Eine Arbeitsgemeinschaft von Archivaren hat sich die Mühe gemacht, alle Jahrgänge von 1896 bis 1944 des Simplicissimus zu scannen und als PDF
online zu stellen. Natürlich nicht nur die Texte, wär ja langweilig bei so einer bildlastigen Zeitung, sondern als Faksimile, in Farbe, samt Grafiken und Anzeigenteil. Ein Inhalts- und Autorenverzeichnis als normaler Text haben sie auch dazu getippt.
Vieles davon versteht man natürlich nicht mehr. Die Andeutungen auf das aktuelle Geschehen sind heute so unverständlich wie es in 100 Jahren Andeutungen auf Verteidigungsminister in Swimmingpools oder stammelnde Ministerpräsidenten sein werden.
Das Titelbild vom 1. April 1902 zum Beispiel mit einer Armee von Sektflaschen die ein Kriegsschiff verlassen, kapiert man nur, wenn man rausbekommt, dass der Sinn der damals eingeführten Sektsteuer die Finanzierung der kaiserlichen Kriegsmarine war.
Ist das eigentlich immer noch so? Süffeln wir Schaumwein für unsere Soldaten am Horn von Afrika? Wahrscheinlich nicht. Auch das wird bei kommenden Generationen nicht anders sein, wenn sie ihren Opa fragen müssen, was dieser Begriff "Solidaritätszuschlag" auf ihrer Lohnabrechnung eigentlich bedeutet.
Auch der Reklameteil der Zeitung wird nach so langer Zeit wieder lesenswert. Neben wirklich schönen Autos mit 3 PS findet man allerhand Anzeigen zu Beauty und Wellness sowie einige Dinge, die man heute so nicht mehr bewerben würde...
Angeblich von Lesern eingesandte Witze waren übrigens auch schon im 19. Jahrhundert so platt wie heute:
Der Kultusminister besichtigt eine Kunstsammlung. Der führende Gelehrte macht ihn darauf aufmerksam: "Sehen Ew. Exzellenz die herrliche Färbung dieser Vase, diesen herrlichen Ton!" Seine Exzellenz nähert sein Ohr der Vase und klopft mit dem Zeigefinger daran: "Ah! Sehr schön!"
(Bilder aus dem Simplicissimus. "Motorwagen" 4/24 Sept. 1899, "Schnurrbart" 11/6 Mai 1906, "Nasenformer" 25/5 Apr. 1920, "Excelsior" 4/15 Juli 1899, "Photographien" 4/24 Sept. 1899)Nachtrag: Das Titelbild hab ich wieder rausgenommen, der Zeichner Thomas Theodor Heine ist 80 Jahre alt geworden und starb 1948, seine Bilder bleiben noch 11 Jahre geschützt, auch wenn sie vor 105 Jahren gezeichnet wurden. Also müsst Ihr selber in den PDFs suchen, macht eh Spass, dort zu schmökern.