Eigentlich wollte ich ja was über Frau von der Leyens Idee schreiben, die gut bewährten Zensursysteme unserer skandinavischen Nachbarn zu übernehmen, aber ich hab in der Oekonomischen Encyklopädie von Georg Krünitz unter Bücher=Censur nachgeschlagen:
Müssen die im Lande zu druckende oder einzuführende Bücher nichts zum offenbaren Verderb der Sitten in sich enthalten. Doch ist dieses nicht im strengen Verstande zu nehmen, denn sonst würde man die meisten Romanen, die meisten Gedichte, und viele andere Schriften, confisciren müssen. Man muß zufrieden seyn, wenn solche Schriften nur etwas nützliches in sich enthalten, und wenn ein Verfasser die Tugendlehre aus dem Plan seiner Schrift nicht ganz und gar ausgemustert hat. Nur solche Schriften sind zu confisciren, die alles nützlichen und vernünftigen Endzwecks beraubt sind, und die offenbar zu nichts anders geschrieben sind, als die verderbten Lüste und die Geilheit zu erregen, und welche in jungen Gemüthern ein unaussprechliches Verderben anrichten.
Ein [zu zensierender] Schrifsteller ist entweder ein Unterthan desjenigen Regenten, dessen Gerechtsame er bestreitet, und er schreibet im Lande; oder er ist ein Ausländer, und die Schrift wird in einem fremden Lande gedruckt. Im ersten Falle lehret wohl die gesunde Vernunft, daß es einem Unterthan nicht zukomme, und wider seine Treue und Pflicht laufe, seines Landesherrn Gerechtsame in Zweifel zu ziehen, und in öffentlichen Schriften anzugreifen.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Und unsere Ministerin hat ja auch deutlich gemacht, dass sie diese Diskussion leid ist. Ihr geht es um die Kinder und was zukünftige Regierungen mit der neue eingeführten Zensurinfrastruktur anfangen werden, ist ja auch nicht ihr Problem. Wo kämen wir auch hin, wenn es bei jeder neuen Idee unserer Regenten eine öffentliche Diskussion gibt, Beratungen, Abwägungen der Vor- und Nachteile, der Nebenwirkungen. Da müssen einfach mal ein paar mutige Menschen vorangehen und die Dinge tun, die zu tun sind.
Ich fürchte nur, wir können ihr die Diskussion nicht ganz ersparen. Klammheimlich ohne Gesetz wollen die Provider nicht so recht mitziehen und ein Gesetz muss halt leider zumindest noch in Scheindebatten durch das Parlament bugsiert werden. Wenn sie Pech hat, steht wieder irgendein Provinzfürst auf und fordert die Zensur von Extremisten, Hasspredigern, Online-Casinos, Bombenbauanleitungen und Raubkopiererseiten noch vor der Bundestagswahl und eine Randgruppenpartei macht ein Wahlkampfthema draus. Das geht natürlich nur wenn vorher die Zensur auf irgendwas gesellschaflich akzeptiertes ausgeweitet wird, Kinderpornos zu verteidigen wäre vermutlich politischer Selbstmord. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass da rechtzeitig irgendein Depp "Online-Casinos" in die Runde schmeisst.
Aber das soll dann der Schäuble ausmachen. Schliesslich sind die Rollen in der Regierung gut verteilt und für Repression ist der Innenminister zuständig.
Übrigens: Zensur hat immer auch was nützliches, wie Herr Krünitz schon 1776 wusste:
Verbotene, confiscirte, schädliche und alte Bücher, sollte man nicht verbrennen, sondern dieselben entweder den Pappenmachern, Pappen daraus zu machen, übergeben, die sie sogleich zerreißen und darauf einweichen müssen, damit sie doch einigen Nutzen schaffen, oder auch, nach der neuern Erfindung des Hrn. Prof. Claproth in Göttingen, das Papier auf der Papiermühle wieder von neuem umarbeiten laßen, wie ich unter dem Art. Papier zeigen werde.