Wednesday, 14. November 2007Unwürdiger Vorgang
Wie viele andere hätte mich ja schon interessiert, ob die Bundestrojaner, die unter Schily losgelassen wurden aus Unwissenheit oder als kalkulierter Rechtsbruch genehmigt wurden. Dass sie rechtswidrig waren, ist ja inzwischen geklärt.
Leider werden wir das nie erfahren. Der damals zuständige Staatssekretär wird uns nichts erzählen. Er ist nämlich heute nicht mehr zuständig, sondern darf im Justizministerium seinen Scharfsinn bei der Textanalyse beweisen. Deshalb kann er auch nicht vor dem Innenausschuss zu dieser Affäre aussagen: Die Opposition beantragt seit Monaten im Innenausschuss, Diwell dazu befragen zu können, ob er - wie in einem Interview behauptet - tatsächlich nicht gewusst habe, dass seine Verwaltungsanordnung zum Ausspähen privater Computer benutzt werden würde. Im November hatte sich auch die Union überraschend dem Wunsch der Opposition angeschlossen, den Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) damit zu beauftragen, Diwell in einem Brief zur Sitzung des Innenausschusses zu laden. Edathy teilte am Vormittag mit, Diwell habe seinen Brief beantwortet und darauf hingewiesen, er sehe sich außer Stande, im Ausschuss zu sprechen, da er "sachlich nicht zuständig" für das Thema sei. Diwell ist inzwischen Staatssekretär im Justizministerium. Die Koalitionsfraktionen verwiesen in der Ausschusssitzung darauf, man habe "kein Zitierungsrecht" und könne Diwell zu einem Besuch "nicht zwingen". Die Opposition zeigte sich davon verärgert. Für fachlich zuständig hält er sich allerdings schon noch. Zumindest bastelt er weiter am Gesetz, das die früheren illegalen Aktivitäten seiner Untergebenen endlich legalisiert. Erst letzte Woche hat er den Unterschied zwischen legal abzuhörender "laufender Kommunikation", wie z.B. Internet-Telefonie und der strenger geschützten "geronnenen Kommunikation" mit einer ganz neuen Wortschöpfung fein herausgearbeitet. Sowas finden sogar die Abgeordneten der Union doof, die sich vielleicht auch einfach nur einen besseren Stand für Schäuble erhofft. Für den wäre es ja schon schön, wenn sein Vorgänger nicht nur aus Fahrlässigkeit sondern aus fester Überzeugung die heimliche Online-Durchsuchung genehmigt hätte. Auch die Union zeigte sich empört: Der Vorgang sei "eine Farce" und man fühle sich "als Parlamentarier auf den Arm genommen". Diwells Verhalten sei nicht das, was "man von einem der höchsten Beamten der Bundesrepublik erwartet hätte". Allerdings seien den Ausschussmitgliedern nunmehr die Hände gebunden und man plädiere dafür, die Sache "als unwürdigen Vorgang im Deutschen Parlament" abzuschließen. Schade, aber da kann man halt nichts machen. Vermutlich gibts für Diwell dieses Jahr auch keine Weihnachtskarte vom Innenausschuss, aber zu schärferen Massnahmen kann der Ausschuss nicht greifen. Das ist natürlich ziemlich schade, weil gerade im Bereich der Geheimdienste wird ja praktisch alle Kontrolle an das Parlament abgegeben, insofern wäre es schon irgendwie sinnvoll, diese Kontrolle nicht nur von der Auskunftsbereitschaft des Verantwortlichen abhängig zu machen. Vielleicht kommen die Parlamentarier ja zu einer Auskunft, wenn der Mann wieder im Innenministerium arbeitet. Schäuble findet das ja sicher super, wie genial der Staatssekretär der Legislative auf der Nase rumtanzt. Schliesslich ist Schäuble auch nicht so für diese Untersuchungen: Angesichts der grenzüberschreitenden Dimension der Kriminalität und des Terrorismus müsse die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste ausgebaut werden, mahnte der CDU-Politiker. Schäuble fügte hinzu, dies sollte man auch „nicht durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse gefährden, weil dies der Sicherheit unseres Landes nicht entspricht“. Monday, 12. November 2007Vorratsdatenspeicherung für kleine Server
Im Beitrag hier drunter geht der Link vielleicht verloren, drum nochmal ein Hinweis auf
