Sunday, 25. November 2007Anstandsfrist vorbei
Das ging aber schnell. Keine drei Wochen ist das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung alt und aufmerksame Beobachter werden sich vielleicht noch erinnern, dass dieses Gesetz mit der Begründung "Terrorismus" und "schweren Straftaten" dem unbedarften Bürger und Bundestagsabgeordneten schmackhaft gemacht wurde.
Schon lesen viel pfiffigere Volksvertreter aus dem Bundesrat das Gesetz mit anderen Augen. Was die Legislative (also Dass die Vorratsdatenspeicherung auch gegen Klingeltondiebe, Musikpiraten und Raubkopierer dienen soll, ist also der Länderkammer völlig klar. Sie findet lediglich, dass der Zugriff auf diese Massen von Daten der Kleinkriminellen nicht länger die Staatsanwaltschaften belasten soll. Schliesslich will man so grosse Teile der Bevölkerung nicht kriminalisieren, sondern das sollen Musik und Softwareindustrie dann mit den Kopieren ausmachen. Also brauchen wir den direkten Zugriff der Urheberrechtsverwerter auf die Vorratsdaten: Der Deutsche Bundestag hat dieses Anliegen gleichwohl nicht aufgegriffen und führt in der Begründung zu § 113b Satz 1 Halbsatz 2 TKG-neu aus, dass die Verwendung der nach § 113a TKG-neu gespeicherten Daten grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften für hoheitliche Zwecke beschränkt bleiben solle. Unberührt bleibe die Möglichkeit eines Rechteinhabers, im Rahmen eines Strafverfahrens Auskunft aus der Strafverfahrensakte zu beanspruchen und dadurch mittelbar an dem Ergebnis der durch die Strafverfolgungsbehörden eingeholten Bestandsdatenauskunft zu partizipieren. Mit dieser Begründung räumt das Gesetz selbst ein, dass ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch nicht erfüllbar ist. Auf den diametralen Widerspruch zu dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums geht die Begründung nicht ein. Erledigt werden soll das übrigens nicht per Vermittlungsauschuss im vorliegenden Gesetz zur Speicherung, man will keinen Wind machen, jetzt wo man das so schön über die Bühne gebracht hat. Viel besser ist es, wenn man das irgendwann mal im Urheberrrecht reinschiebt, wo das bestimmt keiner merkt. In diesem Gesetz macht der Bundesrat übrigens nochmal deutlich, dass es ihm nichtmal um "schwerkriminelle Urheberrechtsverletzer" geht sondern tatsächlich um den Tauschbörsennutzer: Diese Voraussetzung [der geschäftlichen Rechtsverletzung], [...] würde dazu führen, dass der Hauptanwendungsfall des Auskunftsanspruchs gegenüber Dritten, die Verletzung des Urheberrechts im Internet, leerlaufen würde und die Rechteinhaber schutzlos gestellt würden. Gespannt bin ich ja, wie sie das formulieren werden. Ist schon klar, dass sie mit "Rechteinhaber" immer "Sony BMG, EMI, Warner, Microsoft" meinen. Aber eigentlich kenne ich niemanden, der nicht Inhaber von Urheberrechten wäre. Sei es durch einen gelungenen Text, ein selbstgeknipstes Foto, ein gemaltes Bild oder einen besonders künstlerischen Schneemann... Tuesday, 20. November 2007Tools
Beim law blog hab ich einen Link zu den Fragen und Antworten zur Online-Durchsuchung des Innenministeriums gefunden. Nix neues, wir können ganz beruhigt sein, sagt der Minister...
Nur eine Stelle fand ich bemerkenswert: Wie sollen die bei den Online-Durchsuchungen anfallenden Datenmengen durch die Sicherheitsbehörden bewältigt werden? Endlich hab ich eine Übersetzung für Tools gefunden. Und ich dachte bis jetzt immer, Tools schreibt man mit Z. Wednesday, 14. November 2007Unwürdiger Vorgang
Wie viele andere hätte mich ja schon interessiert, ob die Bundestrojaner, die unter Schily losgelassen wurden aus Unwissenheit oder als kalkulierter Rechtsbruch genehmigt wurden. Dass sie rechtswidrig waren, ist ja inzwischen geklärt.
