Tuesday, 25. September 2007Eilige Ermittlungen
Bei der Zeit ist inzwischen auch ein Artikel über die Geschichte mit der Hausdurchsuchung bei einem Tor-Betreiber erschienen. Bisher war mit ja nicht klar, ob das ganze ein blödes Versehen aufgrund hastiger Ermittlung angesichts einer akuten Gefahr, echte Unfähigkeit oder eine Verschwörung war.
Ich habs mir ja eher als Flüchtigkeitsfehler gedacht, der halt passiert, wenn die Autobahncops mal in der Hektik und zwischen all den brennenden Autos den falschen verdächtigen:
Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus, ich sehe offensichtlich die falschen Filme. Obwohl ... eigentlich nicht, es ist doch eher so als würde sich Chief Wiggum an die Schreibmaschine setzen und dann Toto und Harry ins Internet auf Streife trotten. Für reale Einsätze muss man zunächst die Zeitachse ein wenig dehnen. So ungefähr um den Faktor 72. In Wirklichkeit wars nämlich so:
(*) Das ist der Punkt, der mich stutzig macht... Wie haben die den Code zur IP <--> Provider-Zuordnung geknackt? Ein derartiges Vorgehen lässt natürlich schon noch viel Raum für Verschwörungstheorien: Finstere Mächte mit Verbindungen nach Ganz Oben wollen einen Menschen einschüchtern, Furcht und Schrecken unter den Tor-Betreibern verbreiten, und scheuen dabei nicht davor zurück, ihre Untergebenen echt dämlich aussehen zu lassen. Andererseits: Chief Wiggum ist zwar eine Zeichtrickfigur, Toto und Harry sind aber echt. Von daher könnte schon alles so sein, wie die Zeit das bei der Staatsanwaltschaft erfuhr. Oder wie der Betroffene meint "incompetent++". Robert ist auch für die Inkompetenz-Theorie. Bei dem musste die Polizei ja ab und zu Aufnahmen aus der Überwachungskamera der Tankstelle abholen, weil dort Unfälle in der Tankstelle oder vielleicht ein paar Täter von Straftaten aus der Nachbarschaft drauf waren. Das ging gut, solange man die als Videokassette abholen konnte. Beim Präsidium oder LKA gabs dann sogar Spezialisten, die aus diesen gemultiplexten Einzelbildern aus mehreren Kameras wieder etwas zusammenschneiden konnten für die VHS-Vorführung beim Richter. Als dann allerdings dieses digitale Zeug aufkam und als Transportmedium der Daten eine polizeieigene Platte mit USB-Anschluss, war das System zum Scheitern verurteilt. Lediglich in einer Nachbarstadt gibts einen Polizisten mit einer mobilen Festplatte. Was mich als schutzbedürftiger Bürger dabei ein bisschen stutzig macht:
Dumm nur, dass die Finsteren Mächte mit Verbindungen nach Ganz Oben ihr Ziel trotzdem erreichen. Ganz ohne Verschwörungstheorie reicht einfach auch Inkompetenz, um Furcht und Schrecken zu verbreiten. Sunday, 16. September 2007Ein exit node weniger
Beim itnomad gibts einen recht interessanten Bericht, wie unsere Polizei bei Betreibern von Tor-exit-nodes vorgeht. Man sollte sich das ganz durchlesen, sofern man Englisch kann, drum hier nur eine kleine Zusammenfassung:
Mal unterstellt, das ist kein Einschüchterungsversuch gegen unbequeme Anonymisierer, verstehe ich irgendwie nicht, wie die Polizei so doof sein kann. Die ersten paar Schritte der Ermittler kann ich ja noch nachvollziehen. Eine IP-Adresse postet eine Drohung in einem Forum. Könnte ja echt sein. Also schnell rauskriegen, wem diese IP-Adresse gehört (der Provider sagt das sicher einfach und unbürokratisch), den entsprechenden Rechner mitnehmen und untersuchen. Würde ich verstehen. Vielleicht auch gleichzeitig den Besitzer zuhause besuchen und aufpassen, dass der nichts davon mitbekommt und abhaut. Vom Tor-Server auf diesem Rechner wissen die Beamten ja noch nichts und selbst wenn wäre es zu billig, mit einem laufenden tor node alle Verbindungen auf diesem Server zu erklären. Aber ausgerechnet den wichtigsten Server und das beste Beweismittel stehenlassen und stattdessen das Wohnzimmer des Besitzers filzen ist ja das dümmste denkbare Vorgehen. Spätestens nachdem klar ist, das der Verdächtige einen Tor-Server betreibt, könnte man dann ja auch aufgeben. Der Typ kennt sich ja offensichtlich aus, es sollte also kein Problem für ihn sein, seine Bombendrohung anonym abzusetzen und er wird dabei ganz bestimmt jede andere IP-Adresse verwenden nur nicht die seines eigenen Servers. Aber vielleicht kenne ich einfach die Organisation unserer Polizei zu wenig. Die Polizeigewerkschaft beklagt ja immer wieder, dass sie eigentlich viel zu wenig Personal und viel zu wenig technische Kompetenz haben und statt prestigeträchtiger Überwachungsspielzeuge und Datenbanken für Geheimdienstler gerne mal einen Computer in jeder Inspektion hingestellt bekämen. Ob Dummheit oder Abschreckung, wir haben auf jeden Fall einen exit-node weniger in Deutschland, weil Alexander jetzt natürlich keine Lust mehr hat, sowas nochmal zu erleben. Verständlich, ich möcht auch nicht wissen, was mein Freund und die Nachbarschaft drüber denken, wenn die Uniformierten hier im Morgengrauen die Kisten raustragen... Friday, 7. September 2007Hilflose Ermittler
