Um die heutige emotionale Hinwendung zum Atomstrom zu verstehen, hilft vielleicht ein Blick in die Vergangenheit. So versteht man vielleicht besser, wie diese Stimmung gegen "Atom" ebenso emotional zustandekam. Davor gabs natürlich auch Leute, die keine Kernkraftwerke wollten, aber das waren entweder Anwohner oder Grüne. Und die waren Spinner. Erst als die Leute ihre Kinder vom Sandkasten wegscheuchen mussten und jedes dieser Kinder wusste, dass Bequerel die Masseinheit für Radioaktivität ist, wurde die Idee in der breiten Masse populär.
Leider hab ich garnichts aus der Zeit archiviert und bin mir nichtmal mehr sicher, ob ich in der Erinnerung den Jahrtzehntausendunfall einer partiellen Kernschmelze in
Harrisburg 1979 nicht mit dem äusserst seltenen Unglück einer Kernschmelze 1986 in
Tschernobyl verwechsle.
Bei Youtube gibts glücklicherweise Leute, die ihre
20 Jahre alten Filme reinstellen und die Stimmung der Zeit mit Überschriften der Bildzeitung einfangen.
- 29. April - Moskau: Atom-Katastrophe
Todeswolke über Dänemark - auch über Berlin? - 3. Mai - Atomstaub, neue Gefahr
Berlin: 24000 Liter Milch beschlagnahmt
München: Kinderspielplätze verseucht
Bayern: Fenster zu
Überall: Mütter duscht Eure Kinder! - 5. Mai - Berlin: Warnung vor Strahlenregen
- 6. Mai - Atom-Angst
Was Sie essen dürfen
Die 1. Berliner fliehen - 12. Mai - Stürzt Kohl über Atom?
Strahlen: Welches Fleisch erlaubt
Schwangere wollen abtreiben - 14. Mai - Jetzt auch Treibhaus-Gemüse verseucht
Was Sie trotzdem essen können
Prochnow mit Baby auf Atomflucht
Wer sich für den bizarren Umgang von Regierenden mit dem Thema interessiert, kann mal den
Artikel im Spiegel von 1987 durchlesen. Als Überbleibsel der Verstrahlung gabs fünftausend Tonnen belastetes Molkepulver, das jahrelang eine Odyssee durch Deutschland und dessen Behördenzuständigkeiten machten. Nach mehrmaligem Statuswechsel von Futtermittel über Müll zu Sondermüll und zurück zu Futtermittel wurde es übrigens zum Grossteil 4 Jahre später
dekontaminiert und verfüttert. Lediglich 1900 Tonnen wurden 1996 unbehandelt verbrannt und ein Finger voll vom Bayerischen Umweltminister Alfred Dick zu Demonstrationszwecken aufgeleckt.
Sehenswert ist auch ein Zusammenschnitt der
Tagessschau dieser Tage: