Thursday, 31. July 2008Mehr ProxiesEs ist schön zu sehen, wie plötzlich die Thematik "Zensur und deren Umgehung im Internet" von allen Medien aufgegriffen wird. Das ZDF empfiehlt JAP, Tor und Picidae; Die Deutsche Welle berichtet von Proxy-Servern; Spiegel Online empfiehlt "VPNs ab 8 Euro" und berichtet, dass AP sein eigenes überwachungsresistentes WAN für die Auslandskorrespondenten hat und die Süddeutsche stellt ebenfalls Picidae als Gegenmittel heraus. Laut ORF hat sogar der Deutsche Olympische Sportbund schnell ein VPN gebastelt. Es wird Zeit, mal wieder darauf aufmerksam zu machen, dass all die schönen Hilfen für fernreisende Sportreporter und daheimgebliebenen Chinesen auf ziemlich schwachen Füssen stehen. Vor allem natürlich, weil auch die chinesischen Zensoren nicht doof sind und alle diese Empfehlungen kennen. Gefährdet sind diese Dienste aber auch in Deutschland, und ohne Proxies in der freieren Welt gibts dann auch für den chinesischen Zensor in der Hinsicht nichts mehr zu tun. Wer sowas hier betreibt, muss nämlich immer wieder mal mit Besuch von der Polizei rechnen, gelegentlich auch rechtswidrig oder des Nachts aus versehen. In der Regel endet es glimpflich für die Betreiber, es muss auch keiner fürchten, ins Umerziehungslager gesteckt zu werden, das ist der wesentliche Unterschied zu China. Aber viele geben halt nach ein paar Besuchen auf. Vor allem sind die Dienste von der Vorratsdatenspeicherung bedroht. Die meisten Server werden es ab Januar 2009 nicht schaffen, die Datenmengen gesetzeskonform aufzubewahren. Lustigerweise ist das was das Gesetz von den Proxies fordert ja nicht mal hilfreich für die Ermittler: "Wer Telekommunikationsdienste erbringt und hierbei die nach Maßgabe dieser Vorschrift zu speichernden Angaben verändert, ist zur Speicherung der ursprünglichen und der neuen Angabe sowie des Zeitpunktes der Umschreibung dieser Angaben nach Datum und Uhrzeit unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone verpflichtet." (TKG 113a) verpflichtet ja nur zur Speicherung der (ursprünglichen) IP-Adresse des Clients und der (neuen, immer gleichen) IP-Adresse des Proxies selbst. Bei einem gut besuchten Proxy kein Grund zur Sorge, da geht die einzelne IP-Adresse in der Masse unter, was bei einem häufigen Wechsel des Proxy bzw. der Kaskade bei JAP oder der Tor-Router vermutlich völlig ausreicht. Aber nur weil es Unsinn ist, wird man nicht drauf verzichten. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts im Herbst wird man eh ein paar Änderungen am Gesetz vornehmen müssen (wenn ich mal raten darf: Die Speicherpflicht bleibt, nur sowas wie die Gültigkeit für sämtliche "mittels Telekommunikation begangene Straftaten" wird kassiert). Und dann kann man noch ein paar technische Änderungen einbauen, die machen sich ja bestimmt auch schon Gedanken drüber. Sollte unsere Presse also zu den nächsten Olympiaden auch wieder Proxies brauchen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt sich gegen die Kriminalisierung von Anonymisierungsdiensten hierzulande stark zu machen. Nötig könnte es werden: Für 2016 hat sich unter anderem Katar beworben, im Internet vermutlich kein guter Platz für FrauenrechtlerInnen, Gegner der Monarchie oder Menschen die dem Islam den Rücken kehren wollen. Das IOC wird davon sehr überrascht sein. Wednesday, 30. July 2008Sportnetz
Neben den bisher bekannten Netzformen Irannetz (ohne Israel, Pornos und Christentum), Saudinetz (ohne Pornos und Christentum), Myanmarnetz (ohne Demokratie) und Deutschnetz (ohne Nazipropaganda) haben die Erbauer der grossen chinesischen Firewall jetzt das Sportnetz (ohne alles ausser Sport) entwickelt. Das Internationale Olympische Komitee findet die Idee gut ausreichend:
Nach Darstellung [des Chefs der IOC-Pressekommission Kevan] Gospers bezieht sich der versprochene freie Internetzugang thematisch nur auf "Sportwettbewerbe", und nicht "notwendigerweise auf den freien Zugang und die Berichterstattung über alles, was mit China zu tun hat". Thursday, 3. July 2008Datenauslieferung
Tja, liebe Mit-YouTube-Nutzer, jetzt sind alle unsere Daten bei der Filmindustrie. Falls also jemand mal ein Video seiner Lieblingsband raubkopierenderweise hochgeladen hat oder seinen letzten Urlaubsfilm mit zeitgenössischer Musik unterlegt hat, das wird jetzt von Viacom ausgewertet. Denen gehört zum Beispiel MTV oder Paramount Pictures. Falls Ihr nur Musik der von der GEMA vertretenen Künstler genommen habt, sollte das ok sein, weil das darf man ja anscheinend...
