Thursday, 22. February 2007Aschermittwochsbräuche und Sozial-Schwabing
Die Frage von gestern, wer eigentlich auf die Idee kam, den Aschermittwoch als Massenstammtisch einzuführen, wäre durch einen Blick in die Wikipedia zu beantworten gewesen.
Die Wurzeln des politischen Aschermittwochs liegen im 16. Jahrhundert: 1580 trafen sich bayrische Bauern erstmals in Vilshofen zum Vieh- und Rossmarkt und feilschten dabei nicht nur über die Preise, sondern diskutierten auch heftig die Themen des Tages, darunter seit dem 19. Jahrhundert auch die königlich-bayerische Politik. Das Jahr 1919, als der Bayerische Bauernbund erstmals zu einer Kundgebung aufrief, gilt aber als eigentliches Geburtsjahr. Von 1919 bis zu Beginn der NS-Diktatur war der Politische Aschermittwoch vor allem das Forum verschiedener Bauernparteien. Dann war der Aschermittwoch ausschließlich das Forum der NSDAP. Erst 1946, als die Bayernpartei die Gründungsveranstaltung des Ortsvereins auf den Aschermittwoch legte, war die Aschermittwochskundgebung wieder in demokratischer Hand ... Interessant übrigens dass der Bayerische Bauernbund 1919 als liberal und republikanisch betrachtet wurde. Ganz so extrem wie die Befürworter der Räterepublik waren sie nicht, aber wer könnte sich heute noch eine Koalition aus SPD, USPD (oder PDS) und Bauernverband vorstellen? In der Aschermittwoch
Wer kam eigentlich auf die Idee, unmittelbar nach dem Kehraus, dessen Verfilmung mit Gerhard Polt kein bisschen übertrieben ist, eine Politshow zu veranstalten?
Beeindruckend fand ich ja die Vergesslichkeit der Union. Statt sich zu erinnern, wer in Kreuth und München den Chef so lange bearbeitet hat, bis er abgedankt hat, wird die ganze Schuld in Fürth gesucht. Aus Spiegel-Online: Pauli jedenfalls, die Landrätin aus Fürth, die die CSU aufgemischt und das Ende der 14-jährigen Ära Stoiber mit eingeleitet hat - sie stellt sich der Basis. Kaum hat sie die Halle betreten und die Kameras auf sich gezogen, erschallen Rufe: "Pauli raus, Pauli raus!" Lächelnd bahnt sie sich den Weg zum Podium. "Schicksdi doch hoam!", ruft einer. Ein anderer schreit ihr entgegen: "Schöne Frau, sonst nix." Wir bleiben dabei, die bringens noch so weit, dass er bleibt. Dann wollen wir aber kein Gejammer hören. Ein Zitat von Ludwig Stiegler, der in Vilshofen bei der SPD reden durfte, find ich schön: "Das wird ein fröhliches Hochamt im Gegensatz zu dem Requiem in Passau, wo die Leiche ihren eigenen Nachruf sprechen darf.“ Franz Maget triffts auch, irgendwie: "Der politische Aschermittwoch in Passau wird heute zum Mekka der Heuchler und der Scheinheiligen" Nachtrag 22.2.: Inzwischen kann man auch die Rede des Ministerpräsidenten runterladen. Es fehlt natürlich die Stimmung und ohne Bierdunst erscheint das eine oder andere vielleicht in falschem Licht, aber wer sichs antun will, findet bei den CSU-Downloads den ganzen Text. Von der Begrüssung Ein ganz "Herzliches Grüß Gott!" in Passau. bis zum Schluss Unser Herz schlägt für die CSU! Unser Herz schlägt für Bayern! Gott segne unser Bayern! Der Vorsitzende versteht anscheinend nicht recht, warum er zurücktreten soll. Auch sein Kumpel Putin, dessen Geheimdienst zwischen zwei Liquidierungen Zeit fand, sich um Lokalpolitik zu kümmern, konnte ihm da nicht weiterhelfen (Hervorhebungen im Original): Liebe Freunde, Übrigens auch am Mittwoch wieder die gröbliche Missachtung seines Vorgängers, es scheint fast, als gäbe es eine kollektive Verdrängung der Ära Streibl. So schlimm war ja eigentlich die Amigo-Affäre auch nicht, dass man den armen Kerl zur Unperson erklären muss: Meine Politik stand immer in der Kontinuität von 60 Jahren CSU, von Goppel, von Strauß. Mein Ziel war immer: das Erbe von Strauß nicht nur zu verwalten, sondern zu mehren. Wednesday, 21. February 2007Doch kein Spieleverbot
Ich sagte es doch, sie schaffen es nicht! Die Länderkollegen im Bundesrat haben den bayerischen Vorstoss zum Verbot von Killercomputerspielen, Killergotchaspielen und von Pornoverkauf an Jung und Alt einstimmig bis Herbst vertagt.
Zum Pornoverbot haben sie anscheinend garnichts gesagt, das war ja auch eher eine unerwünschte Nebenwirkung des Beckstein'schen Aktionismus. Bei der Gewaltverherrlichung fanden sie den bisherigen §131 wohl einfach ausreichend. In Sachsen, dem anderen Freistaat, verletzt Gotcha übrigens nicht die Menschenwürde. Dort dauert es zwar über 4 Jahre, bis ein Gericht ein Landratsamt davon überzeugen konnte, aber inzwischen weiss man dort, dass man in Bautzen eine Halle zum Spielen betreiben darf. Und sonst? T-Online und Arcor speichern IP-Adressen ihrer Kunden nur noch für eine Woche, steht bei Heise, sehr zum Leidwesen interessierter Strafverfolger und Urheberrechtsgeschädigter. Manche finden, auch das sei noch zu lange, schliesslich darf man ohne Grund ja eigentlich nichtmal eine Sekunde lang speichern. Andererseits soll man den Providern ja schon noch eine Chance geben, Fehler zu suchen und 1 Woche halte ich auch auf diesem Server für einen guten Kompromiss. Friday, 16. February 2007sportlich
Die CSU muss ihre Meinung zu Gewaltsportarten vermutlich nochmal überdenken. Heute war nämlich Erwin Huber in Quer zu Gast und hat dabei mehrfach den Ausdruck "sportlicher Wettbewerb" angebracht, wenn die Rede auf Konkurrenzkampf, Kampfabstimmung oder ähnliches kam. Mit diesem Begriff umschreibt er sowohl sein derzeitiges Verhältnis zu Horst Seehofer als auch sein damaliges zu Günther Beckstein.
