Ich muss mir dringend ein paar Scans des Stürmer und des Völkischen Beobachters auf dem Schwarzmarkt besorgen. Bei dem Aufheben, das unsere besorgten Landesväter um diese Zeitungen machen, muss von den Worten geradezu magische Wirkung ausgehen, ein echter Mythus des 20. Jahrhunderts. Die paar Exemplare, die ich hoffentlich legal im Deutschen Historischen Museum finde, reichen leider nicht aus, um mich zu faszinieren.
Auch die Symbolik muss ergreifend sein. Eigentlich komisch, dass mich die paar Hakenkreuze, Adler und Runen im Bücherschrank nie so richtig gepackt haben. Inhaltlich sind die Bücher ja alle unbedenklich, aber schon die Covers sollten eigentlich eine Gefahr darstellen. Dabei hab ich die Umschlagbilder in einem Alter angesehen, in dem der junge deutsche Mann noch formbar ist und sich sofort einen neuen Haarschnitt verpasst, sobald er infiziert ist. Und zu den völkisch bewegten hätte ich es damals nicht weit gehabt. Die Wiking-Jugend war damals recht aktiv in meiner Gegend und noch nicht verboten. Heute hab ich natürlich alle Buchumschläge verpixelt, um nicht in Versuchung zu geraten.
Vielleicht bin ich aber auch deshalb kein rechter Idiot geworden, weil mir niemand gesagt hat, dass ich das nicht lesen darf. Ich glaube, das Interesse für verbotene Literatur hätte mich erst so richtig motiviert, tiefer in die Vorstellungswelt nationaler Dichter und Denker einzusteigen und vielleicht hätte es mir ja gefallen. Aber mir hat ja keiner gesagt, dass der korrekte Zugang zur deutschen Geschichte irgendwo zwischen der History-Show "Hitlers Köche - als Vegetarier in der Wolfsschanze" und der DVD "Deutsche Panzer" (Metallbox-Edition) liegt.
Ausländer tun sich da natürlich leichter, das Time Magazin dieser Zeit gibts zum Beispiel online zu lesen. Nichts für Neonazis, weil die Leute da waren eher links und ausserdem siehts einfach komisch aus, im englischen Text immer "Herr Hitler" und "Old Paul" [von Hindenburg] zu lesen. Aber die panzerbegeisterten Nachfahren unserer Krieger kommen auch dort auf ihre Kosten:
The battlefront disappeared, and with it the illusion that there had ever been a battlefront. For this was no war of occupation, but a war of quick penetration and obliteration—Blitzkrieg, lightning war. Even with no opposition, armies had never moved so fast before. Theorists had always said that only infantry could take and hold positions. But these armies had not waited for the infantry. Swift columns of tanks and armored trucks had plunged through Poland while bombs raining from the sky heralded their coming.
Wäre schön, wenn sich Hitlers Erben Nachlassverwalter im Bayerischen Finanzministerium auch dazu durchringen könnten, mit Zeitdokumenten so normal umzugehen wie andere Länder. Von mir aus auch nur als Text, da müssen sie die Hakenkreuze sowieso weglassen. Und die Neonazis müssen nicht extra Frakturschrift lernen um den Völkischen vor 1941 zu lesen. So bleiben wichtige Ressourcen im Kopf frei.