Jens Ferner: Vorratsdatenspeicherung in der Praxis I der sich darüber Gedanken macht, wie private "Provider" für den Freundeskreis mit einem (v)Server mit der neuen Gesetzeslage umgehen sollen. Der Autor legt das Gesetz recht vorsichtig aus und meint, dass vielleicht auch diese kleinen Provider davon betroffen sein könnten. Ich kanns selbst nicht beurteilen, weil ich nicht abschätzen kann, wie Juristen mit Ausdrücken wie "öffentlich zugänglicher Dienst" umgehen. Ob das ein Mailserver ist, der seine Mailadressen an jedermann verkauft/verschenkt oder ein Mailserver, bei dem jedermann einen Brief abliefern kann, kann aber nur ein Schriftkundiger entscheiden. Womöglich gibts dazu sogar schon ein wegweisendes Urteil über die Aufstellung von Briefkästen... Durchlesen sollte man sichs zumindest mal, um nicht plötzlich von wichtigen Fragen überrascht zu werden. Ausserdem schadet es nicht, wenn man sich mal Gedanken macht, wo welche Logfiles liegen, was die an persönlichen Daten enthalten, wie man sowas auskunftsgerecht aufbereiten würde und wie man die vorratsgespeicherten Daten gesichert und verschlüsselt aufbewahren würde. Da guckt keiner rein
Seit heute ist das Protokoll zur Bundestagssitzung am 9.11. und der Gesetzentwurf online zum Nachlesen. Wenn man den Reden der Regierungsfraktionen glaubt, ist diese Vorratsdatenspeicherung eigentlich garnicht so schlimm. Keiner guckt in diese Daten, man speichert eigentlich nicht mehr als früher und eigentlich sind lediglich Terroristen und Organisierte Kriminelle wirklich betroffen.
Erfassung von DatenBrigitte Zypries (SPD): Wir haben in ausführlichen Gesprächen – auch mit Telekommunikationsunternehmen – darauf hingewiesen, dass man allenfalls die Daten speichern kann, die ohnehin beim Telefonieren erhoben und bereits zu Abrechnungszwecken gespeichert werden.[...] Man sieht also, nur Daten, die bisher schon legalerweise zu Abrechnungszwecken erfasst werden, werden gespeichert. Das wird die Besitzer von Flatrates freuen, deren Einwahl ja bisher nicht mitprotokolliert werden durfte. Dass manche Provider das trotzdem getan haben, steht auf einem anderen Blatt, auf illegales Treiben kann sich die Ministerin ja kaum berufen. Ebenso werden sich Mailprovider freuen. Da keiner von denen einzelne Mails mit einer Art Porto belegt hat, sollten denen einzelne Mails zu Abrechnungszwecken völlig egal sein. Sie müssen also auch zukünftig nicht speichern. Mini-Provider, die für sich und ihre Kumpel einen (v)Server gemietet haben können auch aufatmen. Entgegen anderslautenden Meinungen müssen sie sich nicht plötzlich mit Fragen (Wo sind denn diese Maillogs? Wie speicher ich die für 6 Monate? Wie verschlüssel ich sowas?) auseinandersetzen. Wer von seinen Kumpeln nichts kassiert, ist nicht betroffen. Mobilfunkprovider sind damit sicher auch glücklich: Ausser bei Verträgen mit "Home-Zone" oder ähnlichem war ja der Standort des Kunden bisher für die Rechnung irrelevant, lediglich fürs Roaming während des Gesprächs musste man wissen, welches Funktürmchen das Handy versorgt. Wird also auch zukünftig nicht gebracht. Auch Betreiber von Anonymisierungsdiensten wie zum Beispiel Tor haben sich ganz umsonst Sorgen gemacht. Die hatten ja schon Angst, sie müssten loggen, weil das so im neuen §113a (6) TKG steht. War alles Panikmache, weil bisher loggen die ja auch nicht und zumindest bei Tor-Servern war Bezahlung nie ein Thema. Zugriff auf die DatenAusser mit richterlichem Beschluss hat niemand Zugriff darauf, das ganze Gerede von Zugriffen anderer Stellen, wie z.B. den Geheimdiensten ist Unsinn. Brigitte Zypries (SPD): Frau Leutheusser, Sie haben in Ihrem Interview mit der Berliner Zeitung behauptet, dass wir mit diesem Gesetz dem Verfassungsschutz und sonstigen Geheimdiensten Tür und Tor öffnen würden. Das ist einfach nicht richtig. Auch vor Missbrauch muss man keine Furcht haben. In diese automatischen Logfiles guckt keiner rein. Schon garnicht beim Staat, weil der speichert ja garnicht. Klaus Uwe Benneter (SPD): Das alles ist unter den heutigen Bedingungen nur möglich, wenn auch die Kommunikationsmöglichkeiten überwacht, erhoben und gespeichert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in einer kürzlich ergangenen Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass dies möglich und auch notwendig ist KleinkriminelleFilesharer, Beleidiger oder Produktpiraten, die selbstgenähte Markentextilien über ebay verticken müssen