Es ist schön zu sehen, wie plötzlich die Thematik "Zensur und deren Umgehung im Internet" von allen Medien aufgegriffen wird. Das
ZDF empfiehlt
JAP,
Tor und
Picidae; Die
Deutsche Welle berichtet von Proxy-Servern;
Spiegel Online empfiehlt "VPNs ab 8 Euro" und berichtet, dass AP sein eigenes überwachungsresistentes WAN für die Auslandskorrespondenten hat und die
Süddeutsche stellt ebenfalls Picidae als Gegenmittel heraus. Laut
ORF hat sogar der Deutsche Olympische Sportbund schnell ein VPN gebastelt.
Es wird Zeit,
mal wieder darauf aufmerksam zu machen, dass all die schönen Hilfen für fernreisende Sportreporter und daheimgebliebenen Chinesen auf ziemlich schwachen Füssen stehen.
Vor allem natürlich, weil auch die chinesischen Zensoren nicht doof sind und alle diese Empfehlungen kennen.
Gefährdet sind diese Dienste aber auch in Deutschland, und ohne Proxies in der freieren Welt gibts dann auch für den chinesischen Zensor in der Hinsicht nichts mehr zu tun.
Wer sowas hier betreibt, muss nämlich immer wieder mal mit Besuch von der Polizei rechnen, gelegentlich auch
rechtswidrig oder des
Nachts aus versehen. In der Regel endet es glimpflich für die Betreiber, es muss auch keiner fürchten, ins Umerziehungslager gesteckt zu werden, das ist der wesentliche Unterschied zu China. Aber viele geben halt nach ein paar Besuchen auf.
Vor allem sind die Dienste von der Vorratsdatenspeicherung bedroht. Die meisten Server werden es ab Januar 2009 nicht schaffen, die Datenmengen gesetzeskonform aufzubewahren. Lustigerweise ist das was das Gesetz von den Proxies fordert ja nicht mal hilfreich für die Ermittler:
"Wer Telekommunikationsdienste erbringt und hierbei die nach Maßgabe dieser Vorschrift zu speichernden Angaben verändert, ist zur Speicherung der ursprünglichen und der neuen Angabe sowie des Zeitpunktes der Umschreibung dieser Angaben nach Datum und Uhrzeit unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone verpflichtet." (TKG 113a)
verpflichtet ja nur zur Speicherung der (ursprünglichen) IP-Adresse des Clients und der (neuen, immer gleichen) IP-Adresse des Proxies selbst. Bei einem gut besuchten Proxy kein Grund zur Sorge, da geht die einzelne IP-Adresse in der Masse unter, was bei einem häufigen Wechsel des Proxy bzw. der Kaskade bei JAP oder der Tor-Router vermutlich völlig ausreicht.
Aber nur weil es Unsinn ist, wird man nicht drauf verzichten. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts im Herbst wird man eh ein paar Änderungen am Gesetz vornehmen müssen (wenn ich mal raten darf: Die Speicherpflicht bleibt, nur sowas wie die Gültigkeit für sämtliche "
mittels Telekommunikation begangene Straftaten" wird kassiert). Und dann kann man noch ein paar technische Änderungen einbauen, die machen sich ja bestimmt auch schon Gedanken drüber.
Sollte unsere Presse also zu den nächsten Olympiaden auch wieder Proxies brauchen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt sich gegen die Kriminalisierung von Anonymisierungsdiensten hierzulande stark zu machen.
Nötig könnte es werden: Für 2016 hat sich unter anderem Katar beworben, im Internet vermutlich kein guter Platz für FrauenrechtlerInnen, Gegner der Monarchie oder Menschen die dem Islam den Rücken kehren wollen. Das IOC wird davon sehr überrascht sein.