Leider werden wir das nie erfahren. Der damals zuständige Staatssekretär wird uns nichts erzählen. Er ist nämlich heute nicht mehr zuständig, sondern darf im Justizministerium seinen Scharfsinn bei der Textanalyse beweisen. Deshalb kann er auch nicht vor dem Innenausschuss zu dieser Affäre aussagen: Die Opposition beantragt seit Monaten im Innenausschuss, Diwell dazu befragen zu können, ob er - wie in einem Interview behauptet - tatsächlich nicht gewusst habe, dass seine Verwaltungsanordnung zum Ausspähen privater Computer benutzt werden würde. Im November hatte sich auch die Union überraschend dem Wunsch der Opposition angeschlossen, den Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) damit zu beauftragen, Diwell in einem Brief zur Sitzung des Innenausschusses zu laden. Edathy teilte am Vormittag mit, Diwell habe seinen Brief beantwortet und darauf hingewiesen, er sehe sich außer Stande, im Ausschuss zu sprechen, da er "sachlich nicht zuständig" für das Thema sei. Diwell ist inzwischen Staatssekretär im Justizministerium. Die Koalitionsfraktionen verwiesen in der Ausschusssitzung darauf, man habe "kein Zitierungsrecht" und könne Diwell zu einem Besuch "nicht zwingen". Die Opposition zeigte sich davon verärgert. Für fachlich zuständig hält er sich allerdings schon noch. Zumindest bastelt er weiter am Gesetz, das die früheren illegalen Aktivitäten seiner Untergebenen endlich legalisiert. Erst letzte Woche hat er den Unterschied zwischen legal abzuhörender "laufender Kommunikation", wie z.B. Internet-Telefonie und der strenger geschützten "geronnenen Kommunikation" mit einer ganz neuen Wortschöpfung fein herausgearbeitet. Sowas finden sogar die Abgeordneten der Union doof, die sich vielleicht auch einfach nur einen besseren Stand für Schäuble erhofft. Für den wäre es ja schon schön, wenn sein Vorgänger nicht nur aus Fahrlässigkeit sondern aus fester Überzeugung die heimliche Online-Durchsuchung genehmigt hätte. Auch die Union zeigte sich empört: Der Vorgang sei "eine Farce" und man fühle sich "als Parlamentarier auf den Arm genommen". Diwells Verhalten sei nicht das, was "man von einem der höchsten Beamten der Bundesrepublik erwartet hätte". Allerdings seien den Ausschussmitgliedern nunmehr die Hände gebunden und man plädiere dafür, die Sache "als unwürdigen Vorgang im Deutschen Parlament" abzuschließen. Schade, aber da kann man halt nichts machen. Vermutlich gibts für Diwell dieses Jahr auch keine Weihnachtskarte vom Innenausschuss, aber zu schärferen Massnahmen kann der Ausschuss nicht greifen. Das ist natürlich ziemlich schade, weil gerade im Bereich der Geheimdienste wird ja praktisch alle Kontrolle an das Parlament abgegeben, insofern wäre es schon irgendwie sinnvoll, diese Kontrolle nicht nur von der Auskunftsbereitschaft des Verantwortlichen abhängig zu machen. Vielleicht kommen die Parlamentarier ja zu einer Auskunft, wenn der Mann wieder im Innenministerium arbeitet. Schäuble findet das ja sicher super, wie genial der Staatssekretär der Legislative auf der Nase rumtanzt. Schliesslich ist Schäuble auch nicht so für diese Untersuchungen: Angesichts der grenzüberschreitenden Dimension der Kriminalität und des Terrorismus müsse die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste ausgebaut werden, mahnte der CDU-Politiker. Schäuble fügte hinzu, dies sollte man auch „nicht durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse gefährden, weil dies der Sicherheit unseres Landes nicht entspricht“. Monday, 12. November 2007Vorratsdatenspeicherung für kleine Server
Im Beitrag hier drunter geht der Link vielleicht verloren, drum nochmal ein Hinweis auf
Jens Ferner: Vorratsdatenspeicherung in der Praxis I der sich darüber Gedanken macht, wie private "Provider" für den Freundeskreis mit einem (v)Server mit der neuen Gesetzeslage umgehen sollen. Der Autor legt das Gesetz recht vorsichtig aus und meint, dass vielleicht auch diese kleinen Provider davon betroffen sein könnten. Ich kanns selbst nicht beurteilen, weil ich nicht abschätzen kann, wie Juristen mit Ausdrücken wie "öffentlich zugänglicher Dienst" umgehen. Ob das ein Mailserver ist, der seine Mailadressen an jedermann verkauft/verschenkt oder ein Mailserver, bei dem jedermann einen Brief abliefern kann, kann aber nur ein Schriftkundiger entscheiden. Womöglich gibts dazu sogar schon ein wegweisendes Urteil über die Aufstellung von Briefkästen... Durchlesen sollte man sichs zumindest mal, um nicht plötzlich von wichtigen Fragen überrascht zu werden. Ausserdem schadet es nicht, wenn man sich mal Gedanken macht, wo welche Logfiles liegen, was die an persönlichen Daten enthalten, wie man sowas auskunftsgerecht aufbereiten würde und wie man die vorratsgespeicherten Daten gesichert und verschlüsselt aufbewahren würde. Da guckt keiner rein
Seit heute ist das Protokoll zur Bundestagssitzung am 9.11. und der Gesetzentwurf online zum Nachlesen. Wenn man den Reden der Regierungsfraktionen glaubt, ist diese Vorratsdatenspeicherung eigentlich garnicht so schlimm. Keiner guckt in diese Daten, man speichert eigentlich nicht mehr als früher und eigentlich sind lediglich Terroristen und Organisierte Kriminelle wirklich betroffen.
