Friday, 19. December 2008Ausverkauf zum JahresendeDer Bundesrat hat heute das BKA-Gesetz samt Bundestrojaner abgenickt. Die Widerstandssimulation der SPD ist endlich beendet, und die Legislative darf in die wohlverdienten Weihnachtsferien gehen. Der Präsident muss noch unterschreiben, aber der ist es gewöhnt, dass ihm kurz vor Silvester noch ein paar Gesetze vorgelegt werden. Jetzt muss wieder das Verfassungsgericht die ganze Arbeit machen, aber die Schlussredaktion für Polizei- und Geheimdienstgesetze liegt ja traditionell bei den Leuten in Karlsruhe. Gibts eigentlich für die Kammern des Parlaments auch sowas wie in den grossen Firmen? Ein Budget an Freiheitsrechten, die man noch in diesem Jahr verpulvern muss, sonst bekommt man im nächsten entsprechend weniger Spielzeug zum kaputtmachen? Samt den lästigen Marketingdrohnen am Telefon, die einem noch im vierten Quartal einen Trojaner, eine präventive Befugnis oder eine Reduzierung der Berufsgeheimnisträger reindrücken wollen. Schäuble klang ja fast so mit seinem "Noch vor Weihnachten, sonst mag ich überhaupt kein BKA-Gesetz mehr haben!". Der Spiegel hebt hervor, dass die BKA-Beamten nicht heimlich in die Wohnung einbrechen dürfen zur Installation ihres Holzpferdes. Das stimmt natürlich, dazu müssen sie aber nur unsere Landespolizisten um Hilfe bitten. Die dürfen das, zumindest bis die Verfassungsbeschwerde gegen unser Polizeiaufgabengesetz entschieden ist. Das ist das schöne an unserer weit gestreuten Zuständigkeitsverteilung: Irgendeiner darf immer und das Argument "wir wollen nur dürfen, was der auch darf" zieht auch immer. Einen Fingerabdruck für den Personalausweis haben sie im Bundestag auch noch schnell am Donnerstag abgesegnet. Ab 2010 gibts den Ausweis mit RFID-Chip fürs Bild und die Identitätsdaten. Optional soll der Bürger noch eine elektronische Signatur speichern können und freiwillig zwei Fingerabdrücke abgeben dürfen. Sunday, 7. December 2008Keine Scorpions-Cover für BritenPassend zur Diskussion zur Internetfilterung gegen Kinderpornographie zeigt das britische Filtersystem gerade, wozu es fähig ist: Die Wikipedia ist pornografisch. In England wird erst auf die IP-Adresse gefiltert. Verkehr zu verdächtigen IP-Adressen wird zu einem transparenten Proxy ausgeleitet. Dort wird dann noch einmal genau geschaut, welche Domain (evtl. welche URL) auf diesem Server aufgerufen wird und dann wird bei Bedarf gesperrt. IP-Adresse und URL kommen aus einer Liste, die die Provider pflegen und die auf Meldungen besorgter Bürger beruhen. Den zweiten Test besteht die Wikipedia im Grossen und Ganzen, lediglich wirklich schlimme Seiten wie deutsche Plattencover fallen in England unter Kinderporno und werden gesperrt. Der Besuch anderer Seiten, wie z.B. des Artikels über die Queen ist weiterhin ungestört möglich. Die Wikipedia reagiert auf diese Zwangsproxies ein bisschen allergisch. Für die kommen plötzlich alle britischen Besucher von einer handvoll IP-Adressen, eben den Zensurproxies der Provider. Das führt dann dazu, dass diese IP-Adressen für anonyme Änderungen an Artikeln gesperrt werden, wenn ein einzelner Besucher unangenehm auffällt. Lesen geht allerdings weiterhin für alle, editieren halt nur für angemeldete User. Es kann natürlich leicht sein, dass die Wikipedia in irgendeinem Kulturkreis strafbare Inhalte enthält, schliesslich kann jeder Idiot dort irgendwas hochladen oder schreiben. Ausserdem enthält die Wikipedia durchaus auch Artikel, die einem frommen Taliban oder unserer Familienministerin nicht gefallen würden. Berichten betroffener User zufolge ist z.B. zur Zeit der Artikel über "Virgin Killer", einer Scheibe der Scorpions aus dem Jahr 1976 und deren Cover, ein unbekleidetes Mädchen mit Sprüngen im Glas vor den Genitalien, für Untertanen ihrer Majestät zur Zeit nicht erreichbar. Das Cover wurde übrigens später durch etwas unverfänglicheres ersetzt, bei Amazon finde ich nur das neue Cover (Update 13:42) gibts aber auch die alte Version zu kaufen. Ich finde das ist ein schönes Beispiel, wie Filtern eben doch den Normalbürger betrifft, der kann halt dann die Wikipedia nicht mehr editieren. Und ich hoffe ein frei gehandeltes Cover einer deutschen Band ist kein typisches Beispiel dafür, was Frau von der Leyens Vorbild England alles an Schrecklichem sperrt. Und ich hoffe die Besucher der Wikipedia werden nicht mitgezählt bei der Riesenmenge blockierter Päderasten, die immer als Argument für die Notwendigkeit staatlicher Zensur herhalten müssen. Wednesday, 3. December 2008Fleissige Zugriffe
Ich weiss garnicht, was die FDP da noch nachhaken will. Wenn ihr unsere Regierung sagt, dass sie während dreier Monaten in 2186 Verfahren die Daten der Vorratsdatenspeicherung gebrauch hat (allerdings nur in 940 Fällen darauf wirklich zugegriffen hat, oder 1400 Fällen, so genau weiss sie es nicht. Ebensowenig erfahren wir, wie viele Verbindungen hinter diesen Verfahren stecken, betroffen sind ja z.B. auch alle Mailkontakte des Verdächtigen), dann wird das schon notwendig gewesen sein. Die Aussage der Abgeordneten Piltz
So gehe aus der Antwort der Regierung nicht hervor, "in wie vielen Fällen die Speicherungspflicht von entscheidender Bedeutung für den Ermittlungserfolg war". ist jedenfalls unfair. Ob der Abruf geholfen hat, einen Täter zu finden, kann ja nach 4 Monaten keiner sagen, Urteil ist da sicher noch keins gesprochen, Kriminalstatistiken geben sich ja auch immer mit der Bekanntgabe der Anzahl der Tatverdächtigen zufrieden. Immerhin war in jedem einzelnen Fall die Ermittlung ohne den Zugriff aussichtslos oder wesentlich erschwert. So hats ja unser Verfassungsgericht festgelegt und sicher wird sich keiner der Staatsanwälte und Richter darüber hinweggesetzt haben, alles andere wäre undenkbar. Die Anzahl beunruhigt mich auch. 2200 schwere Straftaten, in jedem Einzelfall schwerwiegend. Das macht knapp 9000 im Jahr. Und alle wären ohne die Datenspeicherung nicht ermittelbar gewesen, bilden also einen Teil der unaufgeklärten 3,9% Straftaten gegen das Leben oder den 2,4% unaufgeklärten Rauschgiftdelikten vom letzten Jahr. Wenn man das hochrechnet, macht man sich Sorgen um unsere Sicherheit.
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