ebenfalls nicht befürchten, dass ihnen jetzt die Antiterrorgesetze zum Verhängnis werden, zumindest wenn man den Zwischenruf des rechtspolitischen Sprechers der Union als Widerspruch deutet. Jan Korte (DIE LINKE): Bei der Bundesregierung soll der Zugriff bei erheblichen Straftaten und bei einer „mittels Telekommunikation“ begangenen Straftat geregelt werden. So steht das dort drin. Das beinhaltet beispielsweise auch eine Beleidigung am Telefon oder das illegale Herunterladen von Klingeltönen oder was auch immer. Das ist die Logik davon. FazitWie man sieht, alles nicht so tragisch. Es ändert sich praktisch nichts und die ganze Aufregung ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Wir werden sehn, wie sich das dann so in der Praxis gestaltet. Ich vermute, dass meine Kommentare da oben völlig am Gesetz vorbeigehen, ebenso wie die Beruhigungspillen der Koalitionäre. Am Ende des Protokolls (Anhang 4, Heise-Bericht dazu) kommt übrigens noch ein echt bizarres Dokument, in dem 26 SPD-Abgeordnete begründen, dass sie das Gesetz für schlecht und teilweise für verfassungswidrig halten. Sie haben allerdings trotzdem dafür gestimmt und hoffen, dass ihre Entscheidung für ein schlechtes Gesetz in Karlsruhe wieder revidiert wird. Schöner kann man eigentlich Art 38 GG "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" nicht karrikieren als mit diesem Satz: Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird. Andrea Nahles hat übrigens versucht, dieses komische Abstimmungsverhalten auf ihrer Homepage und bei Abgeordnetenwatch zu begründen. Friday, 9. November 2007Wie erwartet
wurde also heute die Vorratsdatenspeicherung im Bundestag durchgebracht. Jetzt muss halt Karlsruhe mal wieder herhalten, die Regierenden auf den Boden der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung zurückzuholen. Die Chancen stehen gut, bei anderen verfassungsfeindlichen Aktivitäten wie dem Abschuss von Verkehrsflugzeugen oder dem Grossen Lauschangriff hat das ja auch geklappt. Die Täter gehen bei diesem Gericht zwar immer straflos aus, aber wenigstens wurde ihnen bisher immer die Beute abgenommen.
Falls die Verfassungsbeschwerden des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung und der üblichen Kläger der FDP (Hirsch, Baum und Leutheusser-Schnarrenberger) nicht erfolgreich sind, müssen wir uns mit dem Wissen über die totale Dokumentation unserer Kommunikation abfinden. Dieses Wissen ist sehr wichtig, wie Frau Zypries weiss. Immerhin drückt sich darin alles aus, was wir unter "Informationeller Selbstbestimmung" verstehen. Schütte: Gehört die informationelle Selbstbestimmung nicht mehr zum Selbstverständnis einer modernen Demokratie? Aber immerhin würde die Welt sicherer: Die Terroristen werden durch das Gesetz in den Ruin getrieben, wenn sie sich einen Server irgendwo ausserhalb der europäisch-amerikanischen Datensammelgemeinschaft kaufen müssen und lernen, Anonymisierungsdienste zu nutzen. Die Mafiabosse werden wir klein kriegen, indem wir sie nur noch mit einem unter falschem Namen gekauften Prepaidhandy telefonieren lassen wie ein kleines Bambino ohne Konto. Das trifft den Patrone dort wo es wirklich weh tut, bei der Ehre. Die Liste der namentlichen Abstimmung birgt keine grossen Überraschungen und bringt über reine Parteizugehörigkeit hinaus keine Wahlempfehlung fürs nächste Mal. Koalition dafür, Opposition dagegen. Das einzig verwunderliche ist, dass auch aus dem schwärzesten Eck konservativer Politik eine Nein-Stimme kam: Peter Gauweiler hat dagegengestimmt. Vielleicht bekommt der Fragesteller bei Abgeordnetenwatch.de eine Antwort, was den Mann dazu bewegt hat. Lesetipp: Beim Ravenhorst gibts einen interessanten Beitrag zum Thema, vor allem der Teil "Aber wie gehts weiter?" ist lesenswert. Zypries dämliche Verwechslung von Bestimmung und Benachrichtigung wird im law blog gewürdigt. Thursday, 8. November 2007Auskunft für alle
Was ich letzten Freitag noch für mangelnde Abstimmung in der Grossen Koalition gehalten habe, war überhaupt nicht unabgestimmt. Es gibt tatsächlich grosse Unterschiede zwischen Münchner und Berliner Politikern bei der Auffassung über den Zweck der Vorratsdatenspeicherung.