Erfassung von DatenBrigitte Zypries (SPD): Wir haben in ausführlichen Gesprächen – auch mit Telekommunikationsunternehmen – darauf hingewiesen, dass man allenfalls die Daten speichern kann, die ohnehin beim Telefonieren erhoben und bereits zu Abrechnungszwecken gespeichert werden.[...] Man sieht also, nur Daten, die bisher schon legalerweise zu Abrechnungszwecken erfasst werden, werden gespeichert. Das wird die Besitzer von Flatrates freuen, deren Einwahl ja bisher nicht mitprotokolliert werden durfte. Dass manche Provider das trotzdem getan haben, steht auf einem anderen Blatt, auf illegales Treiben kann sich die Ministerin ja kaum berufen. Ebenso werden sich Mailprovider freuen. Da keiner von denen einzelne Mails mit einer Art Porto belegt hat, sollten denen einzelne Mails zu Abrechnungszwecken völlig egal sein. Sie müssen also auch zukünftig nicht speichern. Mini-Provider, die für sich und ihre Kumpel einen (v)Server gemietet haben können auch aufatmen. Entgegen anderslautenden Meinungen müssen sie sich nicht plötzlich mit Fragen (Wo sind denn diese Maillogs? Wie speicher ich die für 6 Monate? Wie verschlüssel ich sowas?) auseinandersetzen. Wer von seinen Kumpeln nichts kassiert, ist nicht betroffen. Mobilfunkprovider sind damit sicher auch glücklich: Ausser bei Verträgen mit "Home-Zone" oder ähnlichem war ja der Standort des Kunden bisher für die Rechnung irrelevant, lediglich fürs Roaming während des Gesprächs musste man wissen, welches Funktürmchen das Handy versorgt. Wird also auch zukünftig nicht gebracht. Auch Betreiber von Anonymisierungsdiensten wie zum Beispiel Tor haben sich ganz umsonst Sorgen gemacht. Die hatten ja schon Angst, sie müssten loggen, weil das so im neuen §113a (6) TKG steht. War alles Panikmache, weil bisher loggen die ja auch nicht und zumindest bei Tor-Servern war Bezahlung nie ein Thema. Zugriff auf die DatenAusser mit richterlichem Beschluss hat niemand Zugriff darauf, das ganze Gerede von Zugriffen anderer Stellen, wie z.B. den Geheimdiensten ist Unsinn. Brigitte Zypries (SPD): Frau Leutheusser, Sie haben in Ihrem Interview mit der Berliner Zeitung behauptet, dass wir mit diesem Gesetz dem Verfassungsschutz und sonstigen Geheimdiensten Tür und Tor öffnen würden. Das ist einfach nicht richtig. Auch vor Missbrauch muss man keine Furcht haben. In diese automatischen Logfiles guckt keiner rein. Schon garnicht beim Staat, weil der speichert ja garnicht. Klaus Uwe Benneter (SPD): Das alles ist unter den heutigen Bedingungen nur möglich, wenn auch die Kommunikationsmöglichkeiten überwacht, erhoben und gespeichert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in einer kürzlich ergangenen Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass dies möglich und auch notwendig ist KleinkriminelleFilesharer, Beleidiger oder Produktpiraten, die selbstgenähte Markentextilien über ebay verticken müssen ebenfalls nicht befürchten, dass ihnen jetzt die Antiterrorgesetze zum Verhängnis werden, zumindest wenn man den Zwischenruf des rechtspolitischen Sprechers der Union als Widerspruch deutet. Jan Korte (DIE LINKE): Bei der Bundesregierung soll der Zugriff bei erheblichen Straftaten und bei einer „mittels Telekommunikation“ begangenen Straftat geregelt werden. So steht das dort drin. Das beinhaltet beispielsweise auch eine Beleidigung am Telefon oder das illegale Herunterladen von Klingeltönen oder was auch immer. Das ist die Logik davon. FazitWie man sieht, alles nicht so tragisch. Es ändert sich praktisch nichts und die ganze Aufregung ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Wir werden sehn, wie sich das dann so in der Praxis gestaltet. Ich vermute, dass meine Kommentare da oben völlig am Gesetz vorbeigehen, ebenso wie die Beruhigungspillen der Koalitionäre. Am Ende des Protokolls (Anhang 4, Heise-Bericht dazu) kommt übrigens noch ein echt bizarres Dokument, in dem 26 SPD-Abgeordnete begründen, dass sie das Gesetz für schlecht und teilweise für verfassungswidrig halten. Sie haben allerdings trotzdem dafür gestimmt und hoffen, dass ihre Entscheidung für ein schlechtes Gesetz in Karlsruhe wieder revidiert wird. Schöner kann man eigentlich Art 38 GG "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" nicht karrikieren als mit diesem Satz: Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird. Andrea Nahles hat übrigens versucht, dieses komische Abstimmungsverhalten auf ihrer Homepage und bei Abgeordnetenwatch zu begründen.
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