Tuesday, 20. January 2009BSI-GesetzIrgenwie skurril. Ausgerechnet in den Foren der Zeitungen, die laut ihren Datenschutzerklärungen recht fleissig Logfiles führen, jammern die Leute rum, dass neuerdings Logfiles für Webserver erlaubt sein sollen. Die Befürchtung ist natürlich berechtigt, dass das zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung ein weiterer Schritt zur Überwachung ist. Aber den grossen Unterschied zur bisherigen Praxis sehe ich nicht. Ich finds eigentlich nicht schlecht, wenn das auch per Gesetz erlaubt und geregelt wäre. Seit ungefähr einem Jahr haben wir doch den Zustand, dass jeder weiss, dass man keine Logfiles führen darf, dass aber fast jeder das tut. Ein paar eifrige Datenschützer natürlich nicht, die Datenschutzbeauftragten finden auch alle, dass man das nicht darf, aber so wichtig scheint die Sache nicht zu sein. Immerhin reicht der Arm des Bayerischen Datenschutzbeauftragten (bzw. des Amtes, dessen Chefposten seit einem Vierteljahr nicht besetzt ist) nichtmal bis zum loggenden Server des Bayerischen Landtags. Selbst das strenge ULD kann seinem Ministerpräsidenten das Protokollieren nicht ausreden, bringt ihn alllerdings zu einer vergleichsweise kurzen Löschfrist von 4 Tagen. Die meissten kleinen Webseitenbetreiber wissen vermutlich nicht mal, in welcher Form ihr Server protokolliert und täten sich auch schwer, aus allen Ecken der Datenbank ihres CMS oder ihrer Blogsoftware die IP-Adresse der Besucher rauszukratzen. Oder sie überlassen das Protokollieren sowieso ihrem Provider und den eingebundenen externen Zählern. Helfen wird das neue BSI-Gesetz natürlich nichts, man soll zwar danach Logfiles zur Störungsbeseitigung führen dürfen (nicht müssen), aber das Rätseln um die Auslegung geht weiter. Die Frage, wie lange man die aufheben darf, ist z.B. ungeklärt ("kurzfristig" steht immerhin in der wie ich finde erstaunlich verständlichen Begründung auf Seite 13). Der Hauptteil des Gesetzes, der Auftrag für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sich um die Sicherheit der Ämter zu kümmern, alle Kommunikation von Bürgern mit den Behörden zu belauschen, Sicherheitslücken aufzudecken und mit diesen Daten anzustellen, wozu sie lustig sind, überrrascht mich eh nicht. Die ehemalige Zentralstelle für das Chiffrierwesen des BND kehrt einfach zu ihren Wurzeln zurück. Saturday, 17. January 2009CensurEigentlich wollte ich ja was über Frau von der Leyens Idee schreiben, die gut bewährten Zensursysteme unserer skandinavischen Nachbarn zu übernehmen, aber ich hab in der Oekonomischen Encyklopädie von Georg Krünitz unter Bücher=Censur nachgeschlagen: Müssen die im Lande zu druckende oder einzuführende Bücher nichts zum offenbaren Verderb der Sitten in sich enthalten. Doch ist dieses nicht im strengen Verstande zu nehmen, denn sonst würde man die meisten Romanen, die meisten Gedichte, und viele andere Schriften, confisciren müssen. Man muß zufrieden seyn, wenn solche Schriften nur etwas nützliches in sich enthalten, und wenn ein Verfasser die Tugendlehre aus dem Plan seiner Schrift nicht ganz und gar ausgemustert hat. Nur solche Schriften sind zu confisciren, die alles nützlichen und vernünftigen Endzwecks beraubt sind, und die offenbar zu nichts anders geschrieben sind, als die verderbten Lüste und die Geilheit zu erregen, und welche in jungen Gemüthern ein unaussprechliches Verderben anrichten.