Das Kabinett hat heute den Gesetzentwurf für die Internetzensur verabschiedet. Vermutlich wird das auch so zum Gesetz werden, weil der Gesetzgeber ändert nicht mehr viel an den Entwürfen und ausserdem eignet sich das Thema ja wirklich schwer als Wahlkampfthema, wenn die Union die "Wir tun was!"-Position schon besetzt hält.
Erstmal wirds eine DNS-Sperre geben, die Übersetzung von "www.boeseseite.tld" auf den entsprechenden Server wird also verbogen auf eine Stoppseite, aber das Gesetz ist offen für weitere Sperrverfahren. Die tägliche Sperrliste des BKA soll auch nur an Grossprovider abgegeben werden, Kunden von Kleinbetrieben, Unis oder Behördennetzen bleiben also vor unerlaubten Inhalten ungeschützt. Ist natürlich dämlich, aber ich verstehe schon, warum man beispielsweise mir diese Liste nicht geben möchte...
Wer die Diskussionen der letzten Wochen zu den Thema verfolgt hat, wird ein wenig überrascht sein, dass die Behauptung auf dem Entwurf der Stoppseite nicht stimmt, weder Provider noch BKA würden speichern, wer diese Seite besucht. Also genau genommen stimmt sie schon, sie speichern nicht, sie schauen nur zu... Oder mit den Worten der Justizministerin, die dabei auch gleich die Beweislast umkehrt (von "SZ-Online audio" abgetippt):
"Die Daten werden nicht gespeichert. Aber die Strafverfolgungsbehörden können in Echtzeit zugreifen und können sehen wer versucht hier gerade eine solche Seite aufzurufen. Und in dem Moment macht der sich bereits strafbar, es sei denn, er kann hinterher nachweisen, dass das irgendwie ein komplettes Versehen oder eine technische Umleitung war."
Mit solchen Aussagen verhindert man natürlich wunderbar, dass irgendein Inländer die Liste auch mal überprüft, ob die genauso unpassend ist wie ihre Vorbilder in anderen Staaten. Aber da muss man halt auf das befreundete Ausland ausweichen...
Ich stells mir auch schwierig vor, hinterher nachzuweisen, dass das ein Versehen war. Vermutlich hat da die Frau Zypries irgendwie andere Vorstellungen vom Internet als ich:
Der normale Besucher z.B. von bild.de macht mit einem Klick auf die Seite eine Verbindung auf zu google-analytics.com, googlesyndication.com, fbcdn.net, facebook.com, uimserv.net und ivwbox.de. Auf noch grässlicheren Seiten wird das nicht anders aussehen, das Stoppschild muss für den Besucher auch nicht unbedingt sichtbar sein. Ich glaube, nicht einer der Bild-Besucher könnte hinterher auch nur vermuten, wieso er täglich zu facebook surft, "nachweisen" wird gänzlich unmöglich sein.
Auf dem Papier wird das Gesetz übrigens ein voller Erfolg werden. Bei den Zahlen, die sie in der Begründung nennen (111% Steigerung der Fallzahlen in der Kriminalstatistik) sind ja die vielen Verdächtigen der "Operation Himmel" dabei. Falls also 2009 die Staatsanwälte sich ein wenig zurückhalten bei Aktionen, die massig Verdächtige hervorbringen, aber zu keinen Verurteilungen führen, könnte 2009 zum Jahr des sauberen Internets werden. Seriöse Politiker wissen, dass die Kriminalstatistik eher ein Arbeitsnachweis der Polizei als ein Überblick über die tatsächliche Kriminalität ist. Das wird sie aber nicht davon abhalten, uns nächstes Jahr einen deutlichen Rückgang dieses Kriminalitätsbereichs zu beweisen...