Während Bundesjustizministerin Zypries fleissig weiter predigt, dass nur Schwerkriminelle betroffen seien, stänkert ihre bayerische Kollegin per Pressemitteilung gegen die Weicheier in Berlin an: "Den Urhebern wird durch die Verletzung von Urheberrechten im Internet, z.B. durch das unerlaubte Angebot von Filmen, Musikstücken und Texten, ein immenser Schaden zugefügt", so Merk. [...] Um den Urhebern Auskunft geben zu können, müssen die Provider aber auf bestimmte interne Daten zurückgreifen. Genau das untersagt aber das jetzt beratene TKÜ-Gesetz, das die Verwendung solcher Daten nur zu Zwecken der Strafverfolgung erlaubt. Merk: "Es ist für mich ein Unding, in einem Gesetz einen Auskunftsanspruch als wesentliche Neuerung zu verkünden und ihn durch ein anderes Gesetz stillschweigend zu beerdigen!" In der Konsequenz der vorliegenden Vorschläge müssen die Rechteinhaber weiter den Weg über Strafanzeigen gehen, was nicht nur die Staatsanwaltschaften massiv belastet, sondern vor allem zu einer nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern führt. Klar, als Anwalt der Musikindustrie würde ich mir sowas auch wünschen. Genauso wie Tankstellenbesitzer immer wieder davon träumen, ohne mühselige Anzeige bei der Polizei einfach den Benzindieb anhand seiner Autonummer zu identifizieren. Beiden hat man aber den Weg zur Polizei vorgeschrieben und vermutlich hat man sich was dabei gedacht. Ich glaube, der frühere Grund war, dass man nicht einfach persönliche Daten aufgrund blosser Behauptungen rausgeben wollte, sondern zumindest eine grobe Plausibilitätsprüfung von der Staatsgewalt vornehmen lassen wollte. Der Luxus dieses staatlichen Prüfungsmonopols kostet natürlich und vermutlich klagen die Staatsanwaltschaften zurecht über Massenanzeigen der Urhebervertreter. Aber nur aus Kostengründen kann man ja nicht gleich auf wesentliche Aufgaben des Staates verzichten. Für den surfenden Bürger wäre es sowieso egal, ob er mehr Staatsanwälte durchfüttert oder mehr Personal in den Rechtsabteilungen der Provider. Weil eine der beiden Einrichtungen müsste ja die Anfragen der Urheber prüfen. Eine Weitergabe meiner Daten an jeden dahergelaufenen Typen, der einfach nur so behauptet ich hätte sein Lied laut vor Publikum gepfiffen wäre ja völlige Anarchie und Anarchie mag die CSU nicht. Die "nicht gewollten Kriminalisierung einer großen Zahl von Rechtsverletzern" ist übrigens nicht so schlimm. Jedenfalls nicht, wenn man hier mal den Informationen der Bundesministerin glaubt: Zypries ist der Auffassung, dass beim illegalen Naschen an Tauschbörsen "in 99,9 Prozent der Fälle das Verfahren eingestellt wird". Eine Verfolgung koste der Staatsanwaltschaft "zu viel Zeit" und würde sie von wichtigeren Aufgaben abhalten. Auch die Industrie habe "kein Interesse, einzelne Leute zu verfolgen".
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