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Und unsere Ministerin hat ja auch deutlich gemacht, dass sie diese Diskussion leid ist. Ihr geht es um die Kinder und was zukünftige Regierungen mit der neue eingeführten Zensurinfrastruktur anfangen werden, ist ja auch nicht ihr Problem. Wo kämen wir auch hin, wenn es bei jeder neuen Idee unserer Regenten eine öffentliche Diskussion gibt, Beratungen, Abwägungen der Vor- und Nachteile, der Nebenwirkungen. Da müssen einfach mal ein paar mutige Menschen vorangehen und die Dinge tun, die zu tun sind. Ich fürchte nur, wir können ihr die Diskussion nicht ganz ersparen. Klammheimlich ohne Gesetz wollen die Provider nicht so recht mitziehen und ein Gesetz muss halt leider zumindest noch in Scheindebatten durch das Parlament bugsiert werden. Wenn sie Pech hat, steht wieder irgendein Provinzfürst auf und fordert die Zensur von Extremisten, Hasspredigern, Online-Casinos, Bombenbauanleitungen und Raubkopiererseiten noch vor der Bundestagswahl und eine Randgruppenpartei macht ein Wahlkampfthema draus. Das geht natürlich nur wenn vorher die Zensur auf irgendwas gesellschaflich akzeptiertes ausgeweitet wird, Kinderpornos zu verteidigen wäre vermutlich politischer Selbstmord. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass da rechtzeitig irgendein Depp "Online-Casinos" in die Runde schmeisst. Aber das soll dann der Schäuble ausmachen. Schliesslich sind die Rollen in der Regierung gut verteilt und für Repression ist der Innenminister zuständig. Übrigens: Zensur hat immer auch was nützliches, wie Herr Krünitz schon 1776 wusste:
Thursday, 1. January 2009Dänemarks ZensurlisteBei Wikileaks ist zu Weihnachten die Zensurliste dänischer Provider mit Stand vom Februar 08 aufgetaucht. Dänemark ist ja eines der Länder, die unseren Vorkämpfern für Internetzensur als Vorbild dienen. Wenn man der Argumentation der Zensurfreunde folgt, ist natürlich eine Internetsperre nur das letzte Mittel im Kampf gegen Kinderpornographie, weil man anders an die Verbreiter nicht herankommt. Schliesslich werden diese Seiten in Ländern gehostet, in denen ein menschenverachtendes Rechtssystem herrscht, das sexuelle Ausbeutung von Kinder toleriert. Für die dänische Liste hab ich mal eine Auflösung nach Ländern gemacht, die geographischen Daten stammen aus der "GeoIP light"-Datenbank von Maxmind, zu 95-99% sollte die Auflösung stimmen. Von den 3863 Seiten auf der Liste waren 2112 auflösbar, der Rest hatte keinen DNS-Eintrag mehr, die Verteilung der 2112 Bösen aus dänischer Sicht sieht so aus:
Auch hier wird also, wie bei der Liste aus Finnland, ein Grossteil der Seiten in der christlich-abendländischen Welt mit recht homogenen Wertevorstellungen und Rechtssystemen gehostet. Es wäre Zeit für eine diplomatische Offensive gegen die Nachbarländer und die Freunde in Übersee, die diese Sauerei zulassen. Oder für eine kritische Überprüfung, ob andere Länder bei der Abwägung von Freiheit und Zensur vielleicht doch den richtigeren Weg gehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass für die Herstellung all dieser Seiten "Kinderseelen zerfetzt" wurden, wie sich unsere Familienministerin plakativ ausdrückt, die Regierungen dort nichts unternehmen und die dänische Justiz und Diplomatie tatenlos den Kinderschändern zusieht. Aber Zensieren ist natürlich viel einfacher. Man kanns heimlich machen und ist praktisch frei von jeglicher Kontrolle, schliesslich würde sich ein Kritiker als Freund von Schmuddelkram outen und wäre leicht zu diffamieren. Wer will schon öffentlich eingestehen, dass er 2000 Pornoseiten überprüft hat und dabei 100 Seiten gefunden hat, die gar keine Schweinereien enthalten, sondern nur politisch missliebige Meinungen. Ausserdem erzeugt man durch diskretes Filtern keine schlechte Stimmung beim nächsten Staatsempfang. Beim Schreiben dieses Beitrags hab ich übrigens auch gemerkt, wie Zensur wirkt. Immerhin hantiere ich hier mit Zeug aus dem Giftschrank des Netzes und hab eine Liste von ein paar tausend Links zu Pornoseiten (nix aufregendes, beliebige Permutationen der Worte teen, girl, boy, lolita und nude) auf dem Rechner. Ich darf mir das Zeug auch als Deutscher nicht ansehen, wirklich überprüfen kann ichs also nicht, muss ich auch nicht für diese Liste. Aber immerhin hat mein Rechner eine knappe Stunde damit verbracht, DNS-Anfragen nach diesen Seiten zu verschicken und wer weiss schon, was in Zeiten der Vorratsdatenspeicherung so alles irgendwo hängen bleibt...
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