Die Willkür, mit der unsere Staatsschützer
Furcht und Schrecken verbreiten uns vor Verrätern schützen, macht mir Angst.
Da tauchte im Januar
ein Dokument der Justizverwaltung auf, das belegt, dass unsere Polizei schon fleissig mit dem Landestrojaner rumspielt. Das zu einer Zeit, zu der die Anwendung der Online-Durchsuchung noch nicht gesetzlich geregelt war und die Sicherheitsorgane den Einsatz auch
dementierten. Unsere Justizministerin war allerdings schon damals der Ansicht, dass das schon
lange erlaubt war, weil der Einsatz gegen Internet-Telefonierer ja keine richtige Durchsuchung sei. Ob sie ihn wirklich einsetzten, geht aus dem Dokument nicht eindeutig hervor, aber immerhin regelten sie schon, wer den Einsatz bezahlen soll ("die Frage, wer die Auslagen zu tragen hat ist gesetzlich nicht geregelt", wen wunderts ...). Die Echtheit des Dokuments blieb im Januar unbestätigt.
Aus dem Amt getragen wurde dieser Brief anscheinend von einem besorgten Staatsdiener, der fand, dass dieses finstere Treiben seiner Kollegen an die Öffentlichkeit gehört. Verbreitet hat es dann der Landesverband der Piratenpartei.
Mit einiger Verzögerung schlägt das Imperium jetzt zurück und bestraft die Unbotmässigen. Als ersten Schuldigen haben sie den Pressesprecher der Piratenpartei ausgemacht, der die Pressemitteilung samt Dokument ins Netz gestellt hat. Den
suchen sie im Morgengrauen heim, um an den Namen des Informanten zu kommen. Ausserdem nehmen sie einem anderen Parteimitglied
einen Server weg und haben anscheinend auch seinen Uni-Account gesperrt.
Zur Aufklärung wird das repressive Vorgehen gegen die Zeugen des Dienstgeheimnisverrats nicht viel beitragen. Der Pressesprecher tippt da anscheinend nur die Mitteilungen, weiss also eh nicht, wo der Brief herkam. Und den anderen traue ich schon auch zu, dass sie keine elektronischen Spuren hinterlassen, wenn sie mit brisantem Material hantieren, wenigstens nach 9 Monaten sollten die Spuren dann schon langsam verweht sein.
Als Signal an andere Aufmüpfige, der Regierung nicht ins Handwerk zu pfuschen, ist sowas aber schon gut geeignet. Nicht jeder hat Geld, Öffentlichkeit und die Nerven der Cicero-Redaktion, sich die Verfassungswidrigkeit einer Hausdurchsuchung ganz oben bestätigen zu lassen. Es betrifft ja auch keine grosse Organisation, sondern zwei engagierte Mitglieder einer Kleinstpartei. Und gestürmt werden keine Redaktionsräume im Zeitungsviertel, wo ein bisschen Polizei vor der Haustüre zum Image einer kritischen Zeitung beiträgt, sondern normale Wohnungen, wo Nachbarn möglicherweise noch den Staatsanwalt für den Guten im Krimi halten.
Was mir fehlt, ist eine Stellungnahme der Staatsregierung, ob sie jetzt tatsächlich ein halbes Jahr vor dem Gesetz zur Onlinedurchsuchung ihren Trojaner schon laufen liessen.
- Entweder haben sie und es war legal, dann wäre es ja nicht weiter tragisch, wenn man rumerzählt, wie teuer der Spass ist. Dann wären sie uns aber eine Erklärung schuldig, warum gefühlte 90% der Begründungen für das neue Gesetz völliger Unsinn waren.
- Oder sie haben ihn illegal eingesetzt, dann können sie dem Verräter ja dankbar sein, dass er eine gefährliche Verschwörung innerhalb der Polizei und Justiz aufgedeckt hat. Allerdings müssten sie uns dann mindestens ein paar disziplinierte Beamte präsentieren. Und einen zuständigen Innenminister, der zur Strafe jetzt seinen Lebensabend als Ministerpräsident verbringen muss.
- Oder sie haben ihn nicht eingesetzt, dann ist ja alles in Ordnung. Lediglich ihre Lieferanten wären vielleicht wegen des Hackerparagraphen dran. Weil an illegalen Abhörtools darf man nicht rumbasteln in Deutschland. Aber ob es illegal gewesen wäre, wenn, könnten dann in Ruhe die Jurastudenten überlegen.