumwein für unsere Soldaten am Horn von Afrika? Wahrscheinlich nicht. Auch das wird bei kommenden Generationen nicht anders sein, wenn sie ihren Opa fragen müssen, was dieser Begriff "Solidaritätszuschlag" auf ihrer Lohnabrechnung eigentlich bedeutet. Auch der Reklameteil der Zeitung wird nach so langer Zeit wieder lesenswert. Neben wirklich schönen Autos mit 3 PS findet man allerhand Anzeigen zu Beauty und Wellness sowie einige Dinge, die man heute so nicht mehr bewerben würde... Angeblich von Lesern eingesandte Witze waren übrigens auch schon im 19. Jahrhundert so platt wie heute: Der Kultusminister besichtigt eine Kunstsammlung. Der führende Gelehrte macht ihn darauf aufmerksam: "Sehen Ew. Exzellenz die herrliche Färbung dieser Vase, diesen herrlichen Ton!" Seine Exzellenz nähert sein Ohr der Vase und klopft mit dem Zeigefinger daran: "Ah! Sehr schön!" (Bilder aus dem Simplicissimus. "Motorwagen" 4/24 Sept. 1899, "Schnurrbart" 11/6 Mai 1906, "Nasenformer" 25/5 Apr. 1920, "Excelsior" 4/15 Juli 1899, "Photographien" 4/24 Sept. 1899) Nachtrag: Das Titelbild hab ich wieder rausgenommen, der Zeichner Thomas Theodor Heine ist 80 Jahre alt geworden und starb 1948, seine Bilder bleiben noch 11 Jahre geschützt, auch wenn sie vor 105 Jahren gezeichnet wurden. Also müsst Ihr selber in den PDFs suchen, macht eh Spass, dort zu schmökern. Thursday, 16. August 2007Alles Unsinn
Ich muss meinen Beitrag vom 3.8. zurücknehmen. Das war alles Stuss, was Herr Ziercke und seine zwei Experten der Chip verraten haben. Sagt jedenfalls das BKA:
Eine BKA-Sprecherin erklärte auf Nachfrage, das Gespräch mit Ziercke sei nicht autorisiert gewesen. Wie muss man sich diese Sommerpause in der Politik eigentlich vorstellen? Handeln die zurückgebliebenen untergeordneten Beamten eigentlich im Auftrag und schmeissen Nebelgranaten wenn der Chef weg ist? Oder muss ich mir das eher so vorstellen, dass die Eltern aus dem Haus sind und die Kinder in der sturmfreien Bude Party machen und sich ein neues Terrorabhörzentrum aus den Sofakissen zusammenschieben wo sie dann zusammensitzen und sich Szenarien irgendwo zwischen 007 und Star Wars ausdenken? Fest steht: Nix genaues weiss ma ned. Die Fachwelt rätselt wies funktionieren soll, aber alle sind sich ganz sicher, dass man die Online-Durchsuchung dringend braucht und man keinen Tag länger warten darf.
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