Wir erinnern uns, damals als Stoiber nach Berlin gehen wollte, weil Deutschland ihn brauchte, um Superminister für Wirtschaft und Finanzen zu werden, gabs Streit um seinen Ministerpräsidentenposten. Ein zweites Amt war nicht zu vergeben, beide wollten unbedingt aufsteigen und haben sich so weit überworfen, dass sie ausschlossen, unter dem jeweils anderen noch Minister bleiben zu können. Ansonsten hat er sich gut als Parteichef vorstellen können, als jemand, der in seiner Person die ganze Bandbreite einer Volkspartei repräsentiert. Er hat sowohl Kontinuität erwähnt als auch "Laptop und Lederhose" gesagt, auf seine jahrelange Erfahrung als ehemaliger Umweltpolitiker und noch aktiver Kommunalpolitiker hingewiesen, von seiner Wirtschaftsnähe erzählt und auch noch fallen lassen, dass er aus kleinen Verhältnissen stammt. Bei seinen interviewten Parteigenossen fand ich interessant, dass ihn einer in die direkte Nachfolgelinie Strauss - Stoiber - Huber gestellt hat. Ich hab das auch erstmal so gesehen, erst bei längerem Nachdenken fiel mir auf, dass da eine Lücke von 5 Jahren klafft. Friday, 9. February 2007KillergotchaBayern hat jetzt einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat eingebracht, dass Killercomputerspiele verboten werden, in denen "menschenähnliche Wesen" abgeballert werden. Ausserdem werden echte Spiele verboten, bei denen die Würde der Mitspieler verletzt wird, indem man sie mit Schusswaffen spielerisch tötet. In allen Begründungen dazu steht zwar "Jugendschutz", aber im Gesetz taucht der Begriff nicht mehr oft auf. Hätte ja auch keinen Sinn, da bereits die Herstellung verboten werden soll. Bisschen düster raunt der Kommentar dazu noch von "Handlungsmöglichkeiten gegenüber Internet-Providern". Eigentlich könnts mir ja egal sein, das letzte menschenähnliche Wesen hab ich vor Jahren erlegt, danach lediglich ein paar Kampfraumschiffe vom Himmel geholt. Im Gegenteil, ich freu mich schon auf die Gerichtsverhandlungen, bei denen geklärt wird, ob ein Troll, ein Ork, ein Zombie und ein Borg menschenähnlich sind. Zum Gotcha-Spielen mussten wir schon immer nach Tschechien fahren, weil in Becksteins kleinem Reich derartige Spiele für allgemeine Besucher sowieso ordnungswidrig waren. Das fördert den Tourismus und die Völkerverständigung, die Reisekosten kann man ja dann durch Tanken und Zigarettenimport wieder reinholen und die Durchsuchung an der Grenze bei der Wiedereinreise gehört einfach zum Thrill, den man als Freizeitkrieger eben so braucht. Ich lege allerdings Wert darauf, dass durch eine Markierung auf dem Spielfeld meine Würde niemals in Gefahr war und ich auch bei eigenen Erfolgen niemals meinen Gegner seiner Würde beraubt habe. Vielmehr habe ich stets die Genfer Konvention beachtet, wie das ja auch im echten Leben in zivilisierten Kreisen immer der Fall ist. "Cowboy und Indianer" ist übrigens im Entwurf extra als nicht gemeint aufgeführt. Das ist nämlich nicht geeignet, die Menschenwürde zu verletzen, wie unser Kabinett weiss. Ebenso der Fechtsport, der der Körperertüchtigung dient. Mir wäre ja Boxen als erstes eingefallen, Becksteins Autoren sicher auch, aber vermutlich war den Verfassern die Parallele zum Gesichtsverlust zu offensichtlich. Und sonst heute neues aus dem Kabinett? Erbschaftssteuer, Hochschulpolitik und die Regierung kümmert sich um die wichtige Tradition der Böllerschützen. (das Bild stammt aus dem verschollenen Film "Gotcha-the Movie" von R.P. und zeigt M.M. bei illegaler aber würdevoller Spieltätigkeit) Nachtrag 13.2.: Sie haben verloren! Zum einen hat die Bundesregierung angekündigt, selbst einen Gesetzesvorschlag zu machen, der mehr am Jugendschutz orientiert ist. Zum anderen hat der Spiegel das Gesetz wohl aufmerksamer gelesen als das Kabinett. Kann ja passieren, wenn man so aufgeregt ist... Aus Spiegel-Online "Gesetz mit Nebenwirkungen": Doch der Antrag hat bisher nicht bemerkte Nebenwirkungen: Er käme einem Pornoverbot in Videotheken gleich[...] Das ist zwar schön gesagt, aber der CSU-Wähler steht in der Wahlkabine allein und unbeobachtet wie vor der Pornoglotze und vielleicht erinnert er sich dann an seine ethisch fundierte Familienministerin, die ihm seinen ganzen Spass verdorben hat. Das trauen die sich nie!
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