Die letzten Abende habe ich damit verbracht, für einen Freund einen
IRC-Server aufzusetzen. Der wollte einen Chatserver für seine Homepage, sein Provider hat ihm allerdings gesagt, dass er damit zu viel kostbare Rechenzeit verheizt und er soll das woanders laufen lassen. Er könne sich ja mit einem IRC-Server per Webinterface verbinden. Und so entstand als Testsystem
irc.dianacht.de (Interessierte können klicken oder sich per IRC-Client verbinden, werden aber sicher allein im Chat sein Port 6667 für normale Verbindungen, 6668 für ssl-gesicherte).
Irgendwie eine ganz andere Welt, dieses IRC. Bei allen anderen Serverdiensten geht man davon aus, dass man irgendwelche Inhalte bietet, und die den Leuten vorsetzt, dass man Themen definiert, mit denen man sich hier zu beschäftigen hat oder halt verschwinden soll, wenn einem das Thema nicht liegt.
Bei IRC ist das alles ganz anders. Da stellt man den Leuten einfach einen Server hin, kann sich im wesentlichen aussuchen, wer sich damit verbinden darf, aber das wars dann auch. Man hat kaum Möglichkeiten die Leute in bestimmte Channels zu zwingen, jeder hat die Chance sich seinen eigenen Channel aufzumachen und nach Gutdünken zu gestalten. Der Besitzer des ganzen steht dann da und hat eigentlich ausser der Arbeit vielleicht garnix von seinem Server. Ausser halt der Möglichkeit die jeder hat: Einen Channel gründen und dort Anschluss suchen.
Andererseits: Das ist wie in der Kneipe. Der Wirt bestimmt in gewissem Rahmen darüber, wer reinkommt. Über was sich der dann mit den anderen Leuten unterhält, oder ob er überhaupt was sagt, kann er dann nicht mehr beeinflussen.
Der Betreiber kann nicht mal mitlesen, was in den einzelnen Chaträumen geredet wird. Im Gegensatz zum Wirt muss der nämlich am Tisch kein Bier verkaufen und nach der IRC-eigenen kompromisslosen Definition "Server-Operatoren haben mit den inneren Angelegenheiten einzelner Channels nichts zu tun" wurden alle Einflussmöglichkeiten auf die einzelnen Räume einfach weggelassen.
Mitprotokolliert, wer den Server nutzt, wird auch nicht. Daran sieht man auch, wie alt dieses Chatsystem ist. Sowas wäre heute verboten ;)
Ich bin ja gespannt, wie sich das bewährt. Jeder zweite Provider für kleine Server schreibt in seine AGB, dass IRC verboten ist. Vermutlich weil sie fürchten, bei irgendwelchen Chatkriegen und Bot-Schlachten in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Besonders vorsichtige Geschäftsleute formulieren sogar extra IRC-Klauseln in ihren AGB:
[Provider] behält sich das Recht vor, Server mit IRC-Diensten jederzeit außer dem Betrieb zu nehmen, falls dadurch direkt, indirekt oder vermutungsweise der restliche Betrieb beeinträchtigt wird oder werden könnte. Schäden und Kosten, die direkt oder indirekt durch IRC (zum Beispiel durch DOS-Angriffe) entstehen sollten, werden vom Kunden ausnahmslos übernommen. [...]
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Verpflichtungen verspricht der Kunde [dem Provider] unter Ausschluss der Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 2.500,00. Schäden und Kosten, die direkt oder indirekt durch eine Missachtung der vorgenannten Bestimmungen entstehen sollten, werden vom Kunden ausnahmslos übernommen.
(hervorhebung von mir. Der Konjunktiv beim Schaden in Verbindung mit den ganz realen 2500 Euro find ich schon irgendwie naja... Der Provider wird nicht genannt, weils viele so machen. War einfach der erstbeste Google-Link bei "IRC AGB")
Ich denke ja, diese Ängste sind für Provider ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, eine Urangst vor dem Säbelzahntiger, die sich in der Branche einfach weitervererbt, ohne gross hinterfragt zu werden. Kriege mögen in den grossen Netzen vielleicht noch um einzelne Channels toben, aber im wesentlichen ist es ruhig geworden in den IRC-Netzen.
Mal sehn, wenn ich wieder abschalte bin ich um eine Erfahrung reicher und verloren wäre wenig. Und vielleicht finde ich ja noch einen IRC-Client für
Eliza, dann sind die wenigen Besucher nicht so alleine.