Unsere Kommunalpolitiker haben anscheinend mächtig Angst davor, dass wir falsch wählen. Falsch ist vor allem die andere Partei, aber ich glaube, sie haben auch Sorge vor verschenkten Stimmen und ungültigen Stimmzetteln verwirrter Wähler. Deshalb bekommen wir zur Zeit so viele Gebrauchsanweisungen "So wählen Sie richtig!". Dabei gibts die gleiche -- und vollständige -- Information auch beim Innenministerium als
Gebrauchsanweisung zum runterladen. Und so kompliziert ist es auch nicht. Ungültig wählten 2002 3,5% der Wähler, vielleicht sogar absichtlich. Beim Bundestag mit seinem einfachen Wahlrecht waren es 2005 auch schon 1,6%.
Komischerweise macht wirklich keine der Anweisungen auf die Möglichkeiten aufmerksam, die das Wahlrecht so kompliziert machen. Jeder will nur dafür sorgen, dass seine Liste angekreuzt wird und ansonsten wird dunkel von "Stimmen verloren gehen!" geraunt.
Das
Kumulieren oder
Häufeln erwähnen sie noch gelegentlich. Das bedeutet, dass ich meine 20 Stimmen für den Gemeinderat auf unterschiedliche Kandidaten der Liste verteilen kann. (20 Stimmen und Sitze im Gemeinderat sind es, weil hier zwischen 5000 und 10000 Leute wohnen, andere Gemeinden haben
mehr oder weniger.)
Falls ich also überzeugter Unionswähler bin, aber unbedingt den Herrn auf Platz 19 im Rat haben möchte statt der 18 Menschen über ihm, gebe ich ihm maximal 3 Stimmen. Bei der Auszählung hat dann der Herr Nr. 19 drei Stimmen und der Rest keine. Damit dabei aber das Parteiinteresse nicht verloren geht, wird immer darauf hingewiesen, dass ich auch noch ein Kreuzerl bei der Liste machen soll. Tu ich das, bekommt der Herr Nr. 19 drei Stimmen und meine restlichen Stimmen bekommen die ersten 17 Leute von der Union. Jeder allerdings nur eine, ausser er ist mehrfach auf der Liste aufgeführt.
Sollte ich dagegen alle Unionsleute mögen ausser dem Herrn Nr. 3, muss ich mir die Mühe machen, allen anderen Leuten der Liste ein Kreuzerl, eine 2 oder eine 3 vor den Namen zu malen. Dann bekommen die diese Anzahl der Stimmen, und der Herr Nr. 3 geht leer aus. Ich dachte eigentlich, man könnte den Herrn Nr. 3 auch einfach streichen, aber weder die Broschüre vom Innenministerium noch die von der
Landeszentrale für politische Bildung erwähnen das...
Was wirklich niemand erwähnt, ist
Panaschieren. Dabei wäre das doch gerade ideal für engagierte Politiker, deren Stellung in der Partei nicht für einen vernünftigen Listenplatz gereicht hat. Z.B. haben bei uns zwei Nachwuchsliberale für den Kreistag zusammengelegt und eine Postkarte mit ihren persönlichen Vorzügen gedruckt. Der eine mag mit Platz 4 noch Chancen haben, einen der 70 Sitze im Kreistag zu bekommen, der andere mit Platz 35 ist auf persönliche Kreuzerl angewiesen. Für die wäre Panaschieren ideal.
Das heisst nämlich, dass ich nicht innerhalb der Liste kreuzeln muss. Ich darf da auch raus. Das wäre die Gelegenheit für Nr. 35, auch mal in fremden Gewässern zu fischen: "Machen Sie halt Ihr Kreuz bei der CSU wenn sie das so von klein auf gewohnt sind, aber malen Sie auch bei mir eine 3 davor. Weil ich persönlich so gut bin!". Würde ich das tun, hätte er drei Stimmen und die restlichen Stimmen gehen an die CSU.
Ganz besonders gut informierte Wähler, die sich jeden Bewerber genau anschauen und kennen, können natürlich auch kreuz und quer über den Zettel ihre Stimmen verteilen, ohne ein Reststimmenkreuz für eine Liste zu machen. Dann aber schön mitzählen und die 20 vollmachen, weil sonst "gehen Stimmen verloren", aber wenn einer alle Kandidaten kennt und bewusst nur 18 Stimmen verteilt, weil er alle anderen doof findet, ist das eigentlich kein echtes "verlieren".
Wer über 20 kommt, dessen Zettel ist ungültig. Und bei Kreistagswahlen (da sinds ja 70), wird es echt schwierig.
Kultig stell ich mir übrigens eine Wahl in ganz winzigen (oder politisch sehr geschlossenen) Dörfern vor, die nur einen Wahlvorschlag oder gar keinen haben. Dort darf man den Namen seines Lieblings dann per Hand eintragen...