Ob die damit was anfangen weiss ich natürlich nicht. Zunächst geht es ihnen darum, dass YouTube ihnen so viele Kunden wegnimmt, weil ja niemand mehr MTV ansieht, wenn er auch bei YouTube alle neuen Clips ansehen kann. Das hat Viacom bisher mindestens 1 Milliarde Dollar gekostet: Plaintiffs allege that those are infringements which YouTube and Google induced and for which they are directly, vicariously or contributorily subject to damages of at least $1 billion [...] ("Plaintiff" ist übrigens ein "Kläger") Jetzt sind sie natürlich sauer und wollen die Behauptung widerlegen, YouTube hätte nur einen ganz geringen Anteil raubkopierter Inhalte und sei in erster Linie durch selbstgefilmte und selbstvertonte legale Videos gross geworden. Und dazu brauchen Sie sämtliche Logs. Nicht nur wer was wann hochgeladen hat, sondern auch, wer sich das angesehen hat. Selbst von gelöschten Videos und "privaten" (gibts sowas da?) wollen sie das wissen. Und Youtubes Besitzer Google muss die Daten hergeben. Alle, zumindest wenns beim Spruch des greisen Bundesrichters bleibt. Feinsinnigerweise argumentiert der auch noch mit Googles eigener Vorstellung, dass ja nichts dabei ist, Logs mit IP-Adresse und YouTube-Accountname 18 Monate zu speichern, weil das sei ja völlig anonym: Defendants do not refute that the “login ID is an anonymous pseudonym that users create for themselves when they sign up with YouTube” which without more “cannot identify specific individuals” (Pls.’ Reply 44), and Google has elsewhere stated: We . . . are strong supporters of the idea that data protection laws should apply to any data that could identify you. The reality is though that in most cases, an IP address without additional information cannot. Selbst braven Menschen (unterstellen wir mal, Google sei brav), die niemals Daten missbrauchen würden, kann es also passieren, dass ihnen ihre Daten abhandenkommen. Sei es bei einem Diebstahl, oder durch Gerichtsbeschluss. Und dann wäre es einfach die beste Lösung, diese Daten nicht zu haben oder wenigstens richtig anonymisiert, also ohne Usernamen und ohne IP-Adresse. Fleissiges rumwühlen in den Logs um das eigene Angebot zu verbessern ist auch mit kurzfristigen Daten möglich und die Sicherheit eines Servers steigt nicht, wenn man Besucher und Angriffe des letzten Jahres nachvollziehen kann. Zumindest bei uns wird kein Mensch gezwungen, diese Logs zu führen. Manche halten das sogar für illegal und man wird sicher nicht bestraft, wenn man keine Logs hat. Mit der Vorratsdatenspeicherung hat das auch nichts zu tun, da geht es ja nicht um die Logs des Webservers, sondern um die des Internetproviders. Man wird also auch in absehbarer Zeit diese Daten nicht speichern müssen. Hoffentlich liefert Google die zwölf Terabyte wenigstens in möglichst unsortierter Form ab. Auf Papier oder so. Es scheint ja eine Eigenart des amerikanischen Rechts zu sein, dass im Zivilverfahren der Beklagte zwar ganz viele eigene Unterlagen an den Kläger rausgeben muss, die wichtigen Beweise aber in einem Stapel Altpapier verstecken darf. Zumindest beginnt im Film jede Anwaltskarriere damit, dass der Held und seine Praktikantenkollegen am Boden sitzen und Papiere sortieren und der zukünftige Staranwalt das entscheidende Dokument rausfischt. Mehr dazu bei Heise, Gulli und im Gerichtsbeschluss.
(Seite 1 von 1, insgesamt 3 Einträge)
|
KategorienVerwaltung des Blogs |