Die Parteien machen es dem Bürger nicht leicht. Wer die Entwicklung des Jugendmedienstaatsvertrags verfolgt hat, weiss eigentlich gar nicht, wen er mögen soll. Es ist zwar im Ergebnis begrüssenswert, falls dieses Machwerk wirklich morgen in NRW scheitern sollte, aber schön ist das nicht...
Die Union ist eigentlich in jedem Bundesland dafür, aus Prinzip.
Die SPD ist auch überall dafür, wo sie in der Regierung sitzt und zum Beispiel auch in Bayern, wo sie Opposition spielt. Ich glaube, sie sind auch deshalb eher dafür, weil der Vertrag aus dem Hause Kurt Becks stammt, der unter den Ministerpräsidenten für Mediendinge zuständig ist. Bisschen dagegen sein und Bauchschmerzen bei der Abstimmung vortäuschen ist aber auch gut, das wirkt modern, liberal und netzfreundlich.
Die Grünen, die FDP und die Linken sind fast überall dagegen, wo sie in der Opposition sitzen, ausser in Thüringen, da waren die Grünen auch in der Opposition dafür. Wo sie in der Regierung sitzen, sind sie aber immer dafür. Man will den grossen Partner nicht verärgern und ausserdem bekommt man als Gegengeschenk von der SPD zum Beispiel ein neues Gesetz zu den Jobcentern in Berlin. Und überhaupt haben die Ministerpräsidenten den Vertrag ja schon unterschrieben und es steht dem Parlament nicht zu, bei der Ratifizierung nachträglich Kritik am Landesherrn zu üben.
In NRW ist die Sache kompliziert. Da regiert Rot/Grün. Und die waren bis heute für den Staatsvertrag, eben weil sie an der Regierung sind. Da zählt auch nicht, dass die Unterschrift vom vorherigen Ministerpräsidenten geleistet wurde, Kontinuität ist wichtig.
Allerdings regiert da eine rotgrüne Minderheitsregierung. Und deshalb ist jetzt auch die CDU gegen den Staatsvertrag, obwohl ihr alter Chef den unterschrieben hat. Weil wenn man der Regierung eins auswischen kann, zählen keine Prinzipien mehr, da gehts um höhere Werte. Sollte nämlich die Opposition aus Linken, FDP und CDU geschlossen dagegen votieren, könnte man der SPD/Grünen-Regierung eine Abstimmungsniederlage beibringen.
Eine Abstimmungsniederlage der Regierung ist praktisch der Untergang der Demokratie, muss also um jeden Preis verhindert werden. Also wollen jetzt SPD und Grüne auch gegen den Vertrag stimmen. Dann wären sie auch bei den Gewinnern und ausserdem hatten sie ja schon immer Bauchschmerzen.
Machiavelli hätte seine Freude an diesem Schauspiel. Aber angenommen, ich möchte meine Wahlentscheidung nach Standpunkten und Programmen treffen statt nach Unterhaltungswert, ich wüsste nicht, warum ich überhaupt wählen sollte.
Nachtrag 16.12.: Es kam wirklich so. Eben wurde der JMSTV in NRW abgelehnt. Einstimmig, alle Parteien, die woanders dafür waren, waren also heute in Düsseldorf dagegen.