Die Aussage
Man wisse, dass die Festgenommenen das Internet nutzen, sagte Beckstein. Aus welchen Gründen sie im Internet waren, könne er aber nicht sagen, weil die Sicherheitsbehörden Online-Durchsuchungen nicht durchführen dürfen. Ist ja ungefähr so sinnfrei wie Man wisse, dass die Festgenommenen im Schlafzimmer telefonierten. Aus welchen Gründen sie telefonierten, könne man aber nicht sagen, weil die Sicherheitsbehörden keine Wanze unter der Bettdecke platzieren durften. Wenn der Stoiber Unsinn wie "Wir können nicht den Briefverkehr abfangen, aber das Internet außen vor lassen." erzählt, nehm ichs ihm ja ab, dass er das halt nicht besser weiss. Aber der Innenminister müsste doch im laufe der letzten Monate mal Zeit gefunden haben, seinen Referenten für modernes Zeug zum Rapport zu bitten. Der wird ihm doch sicher erzählt haben, dass man das Internet schon genauso abhören darf wie Telefone und Briefe. Ich glaube bei dem kann man Nichtwissen ausschliessen, das ist absichtliche Täuschung der Bevölkerung. Deren Zustimmung zur Online-Durchsuchung soll ja nach der Festnahme von drei mutmasslichen Terroristen auf 58% gestiegen sein. Blöd nur, dass unsere Abgeordneten vermutlich auf einem ähnlichen Wissensstand sind wie unser Ministerpräsident. Die werden auch drauf reinfallen. Lesetipp: Heribert Prantl in der NZZ über den Terroristen als Gesetzgeber: Die Terroristen sind nach dem 11. September nicht, wie befürchtet, in Atomkraftwerke und Wasserversorgungsanlagen eingedrungen; nicht dort haben sie Unheil angerichtet und Verderben über das Land gebracht. Sie tun es auf andere, subtil gefährliche Weise: Sie haben sich der Schaltzentralen der westlichen Demokratien bemächtigt; sie beherrschen die Apparate und Brain-Trusts, in denen Recht produziert wird; sie verseuchen den Geist der Gesetze. Sunday, 2. September 2007Eilbedürftige Spezialsoftware
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass uns alle verarschen. Jetzt sind alle Politiker aus dem Sommerloch zurück und bereiten sich auf den Postenkampf nach der Machtübernahme in Bayern vor. Und Frau Merk, unsere Justizministerin äussert sich zum Bundestrojaner:
[Es kann] selbstverständlich auch Situationen geben [...], in denen es nicht möglich ist, eine richterliche Genehmigung einzuholen, in denen die Zeit einfach so drängt. Und in solchen Fällen - und ich sage, das sind wirklich absolute Ausnahmefälle - muss es dann auch möglich sein, dass zuallererst eben durch einen hochrangigen Staatsanwalt eine entsprechende Entscheidung getroffen wird und hernach dann durch den Richter. Da spricht einerseits der BKA-Chef von Spezialsoftware, die individuell auf den Zielrechner zugeschnitten ist, weshalb man ja auch nur 10 Stück pro Jahr schaffen wird. Andererseits kann sich die Justizministerin vorstellen, dass es Eilfälle gibt, wo man nicht rechtzeitig einen Richter aus dem Bett holen kann. Falls es wirklich so ist, dass die Softwarespezialisten unserer Geheimdienste schneller ihre Hacks schreiben als unsere Richter einen Durchsuchungbeschluss, sollten wir dringend in den Nachtschichtausgleich oder die Schreibmaschinenkurse unserer Justiz investieren... [Zum Richtervorbehalt] verpflichtet uns der Rechtsstaat, und er verpflichtet uns auch dazu, dass wir, wenn eine solche Durchsuchung gemacht wird, hernach aus datenschutzrechtlichen Gründen die Betroffenen davon benachrichtigen. Fein, dass unser Rechtsstaat so hoch geschätzt wird. Bei der Telefonüberwachung drückt sich diese Wertschätzung darin aus, dass 2,3% aller Überwachten von der Staatsanwaltschaft von sich aus darüber informiert wurden, 50% anlässlich der Anklageerhebung. Oder anders ausgedrückt: 94% aller unschuldig Überwachten wurden nicht verständigt. So richtig ärgerlich fand ich den vorletzten Satz der Ministerin: Frage: Von wem gehen diese Fehlinformationen aus? Bis jetzt kam der technische Unsinn ja hauptsächlich aus der Ecke der Befürworter der heimlichen Onlinedurchsuchung. Zur Behauptung "Wir müssen wegkommen von diesen Gespensterdebatten, von diesen Horrorszenarien, dass eine flächendeckende Durchsuchung gemacht würde, geplant wäre oder überhaupt technisch möglich wäre. Das alles ist nicht der Fall. Es ist ein begrenzter Bereich schwerster Straftaten" hilft vielleicht ein Blick auf die Statistik der Bundesnetzagentur zur Telefonüberwachung [Quelle (PDF)]. Entweder ist die Schwerkriminalität in den letzten 8 Jahren enorm gestiegen oder der Trend geht tatsächlich in Richtung "flächendeckende Überwachung". Auffällig ist auch der fehlende Peak um 2001 rum. Anscheinend hat der Terrorismus nicht sonderlich zugenommen. Vielleicht liegts aber auch nur daran, dass die Gattinnen unserer Geheimdienstmitarbeiter zunehmend untreu werden und man dringend an die Mails der Nebenbuhler kommen muss.